UNITEDINTERIM Blog
Automotive: Werksaufbau in Osteuropa samt Produktionsverlagerung
Branche: Fahrzeugbau – Automobilzulieferer
Linienfunktion: Technik/Produktion (Projektleiter Gesamtprojekt)
Thema: Aufbau Produktionswerk in Osteuropa, Produktionsverlagerung nach Osteuropa, Aufbau ERP-Struktur SAP), Stakeholder Management, JIS-Produktion, Supply Chain
Umsatz: geplant am neuen Standort: ca. 45 Mio Euro
Mitarbeiter: geplant am neuen Standort 130 Mitarbeitern
Ausgangslage und Aufgabenstellung:
Im Frühjahr 2021 ist ein großer deutscher Automobil-Zulieferer von technisch anspruchsvollen Interieur Systemen beauftragt, eine weitere Produktionsstätte in einem osteuropäischen EU-Land aufzubauen. Dessen Kunde – ein OEM – plant dort seine neue Fahrzeugproduktion aufzuziehen und wünscht eine lokale Produktion des Zulieferers.
Für eine bestimmte Fahrzeugreihe – diese ist in ihrem Segment europäischer Marktführer – soll der Zulieferer die Interieur Systeme in unmittelbarer Nähe des Kunden montieren und sequenzgenau in die Fahrzeugmontage des OEM liefern. Laufzeit und Umfang des Projekts sind erst Anfang 2021 vom OEM final definiert worden. Erste Projektstudien des Zulieferers, die auf Erfahrungswerten basieren, sind nicht mehr übertragbar, da die kundenseitig festgelegten Anforderungen den Schwierigkeitsgrad des Projekts deutlich erhöht haben.
Angesichts der zu erwartenden Komplexität des Projekts sowie dem engen Zeitrahmen zur Fertigstellung wird beschlossen, einen Interim Manager (IM) zu suchen mit nachgewiesener Erfahrung in genau solchen Projekten.
Die Herausforderungen des Projekts:
- Im Zielland muss eine neue Gesellschaft nach den landesspezifischen Vorgaben gegründet werden. Dies ist Voraussetzung für den Erwerb eines geeigneten Grundstücks verbunden mit der unmittelbar beginnenden Planung und Ausschreibung des Bauprojekts für das neue Werk des Zulieferers.
- Im Zuge der Risikobewertung wird deutlich, dass die Fertigung samt Organisation nicht nur für den finalen Zielort zu planen ist, sondern parallel dazu auch die temporäre Zwischenfertigung in einem „Brownfield" (= angemietete Produktions- und Logistikfläche vor Ort).
- Der Aufbau eines vollständigen ERP-Systems ist elementar für den neuen Standort sowie für dessen enge EDI-Anbindung an den Kunden (OEM). Weil just-in-sequence-Verzahnung zwischen Produktion beim Zulieferer und der Kundenmontage gefordert ist, müssen interne Prozesse wie auch das EDI-Onboarding mit dem Kunden im Detail entwickelt, geprüft und validiert werden.
- Beim Zulieferer gilt es, eine ausländische Tochter, die wesentliche Montageteile des Systems herstellt und liefert, mit ihrer Projektorganisation in das Generalprojekt einzubinden.
- Last but not least: aufgrund des Umfangs und wegen nachträglicher Forderungen des Kunden steht das Projekt von Beginn an unter einem enormen Zeit- und Erfolgsdruck!
Vorgehen und Projektverlauf:
Der IM beginnt damit, die vorliegenden Basisdaten zu sichten, aus seiner Sicht fehlende Themen zu ergänzen und auffällige Punkte hervorzuheben. Gespräche mit den Mitgliedern der Teams im In- und Ausland gehören zu den ersten Tätigkeiten. Auf diese Weise entsteht ein vollständiges Bild der Anforderungen und der Situation jedes Teams. Schnell wird klar, welche Teams gut aufgestellt sind und wo klare Aufgabenbeschreibungen vorliegen. Gleichzeitig erkennt der IM auch Ressourcenbedarf bei einigen Teams. Er sorgt hier für Verbesserungen und schärft die Aufgabeninhalte nach.
Die Kommunikation im Projekt läuft vollständig über Videokonferenzen. Projektsprache ist Englisch.
Als herausfordernd und anspruchsvoll erweist sich die Kommunikation mit den Ansprechpartnern beim OEM, die auf mehrere Landesorganisationen verteilt sind. Das Stakeholdermanagement muss aufgebaut und gepflegt werden. Neben dem Erkennen und Erfüllen des hohen Informations- und Kommunikationsbedarfs erfordert es vom IM Durchhaltevermögen, Geduld und das In-Beziehung-Setzen von Gesprächspartnern.
Dem IM gelingt es, mit den Bereichen IT und Lieferantenqualität / Engineering eine wöchentliche Regelkommunikation aufzubauen. Es stellt sich bald heraus, dass über diese beiden Bereiche zentrale Informations-, Steuerungs- und Freigabeprozesse ablaufen und auch dort entschieden werden.
Der IM legt stets Wert auf umfassende, zeitnahe und wahrheitsgetreue Kommunikation und Information. Alle Stakeholder werden wöchentlich mit einem Managementreport sowie einer kurzen Zusammenfassung informiert. Diese Form der direkten und transparenten Kommunikation erweist sich während des gesamten Projekts als förderlich und auch zunehmend vertrauensbildend.
Mitte 2021 fordert der Kunde eine vorgezogene Produktionsreife für den neuen Standort um mindestens vier Wochen.
Damit einher geht die Aktivierung des „Plans B", also die zeitweilige Produktion in angemieteten Hallen bei einem logistischen Dienstleister. In einem gemeinsamen 2-Tage-Workshop vor Ort mit Service Providern und Teilen des Projektteams werden das Produktionslayout im Detail geplant, im CAD abgebildet und die Kosten ermittelt.
Der von Beginn an „gepushte" Zeitplan für die Montagelinien erweist sich nun als Vorteil: der gute Baufortschritt der Anlagen macht die geforderte Terminverkürzung möglich. Der erste Aufbau und die Inbetriebnahme der beiden Montagelinien erfolgen im deutschen Stammwerk.
Eine Herausforderung ist die Personalseite: Ziel ist es, direktes Personal sowie die Instandhaltung im Zielland zu gewinnen, in Deutschland auszubilden, zu qualifizieren und eine Kernmannschaft aufzubauen, die später weitere Mitarbeiter einarbeitet. Gemeinsam mit dem Bereich HR in Deutschland und einer HR Business Partnerin im Zielland gelingt es binnen kürzester Zeit, dort neue Mitarbeiter anzuwerben und sie über mehrere Wochen in Deutschland zu qualifizieren. Die Produktvarianten werden probeweise montiert und es gelingt dem Team eine erfolgreiche Vor-Abnahme der Prozesse durch die Lieferantenqualität des Kunden. Damit ist der Weg frei für die Verlagerung der Produktionsmittel zum Service Provider im „Brownfield" Ende 2021.
Ende 2021 führt die abermalige Forderung nach vorgezogener Produktionsreife um drei Wochen zur nächsten Plananpassung. Aufgrund der noch beschränkten Materialverfügbarkeiten vereinbart der IM mit dem Kunden, dass nur bestimmte Teilenummern abgerufen werden. Alle übrigen Termine für die Produkt- und Prozessfreigaben sind vorausschauend bereits auf eine frühere Fertigungsbereitschaft geplant.
Die Montageanlagen sind ab Anfang 2022 produktionsbereit. Der Kunde erteilt nach Erfüllung der letzten APQP-Auflagen im März die endgültige Produktions- und Lieferfreigabe. SOP und Ramp up verlaufen dann einen Monat später ohne Störungen.
Schlüsselerkenntnisse und Erfolgsfaktoren des Projekts
- die Chemie zwischen Mandanten und IM muss stimmen
- die Aufgabenstellung muss in der Tiefe verstanden werden
- Klarheit in Sprache, Schrift und im eigenen Verhalten
- Flexibilität im Denken und Handeln erlauben die Anpassung an „Moving Targets"
- hohe Ziel- und Ergebnisfokussierung
- zeitnahe Einbindung des Top Managements
Dr. Rüdiger Kleinevoß
Mooseweg 4
84088 Neufahrn
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+49 172 139 15 71
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