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Automobilhandel: Zurück auf Werkseinstellungen
Automobilhandel habe ich von der Pike auf gelernt! Ich kenne nahezu jeden Prozess und durfte – in den mittlerweile fast 30 Jahren – alle Höhen und Tiefen dieser Branche miterleben.
Im Prinzip ging es am Ende immer nur bergauf. Selbst in den vermeintlichen Krisenjahren 2021 bis 2023 verbuchte die Branche Rekordergebnisse. Allein im Jahr 2022 erwirtschaftete der Automobilhandel eine Umsatzrendite von 3,3%. Im Mittel mehr als doppelt so viel wie in der Vorkrisenzeit.
Bereits in meinem Beitrag vom 16.09.2023 – „Automobilhandel: Von Rekordjahren zu StaRUG?" – habe ich aufgezeigt, dass die in dem Himmel wachsenden Unternehmensergebnisse vordergründig kein Ergebnis herausragender Managementleistungen waren. Das Gegenteil ist der Fall, weil die allermeisten Unternehmen ihre Hausaufgaben eben nicht gemacht haben. Nämlich, in guten Zeiten für die schlechten vorzusorgen und die Auswirkungen des Transformationsprozesses zu reflektieren und zu antizipieren.
Schon damals war klar, dass es im Automobilhandel in den nächsten Jahren nicht mehr primär um Wachstum gehen, sondern darum, dass das eigene Unternehmen am Ende des Transformationsprozesses noch existieren würde.
Managementversagen führte nicht nur im Automobilhandel dazu, dass man sich vielerorts im Zimmer der Zufriedenheit eingerichtet hat. Darüber hinaus gönnen sich Unternehmen bis heute Strukturen, die ihnen auf mittlere Sicht das Genick brechen könnten.
Wirklich alle Unternehmen, die ich branchenübergreifend kenne, sind von innen erodiert. Nicht der Markt hat sie zu Fall gebracht, sondern fehlende oder zu aufgeblähte Strukturen.
Die nachstehenden TOP 5 Empfehlungen sind als Impuls-Beitrag für die eigenen strategischen Überlegungen zu verstehen und natürlich keinesfalls abschließend. Ein Zurücksetzen des eigenen Unternehmens auf „Werkseinstellungen" ist das einzige Mittel, wenn sich Ihr Unternehmen mit dem Rücken zur Wand entwickelt.
Denken Sie bitte daran: „Probleme, die man ignoriert, verschwinden nicht – sie holen Verstärkung!"
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, das richtige Mindset zum Problem und das Zauberwort, dass Sie benötigen werden: Konsequenz!
TOP 1: RICHTIGES MINDSET
Die Erfahrung aus erfolgreichen Restrukturierungen zeigt zur Führung!
Gute wie schlechte Zahlen haben ihren Ursprung (fast) immer in der Unternehmensspitze.
Prüfen Sie, ob Ihre Führungsmannschaft das richtige Mindset zur gegenwärtigen Herausforderung hat. Ohne das richtige Mindset zum Problem wird es Ihnen ungleich schwerer fallen, dass unpopuläre Maßnahmen in der Breite mitgetragen werden.
Kamen Ihre Führungskräfte – sofern Sie diese bei näherer Betrachtung als solche bezeichnen würden – selbst schon mal auf die Idee, den Gürtel enger zu schnallen oder auf Privilegien zu verzichten?
Wie oft sind Sie mit umsatzsteigernden Vorhaben konfrontiert wurden?
Sind Sie es nicht leid, wenn Ihnen in Rahmen von Planungsrunden die Tendenz zur blassen Mitte oder rückläufige Ergebnisse präsentiert werden?
Deshalb:
- Wer läuft zum Ball?
- Wer ist motiviert und wer ist satt?
- Wer hat Ambitionen vs. wer will den Status Quo nur noch über die Ziellinie bringen?
- Wer kehrt zuerst vor der eigenen Haustür? Zum Beispiel mittels Abbau der eigenen Assistenz.
- Wer kommt mit Lösungen und nicht mit Problemen?
- Wer skizziert eigene Wertbeiträge, bevor der Vorgesetzte ihn dazu drängt?
- Wer bietet sich an, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen? Denn: Jede Kündigung ist eine Chance!
- Wer setzt die richtigen Prioritäten?
Sie benötigen in Ihrem Unternehmen aber nicht nur das richtige Mindset zum Problem, sondern auch zu den Chancen!
Ein prominentes Beispiel: Die E-Mobilität!
Die Zukunft wird zweifelsfrei überwiegend elektrisch, wenngleich sich die Transformation über 20 Jahre hinziehen dürfte.
Um uns herum steigt der Anteil an den Neuzulassungen (BEV + Plug-in-Hybride). Ein neuer Meilenstein wurde erstmals in China erreicht: Im Juli 2024 lag der Anteil an den Neuzulassungen bei über 50%. Und in Norwegen waren es im August sogar 94,3%!
Und was machen wir? Verschanzen uns in der Vergangenheit und hinter der öffentlichen Debatte, deren Argumente wunderbar als Rechtfertigung herhalten können, warum man die Fahrzeuge nicht verkauft.
Wir haben in Deutschland – zumindest in den westdeutschen Bundesländern – definitiv kein Problem mit der Ladeinfrastruktur. Und ich weiß, wovon ich rede. Notfalls kann man mittlerweile sogar bei fast jedem McDonald's Strom tanken.
Das E-Autos häufig noch zu teuer sind – was auch für die Verbrenner gilt – ist nicht wegzudiskutieren.
Im DAT-Report 2024 findet sich dazu eine interessante Grafik, nämlich zum „Verhältnis Einkommen zu Pkw-Anschaffungspreis". Demnach mussten Neuwagenkäufer 1974 lediglich 38% vom durchschnittlichen Jahreseinkommen für ein fabrikneues Fahrzeug aufbringen. Im Jahr 2023 sind es bereits 80%!
Gegenwärtig spielen die neuen Marktteilnehmer aus Fernost nahezu keine Rolle. Insbesondere ist die Angst vor BYD für den Moment unbegründet und wird vielmehr herbeigeredet (nicht in China, aber im deutschen Markt!). Im August konnte der chinesische Autobauer lt. Kraftfahrtbundesamt (KBA) ganze 218 Fahrzeuge neu in Deutschland zulassen. Der kumulierte Marktanteil innerhalb der ersten acht Monate beträgt gerade mal 0,1%! Die Fahrzeuge sind gut, aber nicht unbedingt günstig.
Was ich aber bemängele, ist die fehlende Kreativität vieler Autohäuser:
- Haben Sie schon mal „E-Wochen" im Autohaus zur Kenntnis genommen? Mit Möglichkeiten zur Probefahrt, Infoständen zur benötigten Ladeinfrastruktur, zur Akku-Garantie, Fragen zu Reparatur und Wartungskosten? Während der Probefahrt könnte man wunderbar das aktuelle Fahrzeug bewerten oder durch die Wäsche fahren, Finanzierungsbeispiele rechnen, Kunden aufklären, Berührungsängste abbauen und Termine für Vor-Ort-Besichtigungen beim Kunden vereinbaren – z. B. zwecks Verkaufs und Installation der Ladeinfrastruktur (setzt aber voraus, dass man wie manche Werkstattketten mittlerweile als Elektromeisterbetrieb zertifiziert ist, u. a. wie AUTOPLUS aus Wolfsburg). Macht aber kaum einer…
- Dort kann man auch mit PayPal, amazon pay, VISA, Apple Pay und Google Pay bezahlen und sich über den WhatsApp-Kanal auf dem Laufenden halten lassen. Ich empfehle einen Blick auf die Webseite! Kann man das in Ihrem Autohaus alles auch?
- Leider fast überall Fehlanzeige! Noch schlimmer: Häufig sind die Fahrzeuge auch noch abgeschlossen! Zuletzt sogar in der AUTOSTADT…
- Selbst wenn der Interessent nicht kauft, würde er Ihr Autohaus in diesem Kontext als Kompetenzpartner wahrnehmen und Sie den Logenplatz im Kundenkopf besetzen.
- Darüber hinaus könnte man Infoabende mit interessanten Talk-Gästen organisieren, zu Podiumsdiskussionen einladen etc.
Sie haben also kein Umsatz-, sondern vielmehr ein Ideen-Problem!
Ein Best Practice Beispiel – leider schon 12 Jahre her – finden Sie hier: Probefahrt-Weltrekord der Stegelmann-Gruppe.
Empfehlen darf ich Ihnen auch die LinkedIn-Beiträge von Tolga Toker, Filialleiter der Bobrink Gruppe.
Zwei Beispiele, wie Begeisterung vom Produkt und echtes Interesse am Kunden den Unterschied ausmachen. Erfolg kennt keine Kritiker!
Was Sie diesbezüglich also brauchen, ist Vertriebsexzellenz – auch im After Sales. Nur dann werden Sie sicherstellen, dass Sie nicht nur den Umsatz ins Haus holen, den Sie nicht verhindern können.
Abschließend darf ich Sie vorwarnen: Zur Sicherung des Überlebens sind voraussichtlich tiefgreifendere Veränderungen notwendig. In der Regel bedarf es der Verdichtung und des Austauschs von Teilen der 1. Führungsebene sowie > = 50% der 2. Führungsebene, die häufig DIE „Lehmschicht" für Veränderungen ist. Der Identifizierung guter Potentialträger aus der 3. Ebene kommt in dem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung zu.
Diese sicherlich zugespitzte Sicht ist wichtig, weil Sie zwischen Schönwetter-Kapitänen und tatsächlichen Führungskräften werden unterscheiden müssen.
Die Zeit, in der die Flut noch alle Boote gehoben hat, ist nämlich leider vorbei.
TOP 2: BERICHTSWESEN OHNE HERSTELLER-BONI
Der Automobilhandel ist geprägt von einer Vielzahl an Boni und Verkaufshilfen.
Die Branche vertritt weitestgehend die Auffassung, dass ein Autohaus ohne Hersteller-Boni nicht existieren könne.
Das ist nachweislich falsch: Abseits unbestreitbarer, teurer Hersteller-Vorgaben geben jeder Mensch und jedes Unternehmen stets mehr Geld aus, wenn mehr zur Verfügung steht! Darüber hinaus gibt es im Markt Bonussysteme, bei denen die Hersteller die wichtigsten Boni erst zum Ende des Jahres ausbezahlen (ohne unterjährige Abschlagszahlungen), im Folgejahr oder gar nicht – sogenannte „Hopp oder Top-Boni".
Aufgeblähte Strukturen werden schnell transparent, wenn Sie Ihr Reporting zweigeteilt aufbauen: Einmal mit Hersteller-Boni und einmal ohne!
Noch nie gehört? Einer meiner besten Lehrmeister – ein Ausnahemunternehmer – hat es für eine der noch heute erfolgreichsten Handelsgruppen jahrelang genauso gemacht!
Mit der Folge, dass das Unternehmen jede Krise gut überstanden hat und sogar gestärkt aus ihnen hervorging. Über diese Herangehensweise bewegte sich die Unternehmensstruktur stets an den „Werkseinstellungen".
Übersetzt: Absolute Konsequenz, kaum bis gar keine Assistenzstellen, nichts und niemand wird durchgeschleppt, Compliance-Regler eher auf „Hauptsache compliant" statt Hosenträger + Gürtel-Mentalität sowie tendenziell 1 - 2 Mitarbeiter weniger an Bord als 1 zu viel. Das zum beispielhaften Verständnis, was ich mit „Werkseinstellungen" verbinde.
Machen Sie Sie sich mal den Spaß und die Mühe, Ihr Berichtswesen derart zu differenzieren. Der Differenz- bzw. Fehlbetrag legt Ihre Schwächen im Umsatz als auch auf der Kostenseite gnadenlos offen.
Wichtig und später mehr dazu: Sie haben nie ausschließlich ein Kostenthema!
TOP 3: ANSPRUCHNIVEAUS REDUZIEREN
Wer mich kennt weiß, dass ich meine Organpflichten kenne und für haftungsrelevante Themen sensibilisiert bin.
Was die nachfolgenden Ausführungen angeht, sollten Sie natürlich niemals die Sollbruchstelle überschreiten.
Übers Ziel hinaus geschossen bezieht sich in diesem Kontext auch auf buchhalterische und andere Arbeitsgebiete.
Ein paar Beispiele:
- Wenn Sie möchten, dass Ihr Monatsabschluss die Qualität eines Jahresabschlusses hat, dann kostet das Geld!
- Wenn Sie kleinteilig alles fahrzeugbezogen buchen möchten, kostet das Geld!
- Wenn Sie möchten, dass die Kassenbücher immer zeitnah geprüft sind, kostet das Geld!
- Wenn Sie möchten, dass Sie mehr Auswertungen erhalten, als Sie und Ihre Führungskräfte daraus werden Maßnahmen ableiten können, kostet das Geld!
Stellen Sie sich die Frage, ob Ihr Wunsch nach Zahlenqualität „hinterm Komma", Ihre Ungeduld wann es denn endlich die nächsten Zahlen gibt, die interne Revisionsdichte etc. vom Markt bezahlt wird.
Antwort: Nein!
Daher ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass allein das eigene Anspruchsniveau zu einem höheren Personalaufwand führen muss.
Bleiben wir bei der Buchhaltung:
Wenn jeder Monatsabschluss einem Jahresabschluss gleichkommen und möglichst zeitnah nach dem Monatswechsel zur Verfügung gestellt werden soll, müssen Sie je nach Markenvielfalt, Anzahl der Gesellschaften, dem Verhältnis kalkulatorischer vs. echter Umsätze, sowie der Qualität der Prozesse und der Mitarbeiter mit ca. 20 Mio. Euro HGB-Umsatz je Buchhalter rechnen = viele Buchhalter!
Wenn Sie sich darüber im Klaren werden, dass kein Kunde Ihren internen Anspruch bezahlt, kommen Sie im Einzelfall sicherlich auch mit 30 Mio. Euro HGB-Umsatz je Buchhalter aus = weniger Buchhalter!
Ich habe die Grenzen selbst kennengelernt und teilweise aktiv ausgetestet bzw. austesten müssen. Bei > 40 Mio. Euro zu verarbeitendem HGB-Umsatz pro Buchhalter liefen mein Team und ich Gefahr, aufgestellte Zeitpläne im Rahmen der Jahresabschlussprüfung nicht mehr einzuhalten oder schier dem Belegvolumen nicht mehr Herr zu werden.
Als gesundes Anspruchsniveau haben sich für mich 25 Mio. Euro HGB-Umsatz je Buchhalter herausgestellt.
Der Impuls dahinter dürfte mit diesem Beispiel klar geworden sein.
Er ist auf sämtliche administrative Bereiche ohne Wertschöpfungsbezug anzuwenden.
Steuern Sie Ihre Ressourcen entsprechend besser in Prozesse und Strukturen mit Einfluss auf das Unternehmensergebnis oder in Ihre kritische Infrastruktur!
Ergänzende Informationen zum Umgang mit stetig steigenden IT-Anforderungen erhalten Sie über folgenden Link: https://www.unitedinterim.com/blogs/sicher-statt-anfaellig-gegenfinanzierung-sicherstellen.html
TOP 4: STARK DURCH FUSION
Vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen sind meines Erachtens gut beraten, insbesondere nach regionalen und relativ gleich starken Fusionspartnern Ausschau zu halten. Das propagiere ich bereits seit 2021.
Der Intrabrand belastet die Marge und auf der Kostenseite wird vieles doppelt vorgehalten.
Da es sich bei den Automobilhändlern fast ausschließlich um mittelständische Familienunternehmen handelt, könnte die größte Hürde das eigene Ego sein.
Sich einzugestehen, dass Interbrand nicht länger zielführend ist. Dass die Herausforderungen so groß sind, dass man sie nicht mehr allein stemmen kann oder möchte.
Und, dass es natürlich mit einem Machtverlust einhergeht. Was man heute allein bestimmt, muss man morgen abstimmen.
Es wird die Wahl zwischen Freiheit und Zukunftsfähigkeit.
Ein mir sehr gut bekanntes Unternehmen, das heute solide dasteht, entstand Ende der 90er Jahre aus drei verschiedenen Unternehmen. Genau aus dem beschriebenen Grund: Man hat sich im gleichen Markt gegenseitig das Geschäft kaputt gemacht.
Die Anteilsverhältnisse der Gesellschafterfamilien sind in den neuen Gesellschaften nicht überall ausgeglichen. Dennoch hat man im Gesellschaftsvertrag eine Stimmparität vereinbart. Das ist eine klasse Lösung, die Anteilsverhältnisse nur auf die Gewinnverteilung zu beziehen. Beide Seiten können sogar die gleiche Anzahl an Geschäftsführern bestellen. Schon damals sehr weitsichtig, Hut ab!
Also mal den Gedanken mitnehmen, auf den anderen Handelspartner zugehen, die Diskussion anregen und miteinander sprechen.
Fusionen, insbesondere mit regionalen Handelspartnern, bieten enorme Potentiale. Sowohl auf der Kosten- als auch auf der Umsatz- und Ertragsseite. Das Zauberwort heißt Konsequenz.
Wer ist es richtig anstellt, hebt die entsprechenden Zentralisierungs- und Verdichtungseffekte. Man braucht dann keine zwei CFOs, keine zwei Personalleiter, nicht zwei IT-Leiter und auch nur noch einen Finanzleiter. Entsprechend auch weniger Assistenzstellen. Die Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen. In den operativen Verantwortungsfeldern verhält es sich genauso.
Je nach regionalen Entfernungen, können Aufgaben- und Verantwortungsbereiche zusammengelegt werden: Man braucht nur einen Verkaufsleiter PKW für die Marke X, nicht zwei. Nur einen Bereichsleiter After-Sales, nicht zwei. Einen Gruppenverantwortlichen für das Gebrauchtwagengeschäft, nicht zwei. Auch diese Aufzählung ließe sich fortsetzen.
Auf der Umsatz- und Ertragsseite analoge Möglichkeiten:
Wenn die Kunden heute mit dem eigenen Angebot zum direkten Wettbewerber gehen, betreten sie dann eine weitere Filiale. Natürlich werden sich auch Kunden um ein alternatives Angebot bemühen, dennoch spielt die Entfernung und Topografie auch heute noch eine Rolle. Der Aufwand analog woanders zu kaufen, wird größer. Und ich behaupte, dass Kunden ihr Fahrzeug lieber dort in die Werkstatt bringen, wo sie es auch gekauft haben.
Auch bei Verrechnungssätzen im Service ließen sich Potentiale heben. Der Orientierung am Wettbewerber könnte der Orientierung am betriebswirtschaftlich Notwendigen weichen. Weiter ginge es mit der Vereinheitlichung von Nachlassregelungen u. v. m. Alles im Rahmen des Möglichen, ohne sich aus dem Markt zu rechnen.
Aus zwei mach eins auch bei den Sachkosten. Es gibt nur noch einen Internetauftritt, die Printanzeigen halbieren sich und viele andere Marketingaktivitäten können zusammengelegt und reduziert werden.
Und über fast alle Aufwandspositionen lassen sich aufgrund des größeren Volumens bessere Preise aushandeln und die Anzahl der Dienstleister kann merklich reduziert werden.
Fusionen und Post Merger-Integrationen sind allerdings kein Sprint, sondern ein Marathon, den es detailliert vorzubereiten gilt. Dabei geht es auch darum, die Organisation nicht zu überfordern und die Umsetzung in verdauliche Meilensteine zu zerlegen. Die aktuelle Wirtschaftskrise – insbesondere um die deutschen Automobilhersteller – verunsichert Führungskräfte und Belegschaft. Eine Fusion zweier Unternehmen verursacht zusätzliche Ängste und verlangt professionelle interne Kommunikation. Nicht selten verlassen in solchen Phasen gute Mitarbeiter ohne Grund das Unternehmen, aus Angst am Ende nicht mehr Teil der Lösung zu sein. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen also abgeholt und mitgenommen werden.
TOP 5: GANZHEITLICHES TURNAROUND-MANAGEMENT
Ein Performance-Programm muss die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigen. Das Aufsetzen eines Cost Reduction Programs (CRP) ist lediglich die Pflicht, Top-Line Management die Kür.
Die Kunst besteht darin, sich auf der Suche nach Werthebeln nicht im Klein-Klein zu verlieren, sondern restriktive und expansive Restrukturierungsmaßnahmen überlegt, strukturiert, breit angelegt und gleichzeitig anzugehen.
Nicht zu vergessen ist der gekonnte und gleichermaßen akribische Fokus bezgl. der Identifizierung von Prozess- und Leerkosten. Regelmäßig werden unzureichende Prozesse durch zusätzliches Personal „zugekleistert".
Die Gründe hierfür können vielschichtig sein:
- Verrichtung unnötiger Arbeiten
- Qualifikationsbedarf – auch im Umgang mit vorhandenen Systemen
- Doppelarbeiten
- Schlechte oder fehlende Prozesse
- Ungenügendes Equipment (Ist die Performance auch im Home-Office gegeben?)
- Rückfragen durch unklare Anforderungen und/oder fehlende Befugnisse
- Angst vor Fehlern
- Potentiale bei der Digitalisierung
- Qualität und Arbeitsgeschwindigkeit der Mitarbeiter
Darüber hinaus bedarf es strategischer Weichenstellungen, wenn man sich den typischen Verlauf von Krisen vor Augen führt: Stakeholderkrise > Strategiekrise > Produkt- und Absatzkrise > Erfolgskrise / Profitabilitätskrise > Liquiditätskrise > Insolvenzreife.
Unternehmenskrisen haben ihren Ursprung allzu oft bei den Stakeholdern. Dazu können Uneinigkeiten in der Geschäftsführung, Patt-Situationen oder auch Konflikte unter den Gesellschaftern zählen. Im Prinzip kann man hierunter alles subsumieren, was dazu führt, nicht mehr vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.
Entsprechend resultiert daraus keine wirkliche Strategie, Entscheidungen werden aus dem Bauch heraus getroffen und Zielsetzungen münden auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Unternehmen, die ihre Situation auch mit einer Stakeholderkrise verbinden, sind gut beraten, sich grundsätzlich neu aufzustellen. Eben deshalb, weil Uneinigkeiten im Top-Management oder im Gesellschafterkreis schnelles und entschlossenes Handeln mindestens limitieren.
Im Rahmen von Restrukturierungen benötigen Sie allerdings Geschlossenheit, Umsetzungswille und schnelle Entscheidungswege.
Wer sich also ausschließlich auf die Kosten fokussiert, springt regelmäßig zu kurz: Nur auf Basis einer klaren Strategie und bereinigten Stakeholder-Konflikten können restriktive und expansive Restrukturierungsmaßnahmen sinnvoll in Angriff genommen werden. Dieser ganzheitliche Ansatz führt Unternehmen regelmäßig schneller in die Spur zurück.
Doch Vorsicht: Bitte keine zu großen Einzelmaßnahmen!
Studien belegen, dass geplante Effekte oft ausbleiben. Hintergrund ist, dass große Maßnahmen häufiger abgebrochen werden als kleine.
Abbruchmultiple nach Maßnahmengröße:
+ Ca. 1 x bei 5 % vom Gesamteffekt
+ Ca. 2 x bei 20 % vom Gesamteffekt
+ Ca. 4 x bei > 50 % vom Gesamteffekt
Auf fünf Härtegrade aufgeteilt, kommen im Härtegrad 5 gerade mal 31% des ursprünglich geplanten Gesamteffektes an. Man spricht in dem Zusammenhang von Effekterosion.
Quelle: Studie Nordantech „Best Practice"
Demnach ist man gut beraten, nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.
Vielmehr geht es um eine die gesamte Wertschöpfungskette abdeckende Roadmap, unterteilt in Projektphasen mit engen Fortschrittskontrollen.
Ulf Camehn
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