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Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Bergbau: Der Wert der ESG-Integration. Aufbau widerstandsfähiger und nachhaltiger Geschäftsmodelle – Business Case Bolivien

Einführung

In den letzten Jahren sind Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) zu einem zentralen Bestandteil der Unternehmensstrategie in vielen Branchen geworden. Unternehmen legen zunehmend Wert auf ESG-Berichterstattung und -Prüfungen, angetrieben durch steigende regulatorische Anforderungen und Erwartungen der Stakeholder. Doch während die Einhaltung von Vorschriften wichtig ist, sollten Unternehmen ESG nicht nur als Pflichtübung betrachten. Vielmehr sollte die Integration von ESG-Prinzipien in das Kerngeschäft oberste Priorität haben. Denn nur durch eine tiefgreifende Verankerung von ESG in den Geschäftsabläufen lassen sich langfristiger Erfolg und Nachhaltigkeit sicherstellen.

Dieser Blog beleuchtet, warum es entscheidend ist, zuerst das Geschäftsmodell durch die transformative Kraft von ESG anzupassen, bevor man sich mit den Anforderungen der ESG-Audits auseinandersetzt. Leider zeigt sich in vielen Branchen, auch weit über den Bergbausektor hinaus, dass Unternehmen oft nur den schnellsten Weg suchen, um ein ESG-Audit zu bestehen. Dabei sollte das Audit lediglich den Abschluss eines umfassenden Prozesses darstellen.

Kontext der Projektmission

In diesem internationalen Projekt war ich als Interim-Projektmanager tätig, das sich ungeplant in zwei Phasen gliederte:

- Phase 1 von Januar 2022 bis August 2022,

- Phase 2 von März 2023 bis Juni 2023.

Mein Auftraggeber in Phase 1 war die US-Firma Exterran Corporation Ltda. aus Houston, Texas. Nach der Übernahme von Exterran durch Enerflex Ltda., Toronto, Kanada, setzte ich die Arbeit in Phase 2 für Enerflex fort. Beide Unternehmen sind führend in der Extraktionstechnologie und Ingenieurtechnik für die Bergbauindustrie.

Das Projekt umfasste die Leitung eines internationalen Teams mit Fachkräften aus Brasilien, Chile und Bolivien. Es konzentrierte sich auf Business Development in Südamerika, insbesondere in den Regionen Chile, Bolivien und Argentinien, dem sogenannten Lithium-Dreieck. Etwa 75% der Projektarbeit fanden in den Andenregionen Chiles und Boliviens statt, während Argentinien bereits in einem früheren Projekt behandelt wurde. Außerdem entschied das Mutterhaus, die Präsidentschaftswahlen in Argentinien abzuwarten (Q4 2023), bevor weitere Schritte unternommen wurden.

Im Rahmen des Projekts in Bolivien und Chile in den Jahren 2022/23 war ich damit beauftragt, eine umfassende Machbarkeitsstudie zur Maximierung der lokalen Wertschöpfungskette in den Extraktionsregionen zu erstellen.

Durch die intensive Untersuchung potenzieller lokaler Lieferanten und den Dialog mit einer Vielzahl chilenischer und bolivianischer Akteure im Bergbausektor gewann ich wertvolle Einblicke und konnte strategische Partnerschaften mit dem kanadischen Mutterhaus im Lithium-Dreieck initiieren. Diese tiefgreifende Erfahrung ermöglichte es mir, ein fundiertes Verständnis für die praktische Umsetzung von ESG-Richtlinien in Bergbauprojekten in dieser Region zu entwickeln.

Background

Nach einem einjährigen Auslandsstudium an der Pontificia Universidad Católica de Chile in den 90er Jahren, im Rahmen meines Wirtschaftsingenieur-Studiums an der Business School Pforzheim, arbeitete ich als Projektingenieur für das australisch-japanisch-chilenische Kupferminenkonsortium BHP Mineira La Escondida. In dieser Rolle lernte ich verschiedene Minenprojekte in Chile, Bolivien und Argentinien kennen. Dabei wurde mir schnell klar, was es bedeutet, in Höhenlagen zwischen 2.800 und 4.000 Metern zu arbeiten, wie extrem knapp die Wasserressourcen sind und wie wichtig es ist, die lokalen, meist indigenen Gemeinschaften in den Prozess einzubeziehen und ihnen eine Teilhabe an der Entwicklung zu ermöglichen. Diese Herausforderungen sind bis heute unverändert – wenn nicht sogar noch größer geworden.

ESG und die Bergbauindustrie in aufstrebenden Märkten – Fallstudie: Bolivien

In Bolivien spielen indigene Gemeinschaften eine aktive Rolle bei Diskussionen über neue Bergbauprojekte. ESG-Kriterien sind in diesem Prozess von zentraler Bedeutung. Ein Bericht des Center on Global Energy Policy der Columbia University SIPA hebt hervor, dass ESG-Faktoren die Fähigkeit der Region beeinflussen können, ihre Rolle bei der Beschaffung kritischer Mineralien für den Übergang zu nachhaltiger Energie zu erfüllen. ESG-Überlegungen sollten sowohl auf Unternehmens- als auch auf Regierungsebene in die Bergbaupraktiken integriert werden.

ESG-Themen haben politische Implikationen, die über die eigentlichen Bergbauaktivitäten hinausgehen. In Bolivien ist der Staatsbesitz von Ressourcen mit Fragen des Ressourcen-Nationalismus und der Industrialisierung von Lithium verbunden.

Die Bergbauindustrie und ESG

Bergbauunternehmen und ihre Lieferanten sollten ESG-Prinzipien durch die Integration von ESG-Risiken und -Chancen in ihre Strategien und Abläufe fest in ihrem Betrieb verankern. Es ist wichtig, Stakeholder über Ziele und Erfolge zu informieren und dabei Transparenz zu wahren.

Um vom bloßen Bekenntnis zur tatsächlichen Umsetzung zu gelangen, müssen Bergbauunternehmen in der Lage sein, ESG-Herausforderungen und -Chancen aktiv anzugehen. Dies erfordert ein Betriebsmodell, das Verantwortlichkeit und Zusammenarbeit fördert sowie eine klare Governance-Struktur.

Die Erfahrung in diesem Projekt zeigte, dass ESG-Themen weitreichende politische Implikationen haben, die über die Bergbauaktivitäten in den produzierenden Ländern hinausgehen und internationale Handelsabkommen wie MERCOSUR, EU und USMCA betreffen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Integration von ESG in das Kerngeschäftsmodell von Bergbauunternehmen unerlässlich ist, um langfristige Resilienz und Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Unternehmen sollten transparent arbeiten, mit Stakeholdern kommunizieren und ein Betriebsmodell schaffen, das Verantwortlichkeit und Zusammenarbeit fördert.

Bergbauunternehmen und lokale Gemeinschaften

Durch den Dialog mit lokalen Gemeinschaften können Bergbauunternehmen sicherstellen, dass ihre ESG-Prinzipien eingehalten werden. Meine konkreten Projekterfahrungen zeigen, dass ESG-Governance-Regeln ein zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells werden müssen, um nachhaltige Wertschöpfung zu ermöglichen.

Um ESG-Prinzipien effektiv umzusetzen, sollten Bergbauunternehmen und deren Zulieferer nachfolgende Punkte stringent im Fokus haben:

  • Transparenz: Ihre Operationen transparent gestalten und den Stakeholdern Informationen über ihre ESG-Leistung bereitstellen.
  • Inklusion: Lokale (indigene) Gemeinschaften in Entscheidungsprozesse einbeziehen und sicherstellen, dass ihre Stimmen gehört werden.
  • Zusammenarbeit: Eng mit lokalen indigenen Gemeinschaften zusammenarbeiten, um ESG-Risiken und -Chancen zu identifizieren und anzugehen.

Diese Schritte stellen sicher, dass Bergbauunternehmen und die gesamte Wertschöpfungskette sozial verantwortlich und nachhaltig operieren.

Projektfokus: San Cristóbal – Das wichtigste Bergbauzentrum in Bolivien

San Cristóbal ist eine der größten Tagebau-Regionen in Bolivien, betrieben unter Bergbauverträgen mit dem Staat. Der Fokus der Mine Mineira San Cristóbal S.A. liegt auf sicheren Operationen, moderner Technologie, sozialen Verpflichtungen und dem Respekt für die Umwelt. 2022 produzierte die Region 327.000 Tonnen Zink-Silber-Konzentrat und 67.000 Tonnen Bleisilberkonzentrat und leistete einen Beitrag von 402,1 Millionen USD an Steuern, Lizenzgebühren und Oberflächenmieten. Das japanische Unternehmen Sumitomo Corporation dominiert die Region.

Während meiner Aufenthalte im Minen-Camp in den bolivianischen Anden erlebte ich aus erster Hand die umfassenden Anstrengungen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs und der Abfallerzeugung, welche die negative Auswirkungen auf die lokale Biodiversität nachhaltig minderten. Mehr als 2,2 Millionen USD wurden in entsprechende Maßnahmen investiert. Die Erfolge erstrecken sich auch auf die Belegschaft von über 2.300 Arbeitern und die 1.800 Lieferanten. Über die gesetzlichen Anforderungen hinaus werden freiwillige internationale Standards wie ISO 45001, OSHA, MSHA und ACGIH angewendet, um hohe Standards in den Bereichen Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten.

Der Nachhaltigkeitsbericht 2022 betont das fortwährende Engagement für Projekte in den Bereichen Community Development, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur. Die Investitionen in die umliegenden Gemeinden beliefen sich auf insgesamt 2,9 Millionen USD.

Wichtige Erkenntnisse und Empfehlungen

Basierend auf den gewonnenen Projekterfahrungen sollten sich Bergbauunternehmen und ihre Zulieferer auf die Chancen zur Wertschöpfung konzentrieren, die eine erfolgreiche Umsetzung von ESG ermöglichen und auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten. Dies bedeutet, ESG-Prinzipien als integralen Bestandteil in das Geschäftsmodell zu integrieren. Unternehmen sollten transparent über ihre Operationen informieren und lokale Gemeinschaften in Entscheidungsprozesse einbeziehen.

Für Bergbauunternehmen und ihre Lieferanten, die in Bolivien und Chile operieren, gilt: Die Integration von ESG-Prinzipien in die Geschäftstätigkeit sollte in ganz Lateinamerika zum Standard werden. Die folgenden Schritte sind dabei entscheidend:

  1. Integration von ESG-Risiken und -Chancen in Strategien und Abläufe: Unternehmen sollten ESG-Risiken und -Chancen fest in ihre Strategien integrieren und offen mit Stakeholdern kommunizieren.
  2. Verbesserung der Transparenz: Es ist wichtig, Stakeholder über die Ziele und Erfolge von ESG zu informieren.
  3. Aufbau eines Betriebsmodells, das Verantwortlichkeit und Zusammenarbeit fördert: Unternehmen sollten ein Modell schaffen, das klare Governance-Strukturen hat.
  4. Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften: Unternehmen sollten eng mit lokalen Gemeinschaften zusammenarbeiten und sicherstellen, dass ihre Anliegen berücksichtigt werden.


Umsetzung von ESG im Bergbausektor

Um ESG-Regeln für das Bergbauunternehmen und deren Zulieferkette umzusetzen, kann ein Projektmanagementplan mit den folgenden Schritten erstellt werden:

  1. Definition des Projektumfangs: Definieren Sie den Projektumfang, indem Sie die ESG-Risiken und -Chancen identifizieren, die angegangen werden müssen. Dies hilft bei der Identifizierung der für das Projekt erforderlichen Ressourcen.
  2. Identifizierung der Stakeholder: Identifizieren Sie die Stakeholder, die vom Projekt betroffen sein werden. Dazu gehören lokale Gemeinschaften, Mitarbeiter, Aktionäre und andere Stakeholder.
  3. Entwicklung eines Projektplans: Entwickeln Sie einen Projektplan, der die Ziele, Zeitpläne, das Budget und die für das Projekt erforderlichen Ressourcen enthält. Der Projektplan sollte auch die Rollen und Verantwortlichkeiten der Teammitglieder umfassen.
  4. Umsetzung des Projektplans: Setzen Sie den Projektplan um, indem Sie die im Plan identifizierten Aufgaben ausführen. Dies umfasst die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften, die Integration von ESG-Risiken und -Chancen in Strategien und Abläufe, die Sicherstellung von Transparenz und die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften in Entscheidungsprozesse.
  5. Überwachung und Bewertung des Projekts: Überwachen und bewerten Sie das Projekt, um sicherzustellen, dass es auf dem richtigen Weg ist und seine Ziele erreicht. Dies umfasst das Messen der Auswirkungen des Projekts auf lokale Gemeinschaften, Mitarbeiter, Aktionäre und andere Stakeholder.


Durch diese Schritte können Bergbauunternehmen und Lieferanten sicherstellen, dass sie auf sozial verantwortliche und nachhaltige Weise operieren.

Fazit

Bei der Integration von ESG in das Kerngeschäftsmodell geht es nicht nur darum, regulatorische Verpflichtungen zu erfüllen oder beeindruckende Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen. Es geht darum, grundlegend zu überdenken, wie ein Unternehmen arbeitet, um langfristigen Wert für alle Stakeholder zu schaffen. Die führenden lokalen sowie internationalen Manager mit denen ich im Rahmen des Projektes zu tun hatte sprachen konstant davon, dass der Prozeß ein "continuous reframing" sei. Durch das tiefe Einbetten von ESG-Prinzipien in ihre Strategien und Abläufe können Unternehmen Resilienz aufbauen, ihren Ruf verbessern, Innovationen vorantreiben, Talente anziehen und nachhaltige finanzielle Leistungen erzielen. In einer sich ständig verändernden Geschäftswelt ist der Fokus auf ESG nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern ein strategischer Vorteil - wenn im Business Model solide verankert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ESG-Regeln in der Bergbauindustrie wichtig sind, insbesondere im Kontext neuer Bergbauprojekte. Sie tragen dazu bei, sicherzustellen, dass Bergbaupraktiken nachhaltig und sozial verantwortlich sind und dass die Umwelt geschützt wird. Durch die Integration von ESG-Prinzipien in ihre Abläufe können Bergbauunternehmen und deren Lieferantenkette in Bolivien, Chile, Argentinien sowie weiterer lateinamerikanischer Nationen sicherstellen, dass sie auf sozial verantwortliche und nachhaltige Weise operieren. Dieser Ansatz kommt nicht nur der Umwelt und den lokalen Gemeinschaften zugute, sondern stärkt auch die langfristige Lebensfähigkeit und den Ruf der Bergbauindustrie auf dem Kontinent. Durch Transparenz, Inklusion und Zusammenarbeit kann der Bergbausektor die Herausforderungen und Chancen von ESG bewältigen und den Weg in eine nachhaltige Zukunft ebnen.

Frank P. Neuhaus
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