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Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Rolle des Aufsichtsrates bei der strategischen Unternehmensausrichtung

Wie beantworten Sie, lieber Aufsichtsrat/Vorstand Ihre Rolle bei der strategischen Unternehmensausrichtung? Steigen Sie in die Diskussion IHRER Disruption – Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Covid, „ein neuer Kondratieff-Zyklus" – ein?

(1) Zukunftssicherung: Wie gelingt die unternehmerische Zukunftssicherung und deren Überwachung? Nicht durch die operative Führung und die dem Aufsichtsrat zugeschriebene Überwachung hinsichtlich Gesetz und Kodex! Langatmigen Aufsichtsrat-Sitzungen, in denen häufig mit Abweichungsanalyse von YTD Ist vs. Vorjahr/Budget versucht wird, Transparenz über die Geschäftslage zu erzielen, helfen höchstens bei der Erkennung kurzfristiger Fehlentwicklungen!

(2) Strategieformulierung: Worin besteht der zu bearbeitende strategische Handlungsspielraum? Gibt es einen strategischen Interessenausgleich zwischen den relevanten Stakeholdern? Herrscht Einigkeit hinsichtlich der verfolgten Werte neben den finanziellen, die in der Berichterstattung zu finden sind? Wie finden die nicht finanziellen Zielbeiträge in die gemeinsame Sprache, Kultur, Denkmodelle und transformative strategische Führung Eingang?

(3) Strategieumsetzung: Welcher grundlegende Beratungs- und Abstimmungsbedarf zur strategischen Unternehmenswertgenerierung wird von Vorstand und Aufsichtsrat wie thematisiert? Welche strategischen Meilensteine muss auch der Aufsichtsrat regelmäßig und wie im Fokus haben? Gibt es für die Formulierung und Umsetzung der Strategie eine klare Agenda, Strukturen, Prozesse und Tools? Wie werden Konflikte zwischen kurz- und langfristigen Projekten transparent angegangen?

1. Strategie als wachsender Schwerpunkt des Aufsichtsrates

Bislang hat sich der Mittelstand während und nach der Covid-Pandemie wegen gelungenem Krisenmanagement gut geschlagen, gleichwohl verzeichnet mehr als die Hälfte des deutschen Mittelstandes Umsatzrückgänge und erwartet Risiken für die zukünftige Entwicklung.

Grundsätzlich herrscht Einigkeit in der deutschen Governance-Diskussion, dass hinsichtlich Führung und Überwachung eine klare Trennung der Aufgaben zwischen Vorstand und Aufsichtsrat besteht. Die operative Führung ist nicht Aufgabe des Aufsichtsrates, sondern der Unternehmens-Führung. Ihr Formalziel ist die Sicherstellung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens gem. Vermögens-, Finanz- und Ertragsentwicklung und ihrer strategischen Ausrichtung.

Der sich jedoch zusätzlich zu Covid in den letzten Jahren vollziehende, tiefgreifende Wandel für Unternehmen – Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel – verlangt eine situativere Aufmerksamkeit des Aufsichtsrats und seine stetigere Abstimmung der angestrebten zukünftigen Entwicklung, der strategischen Ausrichtung zur langfristigen Unternehmenssicherung.

2. Aufsichtsrat als Anstupser strategischer Analysen

Am Anfang der Strategieformulierung steht die Bestandsaufnahme, in der analysiert wird, wie sich das Unternehmen am Markt durchsetzen kann und wird. Vom relevanten Absatz- und Beschaffungsmarkt, den Kunden, den Wettbewerbern aber auch den Lieferanten – aktuellen/potenziellen – muss gedacht werden. Neben externen Markt-, Technologie- und Umfeldanalysen (z.B. zu erwartenden Veränderungen politischer Rahmenbedingungen) gehört hierzu eine systematische längerfristige Szenarioanalyse der erwarteten Vermögens-, Finanz- und Ertragsentwicklung. Nur wenn anhand dieser Analysen klar ist, wo die Stärken und Schwächen gegenüber Wettbewerb, Kunden und Technologie liegen (interne Sicht) aber auch, welche Chancen oder Risiken (externe Sicht) sich für das Unternehmen daraus entwickeln, wird der strategische Handlungsspielraum transparent.

Die sich daraus ergebenden Optionen und der Umgang mit ihnen muss regelmäßig zwischen Geschäftsführung und Aufsicht offen diskutiert werden. Die Initiativpflicht liegt bei der Geschäftsführung, die Anregungen solcher Analysen und Diskussionen und die Schaffung einer Governance-Kultur, die die strategische Transparenz zur langfristigen Unternehmensentwicklung fördert, obliegt jedoch auch dem Aufsichtsrat.

Die Digitalisierung einerseits und der Klimawandel andererseits offenbaren schon seit längerem für vielfältigste Branchenbeispiele – Automobil-, Heizungs-, Lebensmittelindustrie –, wohin technische wie auch politische Rahmenbedingungen ganze Branchen führen. Solche Branchentransformationen dürfen Unternehmensorgane nicht einfach aussitzen, sondern müssen proaktiv begleitet werden. Die Digitalisierung muss deutlich über die Vernetzung betriebsinterner Funktionen hinausgehen. Erst wenn mit der Digitalisierung ein deutlicher Kundennutzen verbunden werden kann, können auch strategisch im Wettbewerb zu verteidigende Erfolgspotentiale aufgebaut werden. Auf einem solchen Wege ist z.B. die Heizungsindustrie, die sich mittels Plattformentwicklungen vom Maschinenbauer zum Dienstleister für Wärme und Klima entwickeln will. Diesen Weg muss der Aufsichtsrat aktiv begleiten.

Fehlt der strategische Interessenausgleich und in der Konsequenz eine abgestimmte Strategie, wird das seitens des Instituts der Wirtschaftsprüfer immer wieder auch als die erste Krisenursache von fünf Krisenstadien benannt. In einem solchen Krisenstadium fehlt ein einheitliches Verständnis insbesondere der Shareholder und Organe des Unternehmens darüber, z.B. wo steht das Unternehmen mit seinen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken?, in welche Märkte soll/kann investiert werden?, welche Herausforderungen sind damit verbunden? und welche Ziele/Entnahmegrundsätze sind zu verfolgen (Stakeholder-Krise)? Führt eine solche Krise zu nachhaltigen Finanzierungsproblemen, können Banken sich aufgrund einer solchen Krisensituation, die in einem Sanierungsgutachten festgestellt werden, aus der Finanzierung zurückziehen. In einer solchen Stakeholder-Krise kommt dem Aufsichtsrat ein hohes Maß an Initiativ- aber vor allem Vermittler- und Schlichterfunktionen zu, um eine, von einer abgestimmten Strategie ausgehende, verbesserte Unternehmensorientierung anzustoßen.

Eng mit der strategischen Analyse verbunden sind zentrale Werte eines Unternehmens, die es in seiner Vision und Mission lebt. Deren ausdrückliche Formulierung, auch als Selbstverständnis bezeichnet, wird seitens der Governance für Familienunternehmen (GKF) ausdrücklich empfohlen. Wenn nun Werte eines Unternehmens auf dem Prüfstand stehen und Führung und Aufsicht diesen Wandel in Verbindung mit der strategischen Ausrichtung diskutieren, kann dies die Orientierung und strategische Prioritäten des Unternehmens völlig verändern. In dieser Hinsicht interessant ist der Wandel der Automobilindustrie zur nachhaltigeren Mobilität. Eine solche Wertediskussion entlang der Strategie und der damit nachhaltig zu gestaltenden Wertschöpfung eines Unternehmens hat den Vorteil, dass dabei einer Verantwortungsethik gefolgt wird, einer Analyse der Folgen der strategischen Ausrichtung gemäß sich ändernder Werte des Unternehmens, die auch verdeutlicht, welche Ziele im Unternehmen sich aufgrund des Wertewandels möglicherweise ändern sollten oder werden.

Damit strategische Ziele auch systematisch verfolgt werden, sollte die Art und Weise, wie in einem Unternehmen die Zielbeiträge/Ergebnisse ermittelt und honoriert, klar definiert werden. Mit Fortschreiten der Digitalisierung und Nachhaltigkeitsdiskussion werden neben finanziellen Zielsetzungen, die auch die Ergebnisverwendung prägen, auch nicht-finanzielle Zielsetzungen Eingang in die Diskussion finden. Das definierte System von Zielen prägt üblicherweise somit, wie in Unternehmen analysiert, geplant, kommuniziert und diskutiert wird und somit das Ausmaß an möglicher (Rechnungslegung-)Transparenz. Weitere Systeme aus Controlling, Marktforschung und anderen nicht-finanziellen KPIs ergänzen Sprache, Kultur, Denkmodelle und Führung eines Unternehmens, und damit auch die Analyse und Entwicklung der Abstimmung der strategischen Ausrichtung zwischen Führung und Aufsichtsrat.

3. Strategieformulierung: Entscheidungen von grundlegender Bedeutung

Auf der Grundlage der strategischen Analysen erfolgt die Entwicklung einer Strategie mit einer konsequenten Kundenorientierung, ausgerichtet an der Unternehmensvision und unter Beachtung der Rahmenbedingungen der Unternehmensmission. Aktuell prägen in vielen Branchen drei nicht isoliert auftretende Herausforderungen die Strategieentwicklung: Covid, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Welcher grundlegender Beratungs- und Abstimmungsbedarf zur Unternehmenswertgenerierung für Vorstand und Aufsichtsrat auftreten, kann hier nur an zwei Beispielen skizziert werden.

Die Modebranche stand schon vor Covid unter einem erheblichen Modernisierungsdruck (z. B. durch Digitalisierung und Versandhandelsspezialisten). Durch den schlagartigen Stopp des stationären Einzelhandels wurde operativ ein radikales Working-Capital- und Kostenmanagement zwingend, parallel müssen aber eher längerfristige Online-/Multichannel-Strategien forciert werden. Ein bemerkenswerter Auftritt gelingt in dieser Hinsicht einem mittelständischen österreichischen Unternehmen, das sich aus einem sehr lokal agierenden Unternehmen zu einer aktiven Multichannel-Strategie über die DACH-Region hinaus, mit deutlichen Akzenten der Sortimentsausweitung entschieden hat: Während Mützen und Hüttenschuhe in der Vergangenheit im Mittelpunkt standen, wird derzeit ein umfangreiches Jacken- und Merinowollschuhsortiment mit nachhaltigen Positionierungsmerkmalen aktiv über Social Media und das Internet sehr erfolgreich vermarket: Eine strategische Transformation, die einen intensiven Abstimmungsbedarf zwischen den Organen wegen der Festlegung neuer Prioritäten und Ziele zur Folge hat.

Seit Jahren schon stehen die Tageszeitungen vor drastischen Herausforderungen, die mit den globalen Top 4 Internetunternehmen zusammenhängen. Nicht nur Einnahmen aus den Geschäftsfeldern Nachrichten und Information erodieren, sondern vor allem auch aus der Werbung. Unterschiedlichste strategische Entwicklungspfade werden von den Zeitungs-/Zeitschriftenverlagen beschritten. Neue digitale Geschäftsfelder wie Social Media oder Suchplattformen für Immobiliensuche erweisen sich für deutsche Unternehmen als aktuell schwierig zu meisternde Herausforderungen. Im klassischen Feld der Tageszeitungen sind die Unternehmen unzufrieden mit dem Erfolg Ihrer Geschäftsmodelle: Einerseits verlangt der Kunde hohe Investitionen in On­line-Services wie Zeitungs-Apps, andererseits wird der kostenpflichtig lesbare Inhalt der Zeitungen, gemessen an der Seitenzahl einer Tageszeitung immer dünner. Nur wenige Zeitungen können mit Online-Vertriebskanälen ein Massenpublikum ansprechen wie z.B. Sport-Bild oder mit hochwertig und anspruchsvoll gestalteten Produkten wie der FAZ/FAS, NYTimes Lesergruppen erfolgreich mit einem Multichannel-Ansatz adressieren. Um sich für diesen radikalen Wettbewerb mit globalen digitalen Playern und der Entwicklung neuer Geschäftsfelder für die Kundengunst finanziell zu wappnen, hat Springer einen der größten globalen Finanzinvestoren, KKR, als Mitgesellschafter gewonnen. Offensichtlich gelangten Vorstand und Aufsichtsrat zu der Auffassung, dass trotz der durchaus guten Positionierung der Axel Springer SE auf mittlere Sicht die unternehmerische Mit­wirkung eines global agierenden Finanzinvestors für eine strategische Ausrichtung erfolgversprechender ist als eine Weiterführung mit dem bisherigen, auch privaten Gesellschafterkreis.

Die Beispiele reißen an, wie grundlegend die Transformation der jeweiligen Unter­nehmen von außen nach innen zu erfolgen hat: Vom Kunden bis zu allen internen Enablern, den strategieunterstützenden Prozessen, den in ihnen wirkenden Mitarbeitern, Partnern, den eingesetzten Ressourcen und der Finanzierung muss die strategische Neuausrichtung erfolgen.

Nach der Entwicklung strategischer Optionen durch den Vorstand für neue strategische Ausrichtungen muss entschieden werden, welche Option als Strategie zu verfolgen ist. Dieser Entscheidungsprozess, der für das Unternehmen von grundlegender Bedeutung ist und somit Gegenstand der Abstimmung mit dem Aufsichtsrat ist, sollte die Optionen zumindest anhand ihrer Beiträge zur Vision und Mission des Unternehmens bewertet und in einem Business Case sollten die zentralen Prämissen/Maßnahmenbündel sowie die Entwicklung der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Kapitalflussrechnung im Zeitverlauf des strategischen Horizontes abgebildet werden.

Der Plausibilisierung eines Business-Cases zur Verabschiedung der Strategie kommt mindestens in zweierlei Hinsicht auch für den Aufsichtsrat ein bedeutender Stellenwert zu:

(1) Reichen z.B. die Umsatz- und Ergebnisentwicklung, um mittelfristige Investitionen intern sowie extern zu finanzieren und passen die Entnahmeziele, die insbesondere im Mittelstand von Bedeutung sind, dazu. 

(2) Für die externe Finanzierung steht das Unternehmen zusätzlich vor der Heraus­forderung, gegenüber den Finanziers, egal ob Banken, Börse, Finanzinvestoren oder andere, seine Strategie plausibel zu erläutern hinsichtlich strategischer Annahmen sowie Risiken und Chancen, aber auch hinsichtlich zu erwartender Zahlungsströme.

Ist eine Strategie zwischen Führung und Aufsicht in einem derartigen Abstimmungs- und Entscheidungsprozess verabschiedet, wird somit auch ein grundsätzlich beidseitiges ähnliches Verständnis zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens erzielt.

4. Konflikte zwischen verabschiedeter Strategie und verfolgtem Budget

Die Umsetzung der Strategie verlangt, ausgehend vom Rahmen einer strategischen Planung, die idealerweise in einem Business-Case niedergelegt ist, eine konkretere Umsetzungsplanung. Darin wird z.B. die Strategie für das erste Umsetzungsjahr mit den jeweiligen Bündeln an Maßnahmen (Programme, Projekte) und ihren Zielen konkret mit den Verantwortlichen und Ressourcen für die erwartete Situation ausgearbeitet und in einem Budget formuliert.

Dieses so erarbeitete operative Budget verlangt zwischen Führung wie auch der Aufsicht erneut einen intensiven Abstimmungsprozess. Letztlich muss für die strategischen Programme/Projekte wie den Bau einer Fertigung, die Erschließung eines Exportmarktes, die Einführung von Software oder andere strategisch wichtige Maßnahmen die Allokation und Organisation von Ressourcen und Personen in Abhängigkeit der geplanten Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und des Cashflow-Statements entschieden werden.

Vor allem wenn dieses Budget nicht im vollen Umfang der Umsetzung der verabschiedeten Strategie dient, ist die Aufsicht als Challenger gefordert. Nimmt man die Strategie ernst, sollte intensiv darum gerungen werden, welche Maßnahmen zusätzlich ergriffen werden müssen z.B. ergänzendes Kostenmanagement, veränderte Personalpolitik oder anderes Timing, um ein robusteres Budget zu erzielen, dass der Umsetzung der Strategie Rechnung trägt. Die Stimmigkeit der Umsetzungsplanung mit Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen und der Strategie prägt maßgeblich die Glaubwürdigkeit, mit der Führung wie auch Aufsicht wahrgenommen werden und damit Vertrauen, Verbindlichkeit und Orientierung in Budget und Strategie.

Die Umsetzung der Strategie ist auch Gegenstand der Überwachung durch den Aufsichtsrat. Um dieses Ergebnis unterjährig aus Sicht der Aufsicht nachvollziehen und beurteilen zu können, muss die Berichterstattung folglich neben der operativen Budgeterreichung auch abbilden, auf welchem Weg der strategischen Ausrichtung sich das Management befindet und ob diese Richtung sowohl der verabschiedeten Strategie als auch der Wettbewerbs- und Umweltsituation Rechnung trägt.

Für diese Berichterstattung wird die strategische Ausrichtung üblicherweise mittels strategischer Programme, die vielfältige Projekte über Verantwortungsbereiche verdichten, abgebildet. Aufgrund ihrer Mehrjährigkeit umfasst die Überwachung der Führung durch die Aufsicht dann folgende Ebenen:

(1) Die unterjährigen Beiträge zur strategischen Ausrichtung, die sich in Ergebnis-, Opex-, Capex- und/oder nicht finanziellen Zielen niederschlagen,

(2) die über den Budgethorizont hinausgehenden Programme, denen jeweils über Projekte Projektmeilensteine zugeordnet sind wie auch 

(3 )das Chancen-/Risikomanagement, das den neuen strategischen Herausforderungen der Unternehmensumwelt Rechnung trägt.

Hinsichtlich der unterjährigen Inhalte stehen zwar die erwähnten Kennzahlen des operativen Managements im Fokus, jedoch fehlen dabei häufig diese expliziten strategischen Dimensionen der Verantwortlichkeit und ihre Budget- versus Zielerreichung der Programme. Bei negativen Abweichungen werden seitens des Managements auch Maßnahmen ergriffen, die zwar zu einer Budgeterreichung, nicht jedoch zwingend zu einer zielkonformen Erreichung des strategischen Projektes führen. Die nachhaltigen strategischen Ziele rücken dann wegen kurzfristiger Ergebnisziele aus dem Fokus. Solche Umsetzungsabweichungen sollten demzufolge zwischen Führung und Aufsicht diskutiert werden und ein Konsens hinsichtlich des weiteren Vorgehens bei der Strategieumsetzung erarbeitet werden. Liegen beispielsweise Covenants vor, kann es zwingende Gründe für die Betonung der Budgetzielerreichung geben.

Bei den Programmen jenseits des Budgethorizonts geht es vor allem um das Ausmaß der bereits erreichten strategischen Transformation. Die Berichterstattung dazu konzentriert sich auf strategische Programme. Im Mittelpunkt dabei stehen die operationalisierten Meilensteine der Einzelprojekte mit ihren inhaltlich und zeitlich geplanten Zwischenergebnissen. So könnte bei einer Internationalisierungsstrategie das Projekt beispielsweise in Meilensteine wie Unternehmensakquisition im Zielland, Erarbeitung Post-Merger-Programm oder Aufbau einer lokalen Führungscrew strukturiert werden. Die Meilensteine werden dann über Status, Sales-, Opex-, Capex- und Headcount-Kennzahlen in angemessener Granularität zusammengefasst und gegenüber den strategischen Zielen berichtet.

Aufgrund der vielfältigen Veränderungen des komplexen und dynamischen Unternehmensumfeldes muss des Weiteren ein situativ ausgerichtetes, wirksames Risiko- und Chancen- Managementsystem eingerichtet werden. Zur Berichterstattung über die strategische Ausrichtung des Unternehmens sind vor allem die Auswirkungen von Risiken und Chancen für die jeweiligen strategischen Programme/Projekte transparent darin zu verdeutlichen.

Grundsätzlich haben bei Abweichungen zwischen Strategie und Umsetzung Führung und Aufsicht die Verantwortung, sich auch situativ miteinander auszutauschen und ggfs. auch eigenständig Informationen einzuholen, um (Risiko)folgen abzuwenden und Chancen im Sinne des Unternehmenswohls aufzugreifen.

5. Fazit: Überwachung der strategischen Unternehmensausrichtung

Der Prozess der strategischen (Neu)Ausrichtung beginnt nicht immer wieder am Nullpunkt. Häufig ergeben sich lediglich Erfordernisse der Weiterentwicklung der Strategie. Um solche Themen regelmäßig seitens Führung und Aufsicht auf die Tagesordnung zu setzen, ist zu empfehlen, sich in Verbindung mit der Vorbereitung von Budgetplanungen grundlegend über die strategische Ausgangsituation Re­chenschaft abzulegen. Beispielsweise kann das durch die Überarbeitung der strategi­schen Prämissen geschehen, die durchaus auch zwischen den Organen abzustimmen sind.

Bei zentralen strategischen Programmen z.B. beim Eintritt in einen neuen Ländermarkt wird zur konkreten Entscheidungsunterstützung gerne auf Instrumente der Strategieformulierung zurückgegriffen. In einem Business Case kann man den grundsätzlich in der Strategie geplanten Markteintritt für den Zeitpunkt der konkreten Entscheidung überarbeiten. Hierbei könnten z.B. neue Regulationen des Landes Einfluss auf die Planung haben und somit anhand der Erarbeitung und Diskussion eines überarbeiteten Business Cases zwischen den Organen eine Neupositionierung gegenüber der ursprünglich verabschiedeten Strategie erfolgen.

Damit der Mittelstand auch die sich permanent verändernden strategischen Herausforderungen rechtzeitig erkennt und innerhalb eines strategischen Handlungshorizontes seine Unternehmensstrategie konsequent anpassen kann, empfiehlt es sich, die Strategieformulierung und die Strategieumsetzung wiederkehrend mindestens jährlich zu durchlaufen. In einer sehr dynamischen Branche wie der Telekommunikation könnten solche Fragen auch fester Bestandteil einer Vorstandsitzung sein. Entscheidend ist ein anwendbarer Standard, der handhabbar und umsetzbar ist entsprechend transparenter, jedoch auch situativer Regeln.

Nicht nur die Wettbewerbs- und Umweltbedingungen ändern sich, auch z.B. die Werte der Mitarbeiter oder der Standortgemeinden, die Rahmenbedingungen der Gesetzgeber bis zur Europäischen Kommission oder die Einschätzungen der Organe. Der Umgang mit einem solchen Wandel kann nicht nach Terminplan, aber er sollte systematisch wiederkehrend und fokussiert erfolgen, um den knappen Resourcen des mittelständischen Unternehmens Rechenschaft zu tragen und somit für die Zukunft gerüstet zu sein.

Die Initiativ- und Vorbereitungspflicht liegt hierfür bei der Führung, die Überwachung einschließlich des Sensibilisierens (Anstupsen/Nudging) für eine strategischen Ausrichtung ist eine zentrale Aufgabe mit zunehmender Bedeutung für den Aufsichtsrat. Nur wer säht oder pflanzt, kann beizeiten ernten.

Dr. Dieter Brenken

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