UNITEDINTERIM Blog

Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Führung in unsichereren Zeiten

0. GLIEDERUNG

1. Hauptgründe für Unternehmenskrisen
2. Ablauf einer Krise
3. Spätester Zeitpunkt zur Intervention
4. Wer gehört an den Pranger: Manager oder Eigentümer?
5. Schwierigkeiten für rechtzeitige und richtige Gegensteuerung?
6. Liegt es am bisherigen Personal?
7. Muss mehr Flexibilität beim Einsatz externer Führungskräfte bewiesen werden?
8. Interim Management
9. Warum tun sich die Unternehmen bei der Digitalisierung so schwer?
10.Kann eine modernere Corporate Governance Krisen eher vermeiden?
11.Unternehmerische Haltung und Führung in Krisen?

1. Hauptgründe für Unternehmenskrisen

Derzeit, nach dem Covid 19-Lockdown und dem Neuanfang auf unterschied­lichsten Ebenen, der in einigen Ländern schrittweise eine Normalisierung in anderen aber weiter stei­gende Erkrankungen bis hin zur „zweiten Welle" zur Folge hat, verschwimmen in vielen Volkswirtschaf­ten die Ursachen für die Zuspitzung schwieriger Unternehmenssituationen für die Unternehmensver­antwortlichen.

Die undurchdringliche Vielfalt (Komplexität) an Einflüssen lässt viele Führungskräfte beim Prioritäten­setzen verzweifeln. Gibt es Knappheit von Mitarbeitern, Services, Rohstoffen für unser Unternehmen, werden unsere Produkte nicht mehr in dem Maße nachgefragt wie vor der Krise, verstehen wir über­haupt aufgrund des schnellen Wandels unseres Wettbewerbes, der inter-/nationalen Regulation wie Grenzschließung für Güter und Personen noch unseren Markt und seinen Wettbewerb (Dynamik)? Diese fehlende Orientierung während jener globalen Gesundheitskrise, die in schwierigen Unternehmenssi­tuationen auf einen Wendepunkt, eine Krise, zusteuert, Nachfrage bricht ein, Vertriebskanäle funkti­onieren nicht mehr, Angebot/Lieferkette fällt länger aus, finanzielle Überlebensfähigkeit ist absehbar gefährdet, verlangt besonnenes, entschlossenes aber auch ziel-/strategiegeleitetes abgestimmtes Ge­gensteuern.

Aufsichtsrat und Vorstand müssen sich vorurteilsfrei die Frage stellen, ob ihre Unternehmenskrise nur z. B. eine Corona-bedingte Verschärfung oder Beschleunigung eines konjunkturellen Abschwungs zugrunde liegt oder ob strukturelle Krisenursachen eine grundlegende Neuausrichtung des Unternehmens gar der Branche verlangen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei auch das Selbstbild/-verständnis der Un­ternehmensakteure. Zum Nachdenken anregende Beispiele finden sich zahlreich  – z. B. in der deutschen Banken-, Zei­tungs-/Medien-, Energieversorger-, Automobilherstellerlandschaft oder auch der Fleisch- und Wurst­warenindustrie.

Nicht nur objektive Kriterien aus z. B. Innovation, Technik, Investors Relation, Rechnungswesen, Control­ling sind also operativ und strategisch zwischen den Organen entlang wahrscheinlicher Szenarien zu diskutieren. Auch subjektive Kriterien wie das Selbstverständnis und Vertrauen der Stakeholder müs­sen konsequent in dieser Nabelschau schonungslos selbstkritisch analysiert, Zukunftsbilder entworfen und priorisiert werden. Letztlich benötigt das Unternehmen für seine Mitarbeiter, Kunden, Finan­ziers aber auch seine anderen wesentlichen Stakeholder eine transparente, ehrliche und priorisierte Positionsbestimmung für ihre Unternehmenskrise, schlüssige und zielorientierte Maßnahmenbündel sowie eine glaubwürdige Kommunikation und Führungs- wie auch Überwachungsorgane.

2. Ablauf einer Krise

Als Interim Executive (CFO) möchte ich zwischen dem Anlass und der Ursache der Krise unterscheiden. In allen Fällen gaben die Auftraggeber als Anlass zur Beauftragung an, unzufrieden mit der praktizierten Governance zu sein, der Konsequenz, mit der das Management einerseits das (strategische) Management betrieb, andererseits aber auch, wie das Compliance-Ma­nagement-System zwischen den Stakeholdern etabliert war. Hinter diesen Anlässen stand aber in allen Fällen letztlich als Ursache das System an impliziten Werten, die praktizierte Unternehmenskultur, die in den Unternehmen anzutreffen war und letztlich deutliche Krisensymptome verursachte.

Für die Charakterisierung des Ablaufes einer Unternehmenskrise hat sich in der Praxis das Sechs-Pha­sen-Modell als hilfreich erwiesen, das das Institut der Wirtschaftsprüfer in seinem Standard (IdW S6) herausgearbeitet hat:

  1. Auf der Ebene der Stakeholder ist ein Ausgleich strategischer Interessen nicht erzielbar z.B. in welche Märkte möchte man investieren, wo steht das Unternehmen mit seinen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken, in welche Märkte soll/kann investiert werden, welche Ziele/Entnahmegrundsätze sind zu verfolgen (Stakeholder-Krise).
  2. Für die strategische Unternehmensausrichtung ergeben sich daraus Mängel für die konkreten längerfristigen Ausrichtungen des Unternehmens. Welche Innovationen, Ressourcen und Kompetenzen möchte man wie entwickeln, um strategische Erfolgspotentiale zu realisieren oder auch als Cash Cow zu führen, wie vermeidet man Risiken und geht Schwächen an (Stra­tegiekrise).
  3. Wenn eine klare Prioritätensetzung sich nicht aus der Strategie ergibt, fehlen die effektiven und effizienten Maßnahmen auf der Ebene von Produkten/Dienstleistung. Die Wettbewerbs­fähigkeit des Sortiments leidet und somit letztlich der Absatz (Produkt-/Absatz-Krise).
  4. Aus diesen Schwächen ergeben sich Konsequenzen für den Unternehmenserfolg. Die Wettbe­werbsfähigkeit des Unternehmens insgesamt leidet. Die KPI aus Bilanz, Gewinn- und Verlust­rechnung oder Cashflow-Rechnung erodieren (Erfolgskrise).
  5. Mit Fortschreiten der Erfolgskrise wird es stetig schwieriger, nicht nur die strategische Finan­zierung sondern auch die operative Finanzierung sicherzustellen. Die Innenfinanzierungskraft durch Working-Capital-Management leidet, aber auch die die Außenfinanzierungskraft (Cash­flow-Krise).
  6. Spitzt sich die Cashflow-Krise zu, kann das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet werden (Insolvenz).

Die Beauftragung eines Interim Executives in einer Krise macht deutlich, dass zur Bewältigung des An­lasses der Bestellung, den Schwächen der praktizierten Governance, zumindest die personelle Verstär­kung wenn nicht sogar der Austausch auf der Ebene der Unternehmensführung als erforderlich ange­sehen wurde. Nur so war im Kreis des Aufsichtsrat/Beirat vorstellbar, dass die Ursachen der Unterneh­menskrise anzugehen waren.

3. Spätester Zeitpunkt zur Intervention

Als Grundsatz gilt, „droht oder besteht eine Unternehmenskrise in einer Aktiengesellschaft, muss der Aufsichtsrat seine unterstützende Überwachung teilweise in eine gestaltende Überwachung auswei­ten. Zentrale Bedeutung innerhalb seiner Führungsverantwortung kommt dabei der Berufung und Ab­berufung des Vorstands zu (§ 84 AktG). Bei Pflichtverletzungen haftet er der Gesellschaft für den ent­standenden Schaden (§§ 116, 93 AktG)."

Der späteste Zeitpunkt zum Eingriff seitens der Eigentümer oder des Aufsichtsrates hängt eng mit der wahrgenommen Dringlichkeit des Krisenstadiums zusammen und der Einschätzung, ob das verant­wortliche Management in der Lage ist, die notwendigen Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Es geht also um Vertrauen in das aktuell handelnde Management, aber auch um die andere Seite der Governance, den Aufsichtsrat und seine denkbare Rolle im Rahmen der Krisenbewältigung. Am klarsten erkennbar werden Unternehmenskrisen, wenn aufgrund drohender Verletzungen von Til­gungsterminen oder Covenants, z.B. Verschuldungsquote in Finanzierungsverträgen, Vorlage eines Testates zum Konzernabschluss weitreichende Konsequenzen für die Liquidität zu befürchten sind und auch Eingriffe der Finanzierungspartner zur Absicherung ihrer Finanzierung angedroht wurden oder zumindest vertraglich wahrscheinlich werden. Diese Phase (5), die stark regel-/kennzahlengebun­den definierbar ist, verlangt radikale Prioritäten zum Management des Cashflows und Cashs. Eine Neu­ausrichtung des Managements bis zur Berufung eines Chief Restructuring Officers (CRO), eines Vor­standsmitgliedes, das sich mit weitreichenden Weisungsrechten, auch gegenüber seinen Vorstands­kollegen, um die Stabilisierung der Finanzierung und Liquidität der Gruppe kümmert, muss die Folge sein. Die Sicherstellung des Fortbestandes der Firma ist die klare Aufgabenstellung.

Die Produkt-/Absatz-(3) sowie Erfolgs-Krise (4) verlangen eine entschlossene Ausrichtung auf opera­tive Exzellenz. Die Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb und Struktur- und Prozessgestal­tung müssen mit dem Ziel einer Umsatz-, Kosten- und Effizienzverbesserung konsequent verfolgt wer­den, um die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit verbessern zu können. Aus Sicht eines Interim-CFO steht in einer solchen Krise häufig die Professionalisierung der kaufmännischen Prozesse in instrumen­teller, methodischer, personeller und organisatorischer Hinsicht und deren Führung im Mittelpunkt. Fragen "Wie wird Verantwortung im Unternehmen wahrgenommen?" oder "Wie wird sie adressiert und auch umgesetzt?", tragen dazu bei, die Performance im Zusammenwirken mit den Vorstandkollegen des Un­ternehmens zu stabilisieren. Des Weiteren sind Programme/Projekte für konkrete Performancever­besserungen gefordert.

Kann keine Einigkeit hinsichtlich Strategie, Vision und Mission (2) zwischen den Akteuren des Manage­ments, des Aufsichtsrats oder anderer zentraler Stakeholder wie den Finanziers oder Regulatoren er­zielt werden, liegt dieser fehlenden Fokussierung häufig eine Stakeholder-Krise (1) zugrunde. Unklar­heit hinsichtlich zu bearbeitender Märkte, forcierender Innovationen und des zu bearbeitenden Wett­bewerbsumfeldes nehmen zu. Der Weg, wie das Unternehmen sich weiterentwickeln soll, wird diffus. In einer Stakeholder- oder Strategiekrise stellt sich aus Sicht des Interim-CFO vor allem die Aufgabe, mittels Transparenz z.B. über alternative Szenarien denkbarer Zukunftsbilder des Unternehmens, die mit Kollegen zu erarbeiten sind, in die Diskussion mit den Stakeholdern einzusteigen. Letztlich ist ein Interessenausgleich zwischen Risiken, Chancen aber auch der Unternehmenskultur zu formulieren und in strategische Leitlinien für die längerfristige Transformation zu überführen. Wie weitreichend in sol­chen Krisenphasen das Vertrauen in Führung verloren gehen kann, wurde beim Wechsel der Konzern­spitze von BMW deutlich.

4. Wer gehört an den Pranger: Manager oder Eigentümer?

Eine provokante Frage, die aber durchaus Zweifel erlaubt: Ist das private Unternehmen anders aufge­stellt als Börsenunternehmen in der Krise? Sowohl Eigentümer, geschäftsführende Gesellschafter wie auch Manager machen Fehler, sind angreifbar, könnten also an den glücklicherweise abgeschafften Pranger gestellt werden.

Bevor einzelne Verantwortliche kritisiert werden, sollte der Kritikmaßstab klar sein. Erfolgsmaßstäbe und die damit verbundenen Erfolgshonorierungen für Unternehmensführung sind deutlich unter­schiedlich: Familienunternehmen planen in Generationen, börsengelistete Unternehmen in relativen Unternehmenswertsteigerungen und Unternehmen im Eigentum von Finanzinvestoren in absoluten Unternehmenswertsteigerung im Investitionszeitraum bis zum Exit. Hieraus ergibt sich ein jeweils un­terschiedliches, durchaus rationales Führungsmodell, dem sich die jeweiligen Führungskräfte zumin­dest nicht kurzfristig entziehen sollten und können, gleichwohl wird deren Beurteilung aus gesell­schaftlicher Sicht durchaus sehr vielschichtig betrieben.

Nach welchem weiteren Maßstab könnte es geboten sein, eine Führungskraft, sei es Eigentümer oder Manager, öffentlich zu kritisieren, an den Pranger zu stellen? Nach dem Grundsatz „Eigentum ver­pflichtet" geht es letztlich bei einer ordentliche Unternehmensführung darum, das Unternehmen nachhaltig überlebensfähig aufzustellen, selbst wenn Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens nicht mehr nachgefragt werden. Schnell ist erkennbar, dass dieser Grundsatz nicht den einzelnen Ar­beitsplatz schützt, gleichwohl aber verlangt, dass ein Unternehmen wettbewerbsfähig geführt werden muss, d.h. auf längere Sicht müssen trotz sich dynamisch wandelnder Stakeholder-Anforderungen Um­sätze im Wettbewerb realisieret werden, die die Kosten übertreffen.

In Unternehmen, die von Eigentümern maßgeblich geprägt werden, sei es als geschäftsführender Ge­sellschafter, als Senior-Chef, Beirats- oder Aufsichtsratsvorsitzender wird nicht immer zwischen Ge­schäftsführung und Überwachung getrennt. Selbst wenn institutionell eine Trennung vorgenommen wird, unterstreicht die faktische Macht manchmal durchaus eine Einheit von Geschäftsführung und ihrer Überwachung (One Tier). Auch wenn dieses monistische System in der Krise Vorteile aufweist, da schnell entschieden und machtvoll durch das Unternehmen „durchgesteuert" werden kann, sind die Nachteile aber auch unverkennbar. Kulturelle Engstirnigkeit, professionelle und kompetenzmäßige Mängel verhindern möglicherweise eine längerfristige Neuausrichtung beispielsweise bei der Finan­zierung, der Unternehmensstrategie mit z.B. konsequenter Nutzung der Digitalisierung oder so kom­plexer Transformationen in Verbindung mit dem Klimawandel oder der Verfolgung von Konzepten wie den ESG/SDG. In Krisen, die Branchen wie die Textil- und Fleischindustrie aktuell treffen und öffentlich kontrovers diskutiert werden, sind Symptome von Führungsmängeln durchaus feststellbar und dem­zufolge auch öffentlich diskutierbar.

Ein auch im globalen Wettbewerb bewährtes Set an Führungsmaßstäben für eine ordentliche Unter­nehmensführung sind Standards aus Governance-Kodizes. In Deutschland wird im AktG sowie dem Deutsche Corporate Governance Kodex CGK eine dualistische Unternehmensverfassung (Two Tier) kodifiziert. Die Regulierungsdichte der AG-Landschaft ist damit deutlich höher und somit transparenter als in Unternehmen, die hiervon nicht erfasst werden. Standards wie die Trennung von Führung und Überwachung, Professionalität, Prozesse der Unternehmensführung wie Strategieformulierung, Budgetgespräche, Lagebeurteilung führen dazu, dass zumindest einer zu einseitigen Sicht auf die un­ternehmerischen Herausforderungen systembedingt ein Riegel vorgeschoben wird. Diese Herange­hensweise kann auch in der Krise hilfreich sein, um robuste Krisenbewältigungen anzustoßen, weil eine systematische Einbindung zentraler Stakeholder des Unternehmens möglich wird. Gleichwohl wird bei der Aufarbeitung der Insolvenz von Wirecard zurecht auch in der Öffentlichkeit die Beurteilung von Organverantwortung in Zukunft noch häufig aufgegriffen werden, da die Leistungen des Managements wie auch der Überwachungsorgane nicht die Überlebensfähigkeit gesichert hat.

Ein Regelungskomplex, der immer wieder, auch in der Öffentlichkeit scharf kritisiert wird, ist die leis­tungsgerechte Vergütung von Vorständen börsengelisteter Unternehmen. Wenngleich Leistungsge­rechtigkeit sich auch in der Krise an zuvor formulierten Mindeststandards messen lassen muss, wird zumindest in der AG-Landschaft ein transparenter Prozess definiert (§§ 87, 120 AktG 162 AktG n. F.), in dem Vergütungssystem, - struktur und - bericht vorgeschrieben werden. Damit werden sie Gegenstand einer öffentlich zugänglichen, professionellen Transparenz und somit besteht die Möglichkeit eines faireren Vorgehens als am Pranger.

Als Interim Executive-CFO fällt auf, dass zu meiner Beauftragung häufig Ursache-Wirkungs-Ketten füh­ren, die ihren Anfang in den Werten und der Kultur der jeweiligen Unternehmen haben. 

Einige Bei­spiele: (1) Der Unternehmer führt nach den Grundsätzen, das Unternehmen gehört mir, obwohl der Groß­teil des betriebsnotwendigen Kapitals von externen Finanziers stammt. (2) Der CEO führt das Unterneh­men ausschließlich nach financial key performance indicators, ohne den Aktionären eine plausible Un­ternehmensstrategie zu präsentieren. (3) Der Finanzinvestor kauft Finanzbeteiligungen basierend auf zu wenig robusten längerfristigen Marktstudien. Ein zu hoher Kaufpreis ist die Folge. Alle drei Beispiele führen in der Folge zu Schwächen in der Governance (Risiko- und Compliance-Management), die letzt­lich deutliche Vertrauensverluste bei den Geldgebern hervorrufen und damit existenzbedrohende Fi­nanzierungssituationen/Krisen absehbar werden.

Unabhängig von der Gesellschaftsform und der Beteiligung der Führungskräfte an „ihrem" Unterneh­men darf öffentliche Kritik fehlenden, nachhaltigen Erfolg, fehlende Führungstransparenz und das da­mit erodierende Vertrauen sowie den Beitrag des Managements und seiner Leistung, nachvollziehbar aufgreifen.

Grundsätzlich müssen für eine faire Beurteilung aber auch Maßstäbe wie die Business Judgement Rule herangezogen werden, worin gefordert wird, das unternehmerische Entscheidungen immer unter Ri­siko erfolgen und folglich Risikoabwägung in Abhängigkeit des Einzelfalles und der Angemessenheit der Informationsgewinnung (Zeit, Kosten, Nutzen) vorzunehmen sind. Letztlich hängt die Erreichung der skizzierten Erfolgsmaßstäbe unternehmerischer Tätigkeit somit auch von den handelnden Perso­nen und ihrer Einschätzung der Unternehmenssituation ab.

5. Schwierigkeiten für rechtzeitige und richtige Gegensteuerung?

Die Frage suggeriert, dass es rechtzeitige und richtige Maßnahmen zur Bewältigung von Krisen gibt. Eine Antwort kann aber nur situativ für ein konkretes Unternehmen und seine Situation ausfallen. Demzufolge stehen am Anfang der Beantwortung dieser Frage für das Management und seinen Bei­rat/Aufsichtsrat (Non-Executive) zwei wiederkehrende Analyse-Aufgabenkomplexe:

  • Die regelmäßig anstehende Analyse und Diskussion der Lage und denkbarer operativer und strategischer Optionen.
  • Das geforderte Risikomanagement (§ 107 III AktG oder auch Corporate Governance Codex als auch der Family Governance Kodex), das sich wiederkehrend systematisch mit Risikoursachen, -ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit auseinandersetzt und zwischen Management und Überwachungsorganen diskutiert werden sollte.

Da Unternehmensführung immer das systematisch abgewogene Eingehen von Risiken (Business Judgement Rule) verlangt, hel­fen beide Führungsprozesse dabei, auch in Anlehnung an das oben erläuterte Krisenmodell, sich Re­chenschaft darüber abzulegen, ob und wenn ja, welche Krise vorliegt. Erst hieraus ergeben sich Anknüpfungs­punkte für die Gestaltung eines Krisenmanagements insbesondere auch hinsichtlich seiner zeitlichen und inhaltlichen Prioritäten. Nicht jedes Unternehmen sieht seine professionelle Verantwortung gem. dieser Perspektive.

Für Stakeholder-/Strategiekrisen ist der Zeitraum ihrer Bewältigung üblicherweise längerfristiger. Das darf aber nicht davon ablenken, dass systematisch, konzentriert und professionell das Krisenmanage­ment verfolgt wird. Neben den Hard Facts spielen hierbei vor allem die Soft Facts wie Ziele, Kultur, Werte, Wissen oder Können eine zentrale Rolle. Strategie, Organisation der Führung aber auch der Non-Executive Ebene müssen transformiert werden.

Wenn Erfolgs-/Liquiditätskrisen unerwartet eintreten, ist anzunehmen, dass sich diese Hard Fact-Prob­leme aufgrund von Mängeln der Corporate Governance oder der Aussagekraft der kaufmännischen Informationssysteme (Accounting, Controlling, Treasury) bzw. der Verarbeitung ihrer Ergebnisse erge­ben. Damit sind nicht nur Hard-Fact Analysen gefragt, sondern auch, warum auf der Soft-Fact-Ebene Mängel in diese Krise geführt haben. Im Mittelpunkt der Fragen stehen also Verantwortung für die Krise, möglicherweise auch das Versagen und damit wird nicht immer konsequent und umfassend nach konstruktiven Krisenstrategien gesucht, sondern schnell zunächst nach dem Schuldigen. Die Analyse wird politisch und emotional.

Das sofortige Ausgabenmoratorium, der Stopp von Projekten, die Fokussierung auf profitable Kun­den/Produkte/Dienstleistungen, Kostensenkungsmaßnahmen werden möglicherweise deshalb verzö­gert überlegt und umgesetzt. Um eine Vermengung von Sach- und Personalproblemen einzuschrän­ken, stehen die Entscheidungsgremien in einer solchen Krisenphase vor der Aufgabe, relevante Perso­nalentscheidungen schnell zu fällen, um für das Krisenmanagement nicht nur die wichtigen Gesichter für die operative Führung und das Programm- und Projektmanagement zu benennen, sondern damit auch eine personelle Grundlage für ein abgestimmtes Krisenmanagement zu schaffen.

6. Liegt es am bisherigen Personal?

Die Suche nach dem Schuldigen hatte ich schon angesprochen. Sie mag eine Frage von vielen in der Erarbeitung einer ordentlichen Krisenanalyse sein, aber sie sollte erst dann beantwortet werden, wenn die Krisenursachen verstanden worden sind. Das sprichwörtliche Bauernopfer trägt nur dazu bei, dass Entscheidungsträger ihre Autorität im Unternehmen einbüßen.

Als Interim Executive-CFO stoße ich immer wieder auf Situationen, in denen Unternehmen für ihr Um­feld (z.B. Börsenlistung oder Eigner ist ein Finanzinvestor) nur über rudimentäre kaufmännische Pro­zesse/Informationssysteme verfügen. Die bis zum Zeitpunkt meines Eintretens in die Firma Verant­wortlichen sind in der Vergangenheit möglicherweise nicht mit ihren Ideen durchgedrungen, eine pro­fessionelle transparente Struktur für Accounting, Controlling und Treasury mit idealerweise integrier­ter Software aufzubauen.

Gründe für diese fehlenden kaufmännischen Systeme sind vielfältig auch jenseits einzelner Personen: Schnelles Wachstum einer Gruppe ohne Entwicklung der kaufmännischen Systeme, keine Etats für die „ink pisser" ("Dafür haben wir unseren Steuerberater!"). Letztlich spiegeln diese Einwände fehlende Pri­oritäten des Top-Levels (Executive, Non Executive) wider und liefern zunächst nicht einen Schuldigen, wohl aber deuten sie auf eine situativ unprofessionelle Führung hin.

Diese fehlende kaufmännische Transparenz schlägt sich in der Qualität der Kommunikation und Füh­rungskultur nieder. Es fehlen abstimmbare Fakten. Umsätze oder Kosten sind nicht durchgängig in der Organisation definiert und eigenen sich nicht zur ergebnisoptimierten internationalen Führung ein­schließlich der ersten Führungsebene. Die Folge sind politisches, nicht faktenbasiertes Verhalten, klas­sische Funktions-/Prozesskonflikte, die sich nicht an integrierten Fakten orientieren sondern an Mei­nungen.

Die Börsenlistung verlangt von einem Unternehmen ein so umfassendes und professionell organisier­tes und geführtes Zahlenwerk, dass ihre Durchgängigkeit von externen Stakeholdern bis zu unterneh­mensinternen Führungskräften und Stakeholdern wie Mitarbeiter, Arbeitnehmervertretungen und ggf. weiteren übli­cherweise gegeben ist. Der Aufbau solcher Systeme sowie die damit verbundene Führungs- und Kom­munikationskultur nach innen und außen verlangt mehrjährige Projekte und Programme, die letztlich der Führung, der Kommunikation und der Risikovorsorge dienen.

Ein anderes Beispiel: Schaut man auf eine konsequente Kundenfokussierung, lassen sich derzeit nicht nur für Mobilität interessante Perspektiven zum Führungspersonal aufzeigen. Steht im Mittelpunkt der neuen Mobilität das traditionelle kraftstoffgetriebene Auto, das lediglich unter den Aspekten techni­scher Innovationen weiterentwickelt wird, scheinen Lösungen wie der Smart, der i3 oder car2go und Share Now wirtschaftlich eher erfolglos. Disruptionen, die sich derzeit aufgrund von autonomem Fahren in Kombination mit carsharing abzeichnen, verlangen natürlich im Management völlig neue Kompe­tenzen und Ausrichtungen, die nicht zwingend aus den technik-/produktions- und machtgetriebenen Strukturen der deutschen Automobilindustrie kommen. Als Antipode hat sich inach sehr verlustreichen Jahren Elon Musk mit erfolgreichen Quartalszahlen an der Börse gemeldet. Seine Erfolge zeigen, dass die technologischen Eintrittsbarrieren der Automobilindustrie sehr wohl ein­zureißen sind. Auch wenn die Innovationen von Tesla technischer Natur sind, finden sich die Beweg­gründe dafür eher in kundenorientierten Wünschen nach umweltfreundlicher und dezentraler digita­ler Optimierung bis hin zur autonomen Mobilität.

Die Disruption durch Tesla kann wohl tatsächlicher einer visionären unternehmerischen Person zuge­schrieben werden. Einen Wandel der deutschen Automobil-/Mobilitätsindustrie wird sich aber nur entlang anderem Personal als dem traditionellem Automobilbauer anstoßen lassen, deren Fokus auf die Vernetzung neuer umweltorientierter Kundenlösungen mit dezentralen digitalen Netzwerken zur Mobilität gerichtet ist. Ein grundlegender Wandel einer kaufmännischen Führung oder auch der Wertschöpfungsnetzwerke in der Mobilität verlangt eine weitreichende Transformation von Unter­nehmen, die sicherlich auch vor dem bisherigen Personal nicht Halt machen kann.

7. Muss mehr Flexibilität beim Einsatz externer Führungskräfte bewiesen werden?

Die dynamischen Herausforderungen im internationalen Wettbewerb verlangen von Unternehmen eine Kultur des Lernens und der Transformation. In Hinblick auf Krisenmanagement sollte man deshalb zunächst in Abhängigkeit des Timings prüfen, ob ungeplant kurzfristige Problemlösungen mit eigenem Personal nicht zu bewältigen sind. Externe Führungskräfte können dann herangezogen werden. Ähnli­ches gilt, wenn geplante neue Impulse durch eigenes Personal bei neuen Projekten kapazitiv oder kompetenzmäßig nicht zu erwarten sind. Liegen eher mittel- bis längerfristige Aufgabenstellungen vor, insbesondere auch beim geplanten Ersatz von Mitarbeitern, sollte die Besetzung der Positionen eher durch interne, also fest angestellte Führungskräfte erfolgen.

Sind Veränderungsnotwendigkeiten im Bereich Werte/Haltungen/Kultur zwingend, die integrierte, sach- und ergebnisorientierte Arbeitsweisen verlangen, die unpolitisch und ohne Karriereziele der jeweili­gen Führungskräfte angegangen werden müssen, sind externe Führungskräfte für nachhaltige Impulse und auch grundlegende Führungs- und Organisationsentwicklungen durchaus sehr vielversprechend.

Wichtig bei mehr Flexibilität des Einsatzes externer Führungskräfte ist, dass das Unternehmen mit ihnen einen nachhaltigen Wandel mit deutlichen, also expliziten Lernerfolgen anstrebt. Solche Ziele verlangen aber auch eine Corporate Governance, die diese Führungskräfte auf der Executive Ebene gemäß ihrer Einsatzziele im Onbording begleitet und auch während des Auftrags angemessen über­wacht beziehungsweise berät.

Geschieht das nicht, kann trotz systematischer Projektkommunikation seitens des Interim Managers wegen des angestrebten Wandels von Werten/Haltung/Kultur Entfremdung entstehen, sich Miss­trauen entwickeln. Der situativ zu entscheidende Einsatz auch befristeter Executives verlangt also nicht nur einen professionellen Auswahlprozess durch den Kunden, sondern auch eine angemessene Corpo­rate Governance zur zielgerichteten Integration der externen Führungskräfte.

8. Interim Management

Die Schnelligkeit, mit der die aktuelle Krise große Teile der globalen Wirtschaft erfasst hat, verlangt den Einsatz erfahrener Manager zur zügigen Sicherstellung der erforderlichen Corporate Governance. Ein hohes Maß nachgewiesener professioneller Kompetenz und vorurteilsfreie Unabhängigkeit muss diese Manager ebenso charakterisieren wie auch ihre nachgewiesene Fähigkeit, Transformationen un­ternehmensweit mit einem hohen Maß an vertrauensvoller Transparenz anzustoßen und zu führen: Ein prädestiniertes Einsatzfeld für Interim Executives, einem in den letzten Jahren auch in Deutschland stark wachsenden Segment des Interim Managements auf C-Level-Niveau.

Unabhängig von der Eigentümerstruktur, öffentlichen Unternehmen, Unternehmen in privater Hand oder im Eigentum von Finanzinvestoren, haben Eigentümer oder ihre Organe schätzen gelernt, dass sie sich mit dem professionellen Interim Management auf eine Umsetzungsdienstleistung auf hohem Niveauverlassen können. Selbstverständlich ist nicht nur fachliche und Führungs-Expertise, sei es auf dem CEO-, CFO- oder COO-Level oder unterschiedlichsten funktionalen, strukturellen oder prozessua­len Ebenen sondern auch die Fähigkeit der Interim Executives, durch zügige sach- und personenorien­tierte Problemanalysen und robuste Maßnahmenentwicklungen belastbare Krisenmanagement-Initi­ativen anstoßen zu können. Die in Krisen häufig fehlende Orientierung für die Stakeholder kann so durch ein professionelles Programm- und Projektmanagement schrittweise wiedererlangt werden, in­dem die Anpassungsnotwendigkeiten/-fortschritte transparent gemacht werden.

Die Haltung des Interim Managers sind dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor für einen schlagkräftigen Krisenangang. Umso weitreichender die Maßnahmen auf eine Unternehmenstransformation abzielen, umso wichtiger werden fachliche und persönliche Glaubwürdigkeit und Autorität des Managements und weniger die Rolle des Machtpromotors, der sich auf seine disziplinarisches Weisungsrecht beruft. Auch müssen diese Managementqualitäten nicht nur im operativ/strategischen Kontext wirken, son­dern auch die Ebene von Eigentümern oder Aufsichtsrats-/Beiratsmitgliedern muss in Krisenzeiten in wesentlich schnelleren und auch weniger formellen Arbeitszyklen eingebunden werden. Diesem her­ausfordernden Umfeld begegnet der unternehmerisch geprägte Interim Executive mit Leistungsbereit­schaft, Neugier und Ehrgeiz, der Bereitschaft und der Fähigkeit, sich auf wandelnde und konfliktgela­dene Situationen professionell einzustellen und führen zu können. Die Berufslaufbahn derart charak­terisierter Interim Manager verlief üblicherweise nicht als Mono-Karriere.

9. Warum tun sich die Unternehmen bei der Digitalisierung so schwer?

Die Digitalisierung verlangt eine grundlegende Überprüfung der strategischen Ausrichtung und mög­licherweise ein völlig neues Wertschöpfungsnetz für ein Unternehmen. Investitionen allein in Technik spielen die geringere Rolle bei dieser Neuausrichtung, sind aber auch zu finanzieren und als Werttreiber einzusetzen. Wie weitreichend die strategische Neuausrichtung gehen kann, lässt sich an Beispielen wie der Transformation von Heizungsbauern zum "Serviceprovider Klima" (Viessmann, Vaillant) oder vom Zeitungsverleger zum "Serviceprovider Nachrichten, Infotainment" beobachten (Gabor Steingart). Nicht jedes Unternehmen traut sich eine solch kritische Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung zu oder ist dazu finanziell und von der Governance her in der Lage.

Ein digitales Geschäftsmodell wandelt sich, völlig neue, nicht mehr regional abgrenzbare Wettbewer­ber treten auf, das betriebliche und kundenmäßige Kompetenz- und Infrastrukturspektrum ändert sich, ebenso Kosten und Entwicklungszeiten. Neben Hierarchie tritt Netzwerkkommunikation, Strate­gie und Agilität schließen sich nicht mehr aus, ebenso wenig wie die Kombination von erfahrenen Mit­arbeitern und Kollegen, die innovativ arbeiten wollen und schnelle marktfähige Lösungen (minimal viable products) kreieren wollen. Schnelle Ergebnisse verlangen schnelle Entscheidungen, aber auch finanzielle Ressourcen, Vertrauen und Freiheitsgrade, konsequente Kundenorientierung und ein entspre­chend ausgerichtetes Programmmanagement.

Der Wandel der Wettbewerbsregeln und -ressourcen, die schnellere Obsoleszenz von Wissen, Res­sourcen wie Patenten oder Fabriken verunsichern Entscheidungsträger, sich an der wandelnden com­petitive edge zu orientieren. Aus Sicht eines Interim Executives darf diese Unsicherheit aber nicht zu Verweigerungshaltung führen, sondern muss in zügige und systematische digitale Entwicklungsschritte münden, um Teil der Markt- und Wettbewerbsentwicklung zu werden, Erfolgspotentiale gezielt aufzu­bauen und Fehlentwicklungen schnell zu korrigieren. Auch Partnerschaften mit Wettbewerbern, die seit langer Zeit im eigenen Hause kritisiert werden, müssen in Erwägung gezogen werden.

Einen Königsweg in der umfassenden digitalen Transformation von Wirtschaft, Branche und Unterneh­men gibt es nicht. Sicher aber ist, dass jedes Unternehmen mit seinen Organen einen individuellen Weg erarbeiten muss, der Zeit, unternehmerischen Mut, Fehler und Ressourcen einkalkuliert. Da Feh­ler schnell korrigiert werden müssen, fördern diese Gegensteuerungsmaßnahmen nicht unbedingt das Selbstvertrauen der Handelnden, insbesondere wenn eine patriarchische hierarchische Diskussions­kultur herrscht. Dialog, Offenheit und Experimentiergeist müssen schrittweise die Entwicklung markt­fähiger Produkte/Dienstleistungen und Ökosysteme beschleunigen bis hin zu radikal an Kundenbedürf­nissen orientierten neuen Plattformen.

10. Kann eine modernere Corporate Governance-Krisen eher vermeiden?

Modernität hinsichtlich Krisenvermeidung wirft für eine Corporate Governance die Frage auf, ob sie einen eigenen Beitrag zur Erkennung aktueller und zukünftiger Krisenanzeichen liefern kann und da­raus auch Maßnahmen anstoßen kann, die die Krisenherausforderungen aufgreifen und zu einer ro­busten Unternehmensentwicklung in der Krise beitragen können.

Aus Sicht des Interim Executives wird immer wieder deutlich, wie unmittelbar Krisen mit handelnden Personen und Gruppen zusammenhängen, die zu eng an ihren und den betrieblichen Gewohnheiten hängen: Schornsteinkarrieren, Branchenkarrieren, Schönwetter-Kapitäne, Angsthasen sind Attribute, mit denen Führungskräfte und Aufsichtsräte dann durchaus bedacht werden.

Letztlich setzt Krisenabwehr zunächst eine sachgerechte, vorurteilsfreie Informationsverarbeitung der Organe voraus. Auch wenn im Two Tier-Modell eine deutliche Verantwortungstrennung gefordert wird, kommt es aber in der Krisenabwehr darauf an, dass Krisensignale frühzeitig gemeinsam aufge­griffen werden und abgestimmt zu Krisenmanagement-Paketen verdichtet und umgesetzt werden. Krisensignale wie der Wandel vom stationären Handel zum Online-Handel oder zum Multi-Channel-Handel erfasst nicht erst seit der Corona-Pandemie weite Teile des Handels. Es zeichnet sich ab, dass Unternehmen, in denen strategische Kompetenzen, Unabhängigkeit im Denken und Handeln, aber auch Diversität der Zusammensetzung der Organe deutlich über die sicherlich wichtige Geschlechter-Diversität hinaus zentrale Erfolgsfaktoren einer modernen Governance beim Krisenmanagement sind.

Um strukturelle und personelle Schwächen, aber auch Schwächen der Informationsverarbeitung und der Kommunikationsabläufe zwischen den Organen zu vermeiden, muss eine situations- und krisenan­gemessene professionelle Kultur entwickelt werden. Hierzu kommt neben den immer wieder gefor­derten Kompetenzprofilen für Vorstand und Aufsichtsrat, den jeweiligen Geschäftsordnungen und das hohe Maß an Eigenverantwortung, auch von Aufsichtsräten bei der selbstständigen Einholung und kontinuierlichen Verarbeitung von Informationen und ihrem Austausch, ein immer höherer Stellen­wert zu. Aufgrund der Geschäftsordnungskompetenz des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand mag sich für bestimmte Krisenszenarien, die das Unternehmen für möglich hält, beispielsweise anbieten, dass hierzu Szenario-gestützte Informationspflichten in der Geschäftsordnung fixiert werden.

Ein hoher Stellenwert für eine professionelle Überwachung und erforderlichenfalls auch Beratung ist die verfügbare Zeit, die die jeweiligen Non-Executives für ihr Mandat aufwenden können. Nur wenn sichergestellt ist, dass der Austausch der Non-Executives mit ihren Executives sich nicht an den formal terminierten Sitzungen orientiert, sondern an der situativ erforderlichen Unternehmenslage, kann die gelebte Corporate Governance einen Beitrag zur Krisenvermeidung oder -bewältigung leisten.

11. Unternehmerische Haltung und Führung in Krisen?

Wie bereits erwähnt, ist die Trennung von Führung und Überwachung sowie Beratung unstrittig. Aber all dies soll zum Wohle des Unternehmens und damit sicherlich auch der Krisenabwehr dienen. Dem­zufolge müssen Ausrichtung, Strukturierung und Prozesse, nicht nur des Unternehmens, sondern auch ihrer Organe, dem Wandel angepasst werden, seien es Optimierungen im Unternehmen oder auch in der Branche oder der Gesellschaft, in der das Unternehmen tätig ist.

Wesentlich für den Anstoß von Veränderungen in Zeiten von Unsicherheiten oder Krisen sind die Hal­tung von Organen und ihren Mitgliedern. Die Organe sind nicht nur Verwaltungsorgane sondern auch „Führung"sorgane, deren Ausrichtung und Anspruch von ihren Haltungen abhängen, also nicht nur von Gesetz, Ordnung und Unternehmenseigentümer/Shareholder sondern auch von ihrem Verständnis zur unternehmerischen Verantwortung gegenüber Stakeholdern. Immer häufiger werden diese Ansprü­che auch im internationalen Geschäftsleben artikuliert und sei es nur, weil Unternehmen ein starker Promotor positiven gesellschaftlichen Wandels sein können.

Hinsichtlich der unternehmerischen Führung in der Krise stellen sich also Fragen z. B. diese Fragen: "Wo liegen die Markt­chancen in der Zukunft?", "Wie kann ich mit Mitarbeitern und unter Verwendung unserer Ressourcen robuste Maßnahmen ergreifen?", "Wie Ziele formulieren, die Maßnahmen umsetzen und den Zielbeitrag der Maßnahmen überwachen und gegebenenfalls zügig Gegensteuerungsmaßnahmen ergreifen?".

Die überwachende und beratende Führung des Aufsichtsrat muss gewährleisten, dass zum Wohle des Großen und Ganzen die Orientierung in der Krise nicht verloren geht, also Richtung und Ziel, dass Trans­parenz von Organen und Hierarchien und letztlich die nachhaltige Ausrichtung auf strategische Erfolgs­potentiale gelebt wird. In schwierigen Phasen des Krisenmanagements müssen Interessenkonflikte durchgestanden werden und das Führungsteam benötigt Rückhalt durch zeitnahe und vertrauensvolle konstruk­tive Kommunikation, um nicht politisch taktieren zu müssen, sondern unternehmerisch durch die Krise führen zu können. Hierzu ist die Haltung sowohl der Executives als auch der Non-Executives der zent­rale Erfolgsfaktor.

Dr. Dieter Brenken

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