UNITEDINTERIM Blog

Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Aggregatebau: Operational Restructuring als Technischer Leiter

Branche: Automobilzulieferer / Haushaltsgeräte / Baubranche

Linienfunktion: Technischer Leiter/Werksleiter

Themen: Change Management, Restrukturierung, Lean, Hoshin Kanri, 5S, Shopfloor, KVP

Umsatz: ca. 100 Mio. Euro (Standort) - 2.000 Mio. Euro (Konzern)

Mitarbeiter: ca. 400

Ausgangsituation: (1) Produktion im Hochlohnland Deutschland; (2) hoher Krankenstand und schlecht motivierte Mitarbeiter; (3) keine Führung vor Ort, keine Effizienzsteigerung und keine Anpassung der Vorgabezeiten und steigende Gemeinkostenlohnstunden; (4) Einführung Lean-Management nicht sichtbar und nicht wirksam, fehlende Grundordnung, intransparentes Betriebsgeschehen, wenig und dann nicht aktuelle Visualisierung; (5) schlechte Qualität, hohe Kosten für Gewährleistung. Schrott und Nacharbeit; (6) Budget wurde nicht erreicht, Fabrikostenabweichung ca. -1,5% und negative Entwicklung des Betriebsergebnisses trotz guter Auftragslage als unangefochtener Marktführerschaft und soliden Wachstums der Branche. (7) Die Kultur der Organisation war sehr geprägt durch eine funktionale Denkweise in Zuständigkeitsbereichen. Jeder Bereich war bemüht seine Aufgaben und Vorgaben zu erfüllen. Alle Themen außerhalb oder mit unklarer Zuständigkeit wurde abgelehnt, Schuldzuweisungen oder Hinweise auf knappe Personalressourcen waren an der Tagesordnung. Eine „geh die extra-Meile"-Mentalität war schwach ausgeprägt.

Aufgabe:

(1) Stabilisierung des Werkes

(2) Erfüllung der Budgetvorgaben

(3) Messbare Effizienzsteigerungen durch Steigerung der Stückproduktivität (Min/Stück)

(4) Einführung/ Stabilisierung Lean Management, Visualisierung /5S, Shopfloor Management, KVP

Lösung:

  1. Layered Process Audit (LPA)
    Innerhalb weniger Wochen bzw. Monate hat das Werk einen guten 5S-Stand erreicht. Ich habe den Standort in Zuständigkeitsbereiche („5S-Zonen") aufteilen lassen. Für jeden Bereich wurde ein koordinierender Verantwortlicher aus dem Bereich ernannt. Entsprechend der 5 Stufen von 5S wurde nun ein Ebenen-Audit (LPA) durchgeführt, in welchem in einfachen Worten die Anforderungen an den Bereich beschrieben sind und von den Mitarbeitern täglich bearbeitet wurde. Wenn die Gruppe für ihren Bereich alle Punkte abgearbeitet hat, um die jeweilige Auditstufe zu bestehen, wurde ein Termin mit mir als Werkleiter vereinbart. Ich habe jeden Tag einen Audit durchgeführt, um eine 5S-Zone auf das nächste Level zu befördern. In der nächsten Stufe gibt es dann einen neuen Fragebogen mit weiterführenden Anforderungen. Die 5S-Auditierung beinhaltet neben den klassischen Lean Themen, wie Ordnung, Sauberkeit und Visuellem Management weitere betriebliche Themen wie Sicherheit, Umweltschutz, Energieeffizienz, Datenschutz, Corporate Social Responsibility.

  2. Strategy Deployment (Hoshin Kanri)
    Eine Schwäche bei vielen Unternehmen ist das unzureichende Herunterbrechen der strategischen Ziele & Vorgaben des Unternehmens / Konzerns auf operative Ziele für das Werk bis in die einzelnen operativen Zuständigkeitsbereiche. Gleich zu Beginn habe ich hier eine standardisierte Vorgehensweise eingeführt mit dem Ergebnis, dass jeder Manager seine Ziele in Form einer Scorecard mit monatlichem Review erhalten hat. Die Ziele entsprechen der SQDCC-Logik (Sicherheit, Qualität, Lieferung, Kosten und Bestände) sowie persönliche Ziele, die zum Erreichen der Werks- und Unternehmensziele beitragen. Diese Zielauflösung habe ich im Rahmen des jährlichen Management- & Business Reviews zum Geschäftsjahresende nach erfolgter Budgetierung durchgeführt.

  3. Shopfloor Management Kaskade
    Gleich zu Beginn habe ich ein durchgängiges Shopfloor Management (SFM) in 3 Ebenen am Standort eingeführt und geleitet: 1. Ebene Line / Cell, 2. Ebene Wertstrom / Prozess und 3. Ebene Tägliche Werksbesprechung in der Kantine. Ergänzt wurde das SFM auf der operativen Ebene durch Hourly Count und Loss Tracking am Arbeitsplatz sowie eine standardisierte Schichtübergabe an Line / Cell / Arbeitsplatz. Im Rahmen der Shopfloor Kaskade hat auch jeder indirekte Bereich/Prozess, wie Entwicklung, Einkauf, SCM, Instandhaltung, HR ebenfalls ein standardisiertes Meeting abgehalten. Die Meetings orientieren sich an Zielvorgaben aus dem Strategy Deployment (SQDCC). Die vereinbarten Maßnahmen werden nicht in Form von unendlich langen und intransparenten Aktionsplänen dokumentiert. Es kommen agile Verantwortlichkeitstafeln, ähnlich einem Sprintboard, zum Einsatz. Dies macht die Problemlösung transparent und erlaubt schnell die Ableitung von Unterstützungs- und Korrekturmaßnahmen

  4. Prozessvision und Umsetzungs-Roadmap
    Durch Wertstromanalyse – und -design wurde im Führungskreis der Manager eine Prozessvision entwickelt, die in jährlich zu erreichende Zielzustände aufgeteilt wird. Der Weg vom Ausgangszustand zur Prozessvision beschreibt die Umsetzungs-Roadmap, die jährlich überprüft und angepasst wird. Prozessvision und Roadmap sind den Mitarbeitern bekannt und diese sind an der Entwicklung und Umsetzung auf freiwilliger Basis beteiligt. Die Erarbeitung der Prozessvision und jährliche Umsetzungs-Roadmap hat im Rahmen des jährlichen Management- & Business Reviews zum Geschäftsjahresende nach erfolgter Budgetierung stattgefunden.

  5. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess & Verbesserungsprojekte
    Der Verbesserungsprozess unterteilte sich im Wesentlichen in drei Themen, die von mir aktiv eingefordert wurden:

    (1) Lean Basics: Standardisierte Arbeit, kontinuierlicher Ein-Stück-Fluss und Pull-Materialsteuerung führten zu umgestalteten Arbeitssystemen. Die Aktualisierung der Arbeitspläne führte zu deutlich reduzierten Vorgabezeiten und somit zu Produktivitätssteigerungen

    (2) Systematische Problemlösung: die schnelle Antwort auf Qualitätsprobleme (48/5): Jeden Tag wurde nach der Shopfloor-Runde an den Qualitäts- und Prozessthemen des Vortages gearbeitet um deren Wiederauftreten zu verhindern (48/5 =Start innerhalb 48 Stunden und Abschluss innerhalb von 5 Arbeitstagen)

    (3) Kaizen Kalender: Arbeitspakete aus der Umsetzung-Roadmap wurden in Form von Verbesserungsworkshops mit Experten und direkten Mitarbeitern abgearbeitet. Diese Workshops wurden mittels eines Kaizen Kalenders eingeplant, vorbereitet und durchgeführt. Größere Projekte werden in der Zeit der Betriebsruhe in den Sommerferien umgesetzt, ansonsten beträgt die Umsetzung maximal 6 Wochen

  6. Transformationsplan & Ergebniscontrolling
    Die Einsparungen aus Budgetvorgaben und die Ergebnisse der Verbesserungsaktivitäten wurden in einem zentralen Transformationsplan zusammengeführt. Es wird hierbei unterschieden Kosten- und Cashflow-Effekte in unterschiedlichen Härtegraden. Die Ergebnisse aus der Transformationsplanung waren Bestandteil der monatliche Business-Reviews mit dem Executive Management

  7. Weiterentwicklung Wertstromorganisation
    Die neue Organisation bestand im Wesentlichen aus operativen Wertströmen und strategischen Supportfunktionen. Ich habe diese im Wesentlichen verändert durch die Stärkung der operativen Verantwortung in den Bereichen vor Ort. Die Fertigungsbereiche wurden in produktorientierten Wertströmen neu-organisiert und haben dann direkt an mich, den Werkleiter berichtet. Die Funktion des zentralen Produktionsleiters entfiel. Die Wertstromleiter waren somit Teil des Führungskreises und von den Verantwortlichkeiten und Berechtigungen deutlich besser motiviert, was zu einer raschen Effizienzsteigerung in den Wertströmen gesorgt hat.

  8. Personalentwicklung, Talent- & Nachfolgeplanung
    Der jährliche Personalentwicklungsprozess ist von übergeordneter Bedeutung. Neue Jobprofile wurden erstellt und entsprachen der Aufgabe. Die Qualifikation des Personals wurde durch Qualifikationsmatrizen aktuell und transparent. Qualifizierungs- und Schulungsbedarfe wurden in individuelle Entwicklungspläne umgewandelt und on-the-Job bzw. mit externer Unterstützung abgearbeitet. Die Talent- und Nachfolgeplanung beschreibt die Besetzung und den Entwicklungsbedarf der Schlüsselpositionen in der Organisation. Es hat sich hier herausgestellt dass mehr als 80% der Vakanzen in den Schlüsselpositionen perspektivisch durch interne Mitarbeiter abgedeckt werden konnten

  9. Kommunikation der Veränderung
    Mitarbeiter, die mehr wissen, leisten auch mehr: Visualisierung, die Shopfloor-Kaskade und wöchentliche Teamgespräche waren das Rückgrat der betrieblichen Kommunikation. Darüber hinaus habe ich zusammen mit meinen Kollegen vom Vertrieb und Finance monatliche Townhall-Meetings installiert, um alle Mitarbeiter direkt über Strategien, Geschäftsentwicklung, Neuigkeiten, Projekte, Ergebnisse aus erster Hand zu informieren. Townhall-Meetings geben darüber hinaus auch die Möglichkeit der Leitung Fragen zu stellen und Feedback zu geben.

  10. Lean Excellence Culture
    Langfristiger Erfolg einer Unternehmung beginnt in den Köpfen der Mitarbeiter an. Das Denken beeinflusst das Handeln. Deshalb sind die Merkmale einer Excellence-Kultur erfolgskritisch. Dieser Prozess dauert mit Abstand länger als alle anderen Maßnahmen. Deshalb ist es hier wichtig, dass es wirklich eine langfristige Strategie dafür gibt.

    Gemeinsame Werte
    Im Führungskreis haben wir uns über die Einführung und Vereinbarung gemeinsamer Unternehmenswerte / Leitprinzipien geinigt. Diese sind die Basis die Etablierung der Lean Excellence Kultur.

    - Positive Energie, Wir gehen es an!
    - Respekt anderen gegenüber, Führe mit Demut, aber führe!
    - Null-Fehler: Suche nach Perfektion, die Probleme sind unsere Schätze!
    - Wir schaffen Wert für den Kunden!
    - Es darf keine keine Gefahr durch unser Handeln entstehen!
    - Wir sind verantwortlich für Performance!

    Vorbildfunktion der Führungskräfte
    Mein Anspruch und die Aufgabe der Führungskräfte ist neben der Kommunikation und Erklärung dieser Prinzipien ist auch ihr Vorleben

    Talk the Walk und walk the Talk
    Neben der offenen Kommunikation zwischen Führung und Mitarbeitern ist Verbindlichkeit und konsequente, zügige Umsetzung erfolgskritisch für die Einführung einer Excellence-Kultur. Ich bin jeden Tag am Shopfloor und versuche die reale Situation im Betrieb zu verstehen

    Kontinuierliche Verbesserung
    Nach einer erfolgreichen Umsetzung wertschätzen wir das Geleistete und feiern den Erfolg. Im Anschluss setzen wir uns dann neue herausfordernde Ziele, denn der aktuelle Stand ist der schlechteste. Es gibt nichts, was sich nicht noch verbessern ließe.

    Denken in Prozessen und Digital first
    Erst der gute Prozess liefert das wirklich gute Ergebnis. Neue Technologien, digitale Systeme sind darauf ausgerichtet. Wichtig hierbei ist, dass eine Integration auf allen Ebenen und Bereichen stattfindet

Ergebnis:

  • Verbesserung des Werksergebnisses von -1,5% auf 0,5% zum Budget (positive Fabrikkostenabweichung)
  • Verbesserung der Stückproduktivität von 2,2 h / Gerät auf 1,8 h Gerät (-~20% in 2 Jahren)
  • Ganzheitlicher Sales-Inventory-Operations-Planning (SIOP) mit einer Produktionsplanerfüllung von >95% und einer Kundenliefertreue OTD >99,5%
  • Reduzierung WIP-Bestände um >50% durch Einführung einer pull-gesteuerten Nachschubsteuerung bis zum Point-of-Use (Verbauort) mit PFEP und einer getaktetem Routenzugversorgung
  • Reduzierung der Bestandabweichungen u.a. durch permanente Inventur um >80%,
    Vermiedener Aufwand durch Verzicht auf Lagererweiterung bzw. externe Lagerung von Kaufteilen

Stefan Gitter
PROFIL BEI UNITEDINTERIM

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Rolle des Aufsichtsrates bei der strategischen Unt...
Führung in unsichereren Zeiten
 

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Samstag, 21. Dezember 2024

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