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Automotive: Was kommt nach der Krise?

Die Bewältigung einer Krise ist für viele Unternehmen eine gewaltige Herausforderung. Doch mindestens ebenso wichtig ist die Frage: Was kommt danach? In diesem Beitrag beleuchte ich mögliche Szenarien, die nach der Krise auf Unternehmen warten, und welche Strategischen Entscheidungen sie heute treffen sollten, um für morgen bestens aufgestellt zu sein.

In den letzten Jahren haben zahlreiche Unternehmen auf „Überlebensmodus" geschaltet: Kosten wurden gekürzt, geplante Investition gestoppt, Stellen abgebaut, und die Liquidität wurde bis auf ein Minimum reduziert. Banken gingen teils auf Stillhalteabkommen ein, um Unternehmen über die schwierige Phase zu bringen, dieses aber verbundenen mit zusätzlichen Sicherheiten und herausfordernden Covenants.

Doch was passiert, wenn die Krise vorüber ist? Welche Weichenstellungen sind heute erforderlich, um für die Zeit nach der Krise widerstandsfähig und erfolgreich zu bleiben?

Hier betrachte ich zwei Szenarien:

Im ersten Szenario setzt die Wirtschaft zu einem Aufschwung an, was neue Chancen, aber auch Risiken mit sich bringt, die vielfach stark unterschätzt werden.

Das zweite Szenario beschreibt die nächste Krise, die die Unternehmen erneut fordert.

Für beide Szenarien beleuchte ich den Unterschied zwischen kurzfristiger Überlebensstrategie und langfristiger Zukunftsorientierung und analysiere auch, wie aktuelle und zukünftige Anforderungen wie Künstliche Intelligenz (KI), ESG-Kriterien und die globale Politik die Strategien von Unternehmen beeinflussen.

SZENARIO 1: DER WIRTSCHAFTLICHE AUFSCHWUNG – EIN NEUER START?

Ein wirtschaftlicher Aufschwung nach der Krise erscheint vielen als Hoffnungsbild: Märkte beleben sich und viele Unternehmen sehen eine Gelegenheit, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Doch dieser Neustart bringt nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen, vor allem für Unternehmen, die sich gerade erst durch die Restrukturierung gekämpft haben oder sich noch immer in Sanierungsprozessen befinden.

Chancen im Aufschwung: Der Wettbewerbsvorteil der Effizienz

Ein erfolgreiches Krisenmanagement führt oft zu gestrafften Prozessen und einem schlanken Betrieb. Unternehmen, die während der Krise effiziente Strukturen und kosteneffektive Prozesse eingeführt haben, könnten sich im Aufschwung entscheidende Vorteile verschaffen. Denn wenn die Nachfrage steigt, profitieren diejenigen, die auf Basis einer gesunden, strukturell optimierten Basis skalieren können. Die Unternehmen, die den Krisendruck genutzt haben, um sich zukunftsorientiert aufzustellen, sind in der Lage, schneller zu expandieren und auf Marktveränderungen flexibel zu reagieren.

Genau hier ist aber ein wichtiger Baustein der Neuaufstellung genannt – die Skalierungsfähigkeit.

Weiter eröffnet ein Aufschwung die Möglichkeit, gezielt in zukunftsorientierte Bereiche zu investieren. Unternehmen, die sich während der Krise auf Stabilisierung fokussieren mussten, können nun in Digitalisierung, Nachhaltigkeit und in die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells investieren. Gerade in einer dynamischen Zeit wie der jetzigen sind digitale Geschäftsmodelle und eine nachhaltige Unternehmenskultur Wettbewerbsvorteile, die dauerhaft zur Wertsteigerung beitragen werden.

Risiken im Aufschwung: Schnelle Expansion als Stolperstein

Ein Aufschwung kann jedoch auch zur Falle werden, insbesondere für Unternehmen, die durch die Krise an insbesondere finanzieller Substanz verloren haben. Die Erholung der Nachfrage führt auch zu einem Anstieg der Rohstoff- und Personalkosten, was die Liquidität erneut unter Druck setzen kann. Sollte aufgrund der Krise Personal im erheblichen Umfang abgebaut worden sein, ist die Gefahr groß, dass die Skalierbarkeit für ansteigende Kundenbedarfe nicht gegeben ist. In diesem Fall wird der Aufschwung zur Kostenfalle, da die Bedarfe nur mit erheblichen Zusatzkosten bedient werden können und der Effekt der wirtschaftlichen Erholung verpufft  – ja, sich die Kosten- und Finanzsituation sogar wieder verschlechtert.

In diesem Zusammenhang wird oft der Focus nicht auf die Zahlungsziele der Kunden und Lieferanten gerichtet. Im Krisenfall haben die Lieferanten häufig die Zahlungsziele verkürzt, teils aus eigener schwieriger Situation, teils wegen Vertrauensverlust in die Zahlungsfähig des Unternehmens. Auf der anderen Seite der Pipeline stehen die Zahlungsziele der Kunden, die z.B. in der Automobilindustrie durchaus zwischen 30 und 120 Tagen liegen können. Diese werden auch i.d.R. bis auf den letzten Tag ausgenutzt oder sogar (deutlich) überzogen. Da ja der Absatz in der Krise deutlich geringer war ist jetzt die Cashpipeline stark ausgetrocknet. D.h. das Unternehmen kommt schnell wieder in eine Liquiditätsklemme. Rohstoffe und Personal müssen unmittelbar bezahlt werden. Der Zahlungseingang der Kunden erfolgt wie beschrieben jedoch deutlich verzögert.

Gleichzeitig wächst aber auch der Druck der Kunden, über den Aufschwung Preisreduzierungen zu fordern bzw. vorherige Preiserhöhungen wieder rückgängig zu machen. Da sich die Verhandlungen in solchen Fällen oft über Monate hinziehen, entsteht typischerweise eine hohe Rückzahlungsverpflichtung des Unternehmens an den Kunden. Bei unzureichender Liquiditätskontrolle entstehen daraus zusätzliche Risiken.

Da die meisten Unternehmen auf Fremdfinanzierung angewiesen sind, besteht ebenso das Risiko, dass Banken, Gläubiger und auch Kunden nach dem Aufschwung Rückzahlungen einfordern. Was eine weitere Belastung für die Liquidität darstellt und die Chancen des Aufschwungs gefährdet.

Dies ist ein typischer Fall der Unternehmen, die mit vollen Auftragsbüchern in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, da die Banken i.d.R. entweder zu langsam und/oder nicht willens sind zu reagieren.

All diese Risikofaktoren eines Aufschwunges verlangen schon heute langfristige Sicherungsmaßnahmen, damit der positive Pfad des Aufschwunges nicht in den Abgrund führt.

Kurzfristige Überlebensstrategie versus langfristige Zukunftsausrichtung

Unternehmen, die nur kurzfristig auf Umsatzwachstum setzen, könnten durch den Aufschwung kurzfristig profitieren. Wie bereits beschrieben ist dieses schnelle Wachstum ist oft riskant: Ohne nachhaltige Investitionen und ohne ein klares Zukunftsbild bleibt das Unternehmen anfällig für Schwankungen und neue Krisen. Ein kurzfristig orientiertes Unternehmen hat häufig keine Ressourcen, um in Innovations- oder Zukunftsprojekte zu investieren und wird in einer sich schnell verändernden Wirtschaft langfristig ins Hintertreffen geraten.

Langfristig orientierte Unternehmen hingegen nutzen den Aufschwung, um strategische Investitionen zu tätigen. Sie betrachten den Aufschwung nicht als kurzfristige Gelegenheit, sondern als Basis für die Schaffung langfristiger Stabilität. Ein Unternehmen mit einer klaren Zukunftsvision wird den Aufschwung nutzen, um in Schlüsselbereiche wie Digitalisierung, Mitarbeiterausbildung und nachhaltige Technologien zu investieren, die nicht nur kurzfristige, sondern vor allem langfristige Wertsteigerung und Stabilität versprechen. Ein solches Unternehmen wird auch noch nicht abgeschlossene Restrukturierungsprojekte konsequent zu Ende führen und regelmäßig nach weiteren Effizienzverbesserungen suchen und diese auch konsequent umsetzen.

SZENARIO 2: DIE NÄCHSTE KRISE – NEUE HERAUSFODERUNGEN UND RESILIENZ-STRATEGIEN

Eine alternative, jedoch in der aktuellen Zeit nicht weniger wahrscheinliche Zukunftsvision ist das Szenario einer nächsten Krise, die Unternehmen erneut vor massive Herausforderungen stellt. Die Ursachen könnten vielfältig sein: geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Einbrüche, Umweltkatastrophen oder pandemiebedingte Einschnitte. Für Unternehmen, die sich gerade erst aus der letzten Krise erholen, wäre dies eine besonders schwere Bürde – doch es gibt Wege, um auch in einer solchen Situation widerstandsfähiger zu werden.

Und angesichts der gerade abgeschlossenen Wahlen in USA und dem Bruch der Ampelkoalition in Deutschland erscheint das Heraufziehen einer nächsten Krisensituation als sehr wahrscheinlich.

Notwendigkeit der Resilienz: Agieren statt Reagieren

Unternehmen, die sich auf eine erneute Krise vorbereiten möchten, müssen auf Resilienz setzen. Dies beginnt mit einem strukturierten Risiko- und Krisenmanagement, das die Lehren der aktuellen Krise integriert. Ein zentrales Element ist dabei die Sicherstellung eines ausreichenden Liquiditätspuffers, der dem Unternehmen ermöglicht, auch bei externen Schocks zahlungsfähig zu bleiben. Darüber hinaus sollte die Diversifikation der Einkommensquellen ein strategisches Ziel sein, um das Unternehmen weniger anfällig für Schwankungen in einem spezifischen Markt zu machen.

Ein widerstandsfähiges Unternehmen wird zudem in flexible Geschäftsmodelle investieren und darauf achten, dass die Kernfunktionen agil und anpassungsfähig bleiben. Dabei ist es essenziell, dass alle Bereiche – von der Produktion über den Vertrieb bis hin zur Verwaltung – darauf vorbereitet sind, bei Bedarf kurzfristig umzustellen.

Vergleich: Kurzfristige Maßnahmen versus langfristige Krisenstrategie

Ein kurzfristig denkendes Unternehmen mag im Falle einer erneuten Krise auf Sparmaßnahmen und den Abbau von Kapazitäten setzen. Diese „Notfallreaktionen" können zwar wieder kurzfristig die Kosten senken, führen jedoch oft zum Verlust von Kernkompetenzen und schwächen das Unternehmen langfristig und substanziell. Ein solcher Ansatz bringt zwar eine temporäre Entlastung, ist jedoch nicht nachhaltig.

Langfristig orientierte Unternehmen hingegen setzen auf eine stabile, krisenfeste Struktur. Sie erkennen, dass Krisen wiederkehren und dass vorausschauendes Handeln entscheidend ist. Diese Unternehmen investieren in die kontinuierliche Weiterentwicklung der Belegschaft, schaffen flexible Arbeitszeitmodelle und pflegen solide Beziehungen zu Lieferanten und Partnern, um in einer Krise schnell reagieren zu können. Eine langfristig ausgerichtete Krisenstrategie ist auf Stabilität und Substanz ausgelegt und bietet Unternehmen einen klaren Vorteil gegenüber kurzfristig orientierten Wettbewerbern.

Anforderungen der modernen Welt: KI, ESG-Kriterien und geopolitische Unwägbarkeiten

Die Anforderungen an Unternehmen haben sich in den letzten Jahren drastisch gewandelt. Themen wie Künstliche Intelligenz, ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) und die wachsende Unsicherheit der geopolitischen Lage sind keine „Trendthemen" mehr, sondern zentrale Herausforderungen für das moderne Management.

Zeitgemäße Führung: Ist die „alte" Führungskultur noch aktuell?

In einer zunehmend komplexen Welt wird deutlich, dass die klassische „Profit-maximierende" Denkweise allein nicht mehr ausreicht. Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung sind heute zentrale Erfolgsfaktoren. ESG-Kriterien spielen eine immer größere Rolle und werden nicht nur von börsennotierten, sondern auch von mittelständischen Unternehmen zunehmend als Erfolgsmaßstab betrachtet. Kunden, Investoren und Mitarbeitende erwarten verantwortungsvolles Handeln  – und Unternehmen, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, riskieren, an Bedeutung und damit Aufträge zu verlieren.

Auch die Künstliche Intelligenz bringt neue Möglichkeiten und natürlich auch Herausforderungen. KI bietet enormes Potenzial zur Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung und kann Unternehmen helfen, schneller und besser auf Marktveränderungen zu reagieren. Doch zugleich stellt der Einsatz von KI das Unternehmen vor ethische und datenschutzrechtliche Fragen, die klar geregelt und transparent gehandhabt werden müssen.

Notwendigkeit zur Transformation

Eine resiliente Organisation aufzubauen bedeutet, sich an neue Anforderungen anzupassen. Unternehmen müssen sich den veränderten Rahmenbedingungen stellen und aktiv investieren. In Zukunft wird nur erfolgreich sein, wer flexibel ist, und dies betrifft sowohl die Technologien als auch die Unternehmenskultur. Eine starke, Resilienz-fähige Struktur ist der Schlüssel, um sich in einer immer dynamischeren Welt zu behaupten.

Fazit: Jetzt die Weichen für die Zukunft stellen

Ob es nach der aktuellen Krise zu einem Aufschwung oder einer weiteren Krise kommt, ist mehr als ungewiss. Sicher ist jedoch, dass Unternehmen die Chance haben, aus der aktuellen Krise zu lernen und langfristige Resilienz aufzubauen. Strategische, vorausschauende Planung ist der Schlüssel zum Erfolg. Unternehmen, die heute in eine krisenfeste Struktur investieren, können auf langfristigen Erfolg setzen und sind nicht nur auf die nächste, sondern auf jede künftige Herausforderung und Krise vorbereitet.

Wer die Krise als Chance sieht und die erforderlichen Maßnahmen langfristig und konsequent umsetzt, wird gestärkt hervorgehen und kann einen folgenden Aufschwung zur weiteren Entwicklung des Unternehmens ausnutzen, ist aber auch gleichzeitig deutlich resilienter gegen wieder aufkommende Krisen. 

Jan Beutnagel
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