UNITEDINTERIM Blog

Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Verschwendung als Kunstform – oder: „Das Leben in der Chain Gang"

Es gibt Dinge, die man nur in der Welt der Bürokratie wirklich schätzen lernt. Etwa die Eleganz eines Antragsformulars oder die stille Poesie des Wortes "Bearbeitungszeitraum", das stets andeutet, dass die Dinge nur durch Warten an Wert gewinnen. Die Bürokratie kann vieles sein – effizienzsteigerndes Element einer rationalen Unternehmensführung, ganz im Sinne von Max Weber – aber auch eine indiskutable Form der Verschwendung. Worin schon fast eine kafkaeske Ironie liegt: Das Effizienzsteigerungsinstrument, welches die Effizienz kannibalisiert.

Gute Gründe für eine wachsende Bürokratie 1: Verschwendung als Tugend!

Nur ein wenig Ironie: In der modernen Bürokratie ist Verschwendung keine Sünde, sondern eine Tugend, die akribisch gepflegt wird. Es beginnt bei den Aktenbergen, geht weiter bis zu den kunstvoll verlegten Anträgen. „Verwaltung" ist hier ein Euphemismus für das Verschwindenlassen von Zeit und Ressourcen.

Man kann der Bürokratie nicht nachsagen, sie wäre ineffizient. Ganz im Gegenteil. Sie hat geschafft, die Grundsätze der Physik zu erschüttern bzw. sogar ad absurdum zu führen. Es ist die Bürokratie, die es geschafft hat, eine Art „Über-Perpetuum Mobile der Sinnlosigkeit" zu erzeugen, in dem sie es schafft, immer mehr und mehr und mehr von sich selbst zu erzeugen. Hurra!

Gute Gründe für eine wachsende Bürokratie 3: Warten ist gut für die Seele!

Manche mögen argumentieren, dass Warten eine Zeitverschwendung ist. Jedoch: Das ist ein Missverständnis! Warten ist, wenn es von der Bürokratie verordnet wird, eine Übung in Selbstdisziplin und Achtsamkeit. Es zwingt uns, den Moment zu genießen – oder zumindest ihn zu ertragen. In einer Welt, die immer hektischer wird, gibt uns die Bürokratie das Geschenk der Langeweile.

Gute Gründe für eine wachsende Bürokratie 3: Lassen Sie sich gefälligst weitere, gute Gründe einfallen!

Bevor Sie damit anfangen, beantragen Sie aber bitte erst eine Erlaubnis, sich diese einfallen zu lassen. Hierzu füllen Sie bitte den Passierschein 38a aus, gehen Sie in Stockwerk 12 und lesen sich die Ausfüllhilfe durch und erstellen dann Ihren Antrag gemäß Durchführungsvorschrift X3PO-R2D2.

Und jetzt mal ohne Ironie, dafür aber mit einer klaren Handlungsempfehlung.

Stoppt den Unsinn – Produktivität statt Verschwendung und Mangel

In fast allen Unternehmen gibt es einen Mangel an den Faktoren, die den Erfolg fördern, während gleichzeitig das Gegenteil im Überfluss vorhanden ist. Anstatt Unternehmen als Orte der Zusammenarbeit zu verstehen, die das Ziel der Kundenzufriedenheit verfolgen, werden sie oft als prozessuale Albträume voller sinnloser Zeitfresser, Bürokratie und Verschwendung wahrgenommen. Die Mitarbeitenden fühlen sich wie Mitglieder einer „Kettenbande", einer „Chain Gang", anstatt den Prozess der Wertschöpfung als Bereicherung für sich und die Kunden zu empfinden. Und das in Zeiten, wo nur Kreativität, Innovation und Kundenorientierung für Firmen ein Garant sein werden, das Rennen gegen ihre Konkurrenz zu gewinnen.

Es gibt in fast allen Unternehmen einen Mangel an wichtigen Erfolgsfaktoren:

Gleichzeitig gibt es jedoch einen Überfluss an:

  • Zeitfressenden, als sinnlos empfundenen Tätigkeiten
  • Mitarbeitern, die innerlich gekündigt haben und nur noch Dienst nach Vorschrift machen
  • Unwirksamen Ausgaben

Das Management und die Wissenschaft suchen verzweifelt nach dem „Heiligen Gral" der Unternehmensführung. Die Flut an Fachliteratur zu diesem Thema ist Legion und spricht Bände. Diejenigen, die versuchen, die oben genannten Herausforderungen zu bewältigen, arbeiten daran, die wertvollen Ressourcen Zeit, Motivation und Liquidität sinnvoll in die Wertschöpfungskette zu integrieren.

Doch wie entkommen wir diesem Dilemma? Sicherlich könnte man ein umfangreiches Kulturveränderungsprogramm aufsetzen, aber das ist nicht unbedingt notwendig. Es würde bereits ausreichen, wenn wir uns konsequent auf die Bereiche im Unternehmen konzentrieren, in denen Verschwendung stattfindet (und toleriert wird), um diese dann gezielt zu reduzieren.

Typische Beispiele für Verschwendung:

  • Verschwendung von Zeit durch unnötige Bürokratie
  • Verschwendung von Arbeitsfreude durch unnötige Meetings und sich ausbreitende „Selbstbeschäftigungsprozesse"
  • Verschwendung von Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen durch langwierige Entscheidungsprozesse
  • Verschwendung von Liquidität durch ineffektive Kongresse und sinnlose Investitionen am Ende des Fiskaljahres

Anstatt unsere Zeit mit sinnfreien Workshops zu vergeuden, deren Ergebnisse als Plakate an die Wände gehängt und dann durch sinnentleerte Regelmeetings sofort wieder ad absurdum geführt werden, sollten wir uns im Alltag auf das Wesentliche konzentrieren.

"Stoppt den Unsinn" - "stop making nonsense"

  1. Hören wir auf, die gesunkene Produktivität durch noch mehr Berichte und andere bürokratische Elemente steigern zu wollen. Den bestehenden Willen zur Produktivität zu nutzen, ist sinnvoll; ihn durch Bürokratie auszutrocknen, ist Unsinn.
  2. Verzichten wir auf Motivationsseminare und verhindern stattdessen, dass Motivation durch belastende Aufgaben und Pflichten zerstört wird. Der Mensch ist von Natur aus motiviert – unsere Aufgabe ist es, diese Motivation nicht zu untergraben. Demotivation ist Unsinn.
  3. Selbstbezogenheit ist Unsinn. Arbeiten für die eigene Organisation, ohne dabei den Kunden im Blick zu haben, führt häufig zu Unsinn. Deshalb: Kundenorientierung statt Cargo-Kulte und Unsinn.

Nur wenn wir beginnen, aus der „Chain Gang" auszubrechen und uns nicht blindlings dem Unsinn unterwerfen, werden wir in der Lage sein, Unsinn zu erkennen, ihn zu beseitigen und die daraus resultierende Verschwendung einzudämmen. So können wir die freigesetzten Ressourcen – Zeit, Mensch, Motivation und Liquidität – dort einsetzen, wo sie dem Kunden und den Menschen in der Organisation zugutekommen.

In eigener Sache: Interimmanager, also Sie, Du und ich, sind anfänglich nicht Mitglied der o. g. Chain Gang, drohen aber nach gewisser Zeit dazu zu werden. Wir werden bisweilen inkorporiert, fraternisiert, verdaut und ausgeschieden. Und dies, obgleich wir die Aufgabe haben, genau eben nicht zu Teil der Chain Gang zu werden. Daher, liebe Kollegen, lasst uns erst gar nicht zum Teil der Kettenbande werden und lasst uns zudem denjenigen helfen, die versuchen, ihre Ketten abzustreifen. Dies erzeugt freien, frischen und schwebenden Geist – und damit Kreativität, Produktivität und Überlebensfähigkeit.

Dr. Bodo Antonic
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Thorenbergstrasse 5
CH-6014 Luzern

+49 177 5611940

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Samstag, 21. Dezember 2024

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