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Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

MSR: Entwicklung und Umsetzung einer B2B Vertriebsstrategie in Europa und Afrika

Branche: Mess-, Steuer- und Regeltechnik (Herstellung von industriellen Prozessteuerungsanlagen)

Linienfunktion: Vertrieb (Geschäftsführer)

Thema: Reorganisation, Key Account Management, Internationalisierung, Business Development, Prozessoptimierung, Effizienzsteigerung

Umsatz: 35 Mio. Euro

Mitarbeiter: 45

Ausgangslage: Ein in Deutschland ansässiger Hersteller von sicherheitsgerichteten Automatisierungslösungen für den B2B-Markt sah sich mit einer fragmentierten Vertriebsorganisation in Europa und Afrika konfrontiert. Es gab Tochtergesellschaften in den Niederlanden, Frankreich und Italien sowie eine zentrale Vertriebsabteilung für die Länder ohne lokale Niederlassungen. Die Tochtergesellschaften agierten unabhängig voneinander und ohne eine abgestimmte Vertriebsstrategie mit der Unternehmenszentrale. Die Verantwortung für den afrikanischen Kontinent war auf unterschiedliche europäische Tochtergesellschaften, Handelsvertreter und Vertriebsbüros vor Ort verteilt. Hier fehlte ebenso eine Abstimmung zwischen den beteiligten Vertriebsteams.

Ein von der Zentrale forciertes Business Development im neuen Markt Bahntechnik wurde von den Vertriebsteams sehr unterschiedlich umgesetzt. In einigen Ländern erfolgten keine Vertriebsaktivitäten in dem Zielmarkt, während andere erste Erfolge verbuchen konnten.

Diese Organisation führte zu fehlenden Synergien und unkoordinierten Vertriebsinitiativen. Die Kunden erwarteten eine Koordinierung auf der Herstellerseite für deren länderübergreifende Projekte. Die unzureichende Koordinierung führte zu schlechten Lieferantenbewertungen und geringeren Chancen, Projekte zu gewinnen. Geschäftserfolge in Teilen von europäischen und afrikanischen Vertriebsregionen konnten nicht in anderen Ländern wiederholt werden. Der Auftragseingang in der Vertriebsregion unterlag unvorhersehbaren Schwankungen und einzelne Tochtergesellschaften erreichten nicht die geplante Profitabilität.

Aufgabe: Die Geschäftsführung und die globale Vertriebsleitung wollten aufgrund eines Generationswechsels eine Reorganisation in der Region Europa & Afrika durchführen. Ziel war es, den Auftragseingang nachhaltig zu steigern, neue Projekte bei Key Accounts zu gewinnen und den Markt für Bahntechnik zu entwickeln. Dies sollte durch eine neue Vertriebsstrategie erreicht werden, die Synergien nutzt, Effektivität steigert und eine Wachstumsrate, welche über dem Marktwachstum liegt. Zudem sollten die Prozesse mit den zentralen Abteilungen optimiert und die Effizienz erhöht werden.

Lösungsansatz: In länderübergreifenden Workshops wurden zunächst aus der globalen Unternehmensstrategie die Elemente herausgearbeitet, die für die regionale Vertriebsstrategie relevant sein sollten. Hierzu wurden die Fachabteilungen aus der Unternehmenszentrale beratend hinzugezogen. Es folgte eine Analyse der Marktgröße basierend auf der Unterscheidung nach dem Total Addressable Market (TAM) und Serviceable Addressable Market (SAM). Die SWOT Analysen der verschiedenen Vertriebsteams ergaben ein umfassendes Bild der eigenen Position und lieferten wertvolle strategische Informationen. Die erarbeitete Vertriebsstrategie wurde von der Geschäftsführung und der Leitung Global Sales genehmigt, bevor es in die Umsetzungsphase ging.

  • Markterweiterung: Die Anzahl der Vertriebs- und Services-Mitarbeiter in ausgewählten Schwellenländern wurden ausgebaut, sowie Vertriebs- Marketingaktivitäten in Ländern mit bestehenden Tochtergesellschaften erweitert. Um die Vertriebsmitarbeiter im Außendienst zu entlasten, wurden vier zusätzliche Angebotsmitarbeiter im Vertriebsinnendient der verschiedenen europäischen Tochtergesellschaften eingestellt. Weiterhin wurden zusätzliche Außendienstmitarbeiter in Belgien, Frankreich und Südafrika eingestellt, um eine bessere regionale Abdeckung zu erreichen. Die Vertriebsbüros in Algerien und Nigeria wurden mit zusätzlichen Service-Ingenieuren ergänzt, um kurzfristiger auf Serviceanfragen zu reagieren. Die Zuständigkeit für Afrika wurde in Nordafrika und Sub-Sahara unterteilt. Die Management-Teams der Tochtergesellschaften setzen die länderspezifischen Pläne um und erhielten hierfür ein Investitionsbudget. Die Länder ohne eigene Tochtergesellschaft oder Vertriebsbüro wurden von kompetenten Partnern betreut. Das bisherige Konzept von Handelsvertretern wurde umgestellt auf sogenannte Systemintegratoren. Diese Partner sind Experten in der Automatisierungstechnik und in der Lage eigenständig verschiedene Komponenten zu einem projektspezifischen System zu integrieren. Dieses hat den Vorteil, dass Lösungen im Endkundenland entwickelt werden können. Die neuen Partner wurden geschult, mit Trainingssystem ausgerüstet und es werden regelmäßige Workshops durchgeführt.
  • Endkunden Fokussierung: Die Vertriebsaktivitäten sollten früher in der Customer Journey beginnen. Dieser Ansatz sollte besonders bei den bestehenden Global Accounts angewendet werden. Das zentrale Global Key Account Management (GAM)-Team und die regionalen Vertriebsteams synchronisierten ihre Aktivitäten. Für ausgewählte Global Accounts wurden länderübergreifende Teams gebildet. Federführend war ein neu geschaffener GAM-Lenkungskreis. Es wird die Miller-Heiman-Vertriebsmethode, auch als "Strategic Selling" bekannt, angewandt und das zentrale Werkzeug „Blue-Sheet" verwendet. Diese Methode erlaubt einen strukturierten Vertriebsprozess für ausgewählte Kundenprojekte, meistens im Großanlagenbau. Hierbei werden detaillierte Kundenanalysen durchgeführt, die Verkaufschancen qualifiziert und die Stakeholder des Buying Centers einbezogen, sowie kundenspezifische Nutzenversprechen (Value Proposition) erstellt.
  • Vom Produkt- zum Lösungsanbieter: Die Analyse ergab, dass bei den Zielkunden bisher erforderliche Lieferantenfreigaben nicht erreicht wurden. Um dies zu ändern, wurde der Fokus von Produktfreigaben auf die Anwendungen der Endkunden verlagert. Die lokalen Teams wurden regelmäßig in verschiedenen Anwendungen in den Branchen Öl, Gas, Chemie und Bahntechnik geschult. In den Tochtergesellschaften wurden Spezialisten für bestimmte Anwendungen ausgewählt und intensiv geschult. Bei Neueinstellungen wurden Kandidaten mit spezifischem Anwendungswissen gesucht. Die lokalen Vertriebsmitarbeiter erhielten vor Ort verstärkte Unterstützung von Anwendungsspezialisten aus der Firmenzentrale. Darüber hinaus wurde die Marketingkommunikation in Europa und Afrika verstärkt auf anwendungs- und industriespezifische Themen umgestellt. Themen wie Sicherheitsnormen wurden stärker kommuniziert und die eigenen Sicherheitsexperten bei Veranstaltungen platziert. Es wurden mehr Roadshows bei den Kunden durchgeführt und Vorträge auf Fachkonferenzen gehalten. Die Beteiligungen an Fachmessen wurden reduziert, da der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen nicht gerechtfertigt war.

Ergebnis: Die regionale Vertriebsorganisation konnte durch die Umsetzung der neuen Vertriebsstrategie bedeutende Erfolge verzeichnen.

Dank der konsequenten Anwendung der Vertriebsmethode von Miller Heiman konnten Großprojekte bereits in einer frühen Phase der Customer Journey beeinflusst werden. Innerhalb der ersten zwei Jahre der neuen Vertriebsmethode konnten vier Projekte mit einem Auftragswert von nahezu 25 Mio. Euro gewonnen werden.

Die Gewinnung von Neukunden konnte gesteigert werden, insbesondere im neuen Marktsegment für Bahntechnik, dessen Umsatzanteil von 15 % auf 28 % erhöht werden konnte.

Durch die neuen Partner in den Ländern ohne Tochtergesellschaften wurde eine 30% höhere geografische Abdeckung erreicht, was zu einem 50% höheren Geschäft durch diese Partner führte.

Insgesamt erreichte die Vertriebsstrategie ein durchschnittliches Wachstum (CAGR) von 16 %, was dem Zweifachen des Marktwachstums entsprach. Dadurch konnte der Umsatz in weniger als fünf Jahren verdoppelt werden.

Fazit:

Die neue Vertriebsstrategie und die regionale Reorganisation führten zu nachhaltigem Wachstum. Die Anwendung von Strategic Selling, länderübergreifende Vertriebsorganisation und der Wandel zum Lösungsanbieter schufen die Grundlage für den Erfolg und wurde in weiteren Vertriebsregionen übernommen.

Friedhelm Best

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