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ESUG-Schutzschirmverfahren: 5 bewährte Strategien zur Bilanzsanierung in Krisenzeiten

Branche: Unternehmensnahe Dienstleistungen (Unternehmensberatung) für Textilindustrie

Funktion: Experte

Thema: ESUG-Schutzschirmverfahren

Umsatz: 160 Mio. Euro

Mitarbeiter: 1.000

Aufgabe:

Die Unternehmung im Bereich Herstellung, Produktion und Vertrieb von textilen Stoffen, ist seit dem Jahr 1955 am Markt tätig. Im Jahr 2005 hatte das Unternehmen Finanzmittel aufgenommen, die im Jahr 2012 fällig waren. Nachdem mehreren Verhandlungen mit den Investoren, jeweils mit dem Ziel, eine andere Einigung für die Rückzahlung der Finanzmittel zu erreichen, scheiterten, schien die Situation für alle Beteiligte aussichtslos zu sein. Denn eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung waren unausweichlich. Nach etlichen Gesprächen und einer gründlichen Vorbereitung hat die Unternehmung die Krise als Chance erkannt: Als Alternative zum regulären Insolvenzverfahren meldete die Unternehmung im Jahr 2012 rechtzeitig ein Schutzschirmverfahren nach dem ESUG beim zuständigen Amtsgericht an.

Für diese Aufgabe war ich als Projektleiter, gemeinsam mit einem CRO, für das Projekt „Schutzschirmverfahren nach dem ESUG" verantwortlich.

Rechtliche Hinweise:

Aufgrund insolvenzrechtlicher Defizite in Deutschland hat der Gesetzgeber mit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen zum 01. März 2012 und der damit verbundenen Einführung des Schutzschirmverfahrens  eine bedeutsame Veränderung in Bezug auf die Insolvenzantragsstellung und die Eigenverwaltung geschaffen (siehe bspw. Leutheusser-Schnarrenberger, 2011a, Seite 1; Buchalik, ZInso 2012, Seite 349; Buchalik, Krise, Seite 9). Im Ergebnis soll, nach dem Willen des Gesetzgebers, das ESUG einen positiven Beitrag für eine neue Sanierungskultur in Deutschland leisten (siehe bspw. Roland Berger, ESUG-Studie aus 2012, Seite 7).

Mit einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner keine Vertretungsbefugnis mehr (siehe bspw. Kramer, Insolvenzrecht, Seite 55). Daher ist es das vorrangige Ziel des neuen Gesetz, dass vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zunächst ein Sanierungsverfahren unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters durchgeführt wird. Mit dem Schutzschirmverfahren wird dem Schuldner die Möglichkeit gegeben, ein Sanierungskonzept (nwb-sanierung-5-2022.pdf) zu entwickeln und einen Insolvenzplan zu erstellen (siehe bspw. BT-Drucks, 17/2008, S. 1 ff; archieve, Verbesserte Chancen fuer Unternehmenssanierungen). Sofern das örtliche Gericht dem Antrag stattgibt, wird ein Sachwalter bestellt. Der Sachwalter übt eine beratende und eine überwachende Funktion aus (siehe de Bruyn, Randnummer 135). Darüber hinaus wird der Schuldner in einer dreimonatigen Frist (Höchstdauer) zur Erstellung eines aussagefähigen Insolvenzplanes von Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger geschützt (siehe de Bruyn, Randnummer 133).

Ausgangslage:

Ohne Zweifel sah jeder in der Unternehmung die Gesetzesänderung als Chance für einen Fortbestand der Unternehmung als auch für einen Anreiz einer frühzeitigen Insolvenzantragstellung an. Dies, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung zu verhindern und gleichfalls, um zum einen die Unternehmung fortzuführen und das Vermögen zu kontrollieren (siehe bspw. BT-Drucks, 17/5712, Seite 1; Kübler, InsO, Randnummer 14, 15). Ferner war jedem bewusst, dass die Gesetzesänderung für einen Erhalt der Arbeitskräfte und zudem für einen Schutz vor Gläubigerinteressen steht.

Vorgehen:

Bei der Umsetzung des Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO ging ich wie folgt vor:

Ein aussagefähiger Eröffnungsantrag mit der entsprechenden Sorgfaltspflicht und ein Antrag auf Fristbestimmung für die Erstellung eines Insolvenzplanes (Sanierung mit nachvollziehbarer Begründung), dem sog. Schutzschirm (siehe Rattunde, Der Sachwalter, Randnummer 36), wurde erstellt.

Eine Bescheinigung einer insolvenzerfahrenen Person, bspw. Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, wurde zudem dem Amtsgericht vorgelegt. Aus der Bescheinigung ging hervor, dass die beantragte Sanierung nicht aussichtslos (mit entsprechenden Angaben) sein würde. Denn es ist für die Zulässigkeit des Schutzschirmverfahrens zwingende Voraussetzung, dass die angestrebte Sanierung nicht ohne Aussicht auf Erfolg ist.

Unter meiner Leitung wurde ein aussagefähiges organisatorisches und finanztechnisches Konzept (Insolvenzplan) zur Restrukturierung unter Weiterführung der Unternehmung erstellt und vorgelegt; Fehler konnten selbständig beseitigt werden.

Die interne Beratung und Ausübung eines Vorschlagsrechts für einen Sachwalter wurde durch mich vorangetrieben.

Auch wurden die interne und die externe Kommunikation durch mich intensiviert. So wurde z. B. eine enge Abstimmung mit dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern vorgenommen, und daüberhinaus eine Mediengesellschaft mit der Kommunikation nach außen (zu den Medien) beauftragt.

Durch mich wurde die Abstimmung mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss sowie die Abstimmung mit dem Sachwalter und Insolvenzgericht intensiviert. So wurde z. B. der vorläufige Gläubigerausschuss stets in die notwendigen Abläufe eingebunden. Dadurch wurden Transparenz und Glaubwürdigkeit nachhaltig erzielt. Ferner setzte ich mich dafür ein, dass der Gläubigerausschuss Einfluss auf die Auswahl des Sachwalters hatte.

Ergebnis:

  • Das vorrangige Ziel, eine nachhaltige Ertragskraft des insolvenzbedrohten Unternehmens zu erreichen, konnte erreicht werden.
  • Um die angestrebte Sanierung erfolgreich umzusetzen, konnten Erfahrungen und Kenntnisse der Unternehmensführung beibehaltet werden.
  • In überschaubarer Zeit durften sich die „Gescheiterten" wieder unternehmerisch betätigen und zudem wurden Arbeitsplätze geschützt (siehe BT-Drucks, 17/2008, Seite 2).
  • Diverse Sonderkündigungsrechte  wurde von der Geschäftsführung genutzt, wie z. B. (1) Kündigung von verlustreichen Aufträgen, (2) Kündigung von laufenden Vertragsverhältnissen wie Miet- oder Pachtverträgen und (3) Kündigung belastender Betriebsvereinbarungen wi z. B. Personalabbau ohne Sozialplan (mit einer maximalen Frist von drei Monaten).
  • Diverse Liquiditätseffekte wurden von der Geschäftsführung erzielt, wie z. B. (1) Aussetzung von Dauerschuldverhältnissen von bis zu drei Monaten z.B. bei Miet- und Leasingverträgen. (2) Zudem hatte die Unternehmung für drei Monate Anspruch auf Insolvenzgeld. Insofern verschaffte sich das Unternehmen durch Aussetzung der dreimonatigen Personalkosten Wettbewerbsvorteile.
  • „Betroffene wurden zu Beteiligten gemacht": Die Arbeitnehmer waren durch die Geschäftsführung stets sehr gut informiert und unterstützten das Vorhaben.

Dr. Falk Steuer
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Freitag, 21. Februar 2025

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