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Case-Studies und Blogbeiträge von professionellen Interim Managern und Interim Managerinnen

Industrie: Fachkräftemangel in Deutschland – Umdenken für alle Beteiligten

1. Einleitung

Der Fachkräftemangel stellt die deutsche Industrie vor immer größere Herausforderungen. Immer mehr Unternehmen kämpfen darum, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden – ein Problem, das durch den demografischen Wandel und technologische Veränderungen weiter verschärft wird. In der aktuellen wirtschaftlichen Lage Deutschlands, die von Inflation, steigenden Energiepreisen und globalen Konflikten geprägt ist, gewinnt das Thema zusätzlich an Brisanz.

Doch stellt sich die Frage: Ist der vielzitierte Fachkräftemangel tatsächlich Realität oder wird er häufig übertrieben dargestellt? Immer wieder hört man von qualifizierten Menschen, die trotz guter Referenzen und einem tadellosen Lebenslauf Schwierigkeiten haben, eine neue Anstellung zu finden. Die ausgeschriebene Position bleibt oft lange unbesetzt oder wird nach einer Zeit wieder ausgeschrieben. All das sind deutliche Zeichen dafür, dass die optimale Besetzung nicht erfolgt ist. Besonders problematisch erscheint dies für Arbeitnehmende ab 50 oder 60 Jahren, die ja immer noch viele Jahre beruflich aktiv sein könnten. Doch welche Chancen haben diese Mitarbeitenden tatsächlich, und welche politischen und betriebliche Maßnahmen sind nötig, um den Fachkräftemangel abzumildern? Ist der Fachkräftemangel vielleicht noch gar nicht in den Köpfen der operativ handelnden Personen angekommen?

2. Die wirtschaftliche Lage Deutschlands 2024

Deutschland sieht sich 2024 mit einer Vielzahl wirtschaftlicher Herausforderungen konfrontiert. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, steigende Rohstoff- und Energiepreise sowie geopolitische Spannungen belasten die gesamte Wirtschaft, besonders aber die Industrie. Unternehmen stehen vor erheblichen Schwierigkeiten: Sie müssen Kosten senken, während gleichzeitig die Herstellkosten steigen, und sehen sich zusätzlich mit Unterbrechungen in den Lieferketten konfrontiert. Trotz des immer wieder adressierten Fachkräftemangels müssen andererseits erheblich Personalkosten gespart werden, was typischerweise zu Personalabbau führt.

Besonders in den technischen Berufen, die für den Fortbestand der Industrie von entscheidender Bedeutung sind, fehlt es an qualifizierten Fachkräften. Viele Betriebe verlagern daher ihre Produktion ins Ausland, wo qualifiziertes Personal oft einfacher und günstiger zu finden ist. Doch dieser Trend verschärft den Fachkräftemangel in Deutschland weiter.

3. Fachkräftemangel: Ursachen und aktuelle Entwicklungen

Der Fachkräftemangel in Deutschland hat viele Ursachen, die weit über das einfache Problem zu geringer Absolventenzahlen hinausgehen. Besonders in Schlüsselindustrien wie dem Maschinenbau, der Elektrotechnik und der IT fehlen qualifizierte Fachkräfte. Der technologische Wandel, insbesondere die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung, erfordert spezialisierte Kenntnisse, die nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind.

Zudem spielt der demografische Wandel eine bedeutende Rolle. Die Baby-Boomer-Generation tritt zunehmend in den Ruhestand, während nachfolgende Generationen zahlenmäßig kleiner sind und teilweise andere berufliche Interessen verfolgen. Das Bildungssystem in Deutschland ist ein weiterer Faktor: Es schafft es oft nicht, junge Menschen in ausreichender Zahl auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vorzubereiten. Unternehmen sehen sich daher gezwungen, auf alternative Lösungen zurückzugreifen – wie etwa die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland oder die verstärkte Einbindung älterer Arbeitnehmender.

4. Die Situation älterer Arbeitnehmender (50+ und 60+)

In Zeiten, in denen Fachkräfte händeringend gesucht werden, könnte man annehmen, dass ältere Arbeitnehmende, insbesondere jene über 50 oder 60, hoch im Kurs stehen. Doch die Realität sieht oft anders aus. Viele Unternehmen zögern, ältere Mitarbeitende einzustellen, da sie vermeintlich höhere Kosten verursachen – etwa durch längere Urlaubszeiten, gesundheitliche Ausfälle oder höhere Gehälter. Gleichzeitig bestehen Stereotype, die älteren Mitarbeitenden mangelnde Anpassungsfähigkeit an neue Technologien oder geringere Flexibilität zuschreiben.

Dabei wird häufig übersehen, dass ältere Mitarbeitende eine enorme Ressource darstellen. Studien zeigen, dass Menschen heute länger gesund und arbeitsfähig bleiben. Besonders in beratenden oder strategischen Funktionen, wo tiefes Fachwissen und Erfahrung gefragt sind, könnten ältere Arbeitnehmende eine zentrale Rolle spielen. Ihre Erfahrung, ihr tiefes Fachwissen und ihre Loyalität sind entscheidende Faktoren, die Unternehmen helfen könnten, den Fachkräftemangel zu bewältigen. Doch nach längerer Arbeitslosigkeit oder dem Verlust einer Anstellung im fortgeschrittenen Alter ist der Wiedereinstieg oft schwer. Viele müssen erhebliche Kompromisse eingehen – sei es in Form von Einbußn beim Entgelt oder in weniger attraktiven Arbeitsmodellen.

5. Chancen für ältere Arbeitnehmer im Interim Management

Eine besondere Chance für ältere Arbeitnehmende liegt im Wechsel in das Interim Management. Interim Manager und Managerinnen sind auf Zeit in Unternehmen tätig und übernehmen Führungsaufgaben oder spezielle Projekte. Diese Rolle ermöglicht es älteren Führungskräften, ihre umfassende Expertise flexibel und projektbezogen einzusetzen. Gerade ihre Erfahrung und ihr strategisches Denken sind bei kurzfristigen Herausforderungen gefragt.

Allerdings bringt das Interim Management auch Herausforderungen mit sich. Zunächst erfordert es die Fähigkeit, sich in unterschiedlichen Unternehmensstrukturen schnell zurechtzufinden und an wechselnde Anforderungen anzupassen. Darüber hinaus müssen Interim Manager bereit sein, freiberuflich zu arbeiten, was finanzielle Risiken mit sich bringt. Es erfordert eine starke finanzielle und persönliche Basis, da Phasen ohne Mandat überbrückt und verkraftet werden müssen.

Daher ist es für ältere Arbeitnehmer im Interim Management wichtig, sich kontinuierlich weiterzubilden. Programme wie die **Certified Interim Manager (CIM)**-Zertifizierung oder spezialisierte Weiterbildungen in Projektmanagement und Führung können die nötige Qualifikation und Glaubwürdigkeit auf dem Markt bieten. Netzwerke und persönliche Markenbildung spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle, um dauerhaft erfolgreich im Interim Management tätig zu sein.

6. Politische Maßnahmen zur Integration älterer Arbeitnehmender

Die deutsche Politik hat die Problematik des Fachkräftemangels zwar spät erkannt aber immerhin begonnen, verschiedene Maßnahmen zu initiieren, um ältere Arbeitnehmende länger im Berufsleben zu halten. Dazu gehört die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters sowie Anreize für Unternehmen, ältere Arbeitskräfte weiter zu beschäftigen und jetzt aktuell die Bonifizierung bei Arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus. Politikerinnen und Politiker betonen, dass eine verlängerte Lebensarbeitszeit notwendig sei, um das Rentensystem zu stabilisieren und den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen.

Es gibt bereits positive Beispiele für Programme, die ältere Arbeitnehmende erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert haben. Weiterbildungsmaßnahmen und gezielte Förderprogramme helfen dabei, Fachwissen aufzufrischen und an die heutigen Anforderungen anzupassen. Allerdings fehlt es oft an einer flächendeckenden Umsetzung und der Bereitschaft der Unternehmen, diese Programme wirklich zu nutzen. Viele ältere Arbeitnehmende fühlen sich nach wie vor an den Rand des Arbeitsmarkts gedrängt.

7. Arbeiter vs. Angestellte: Wer ist stärker betroffen?

Die Auswirkungen des Fachkräftemangels und die Integration älterer Arbeitnehmender variieren stark zwischen verschiedenen Berufsgruppen. Arbeiterinnen und Arbeiter in der Industrie, die oft körperlich belastende Tätigkeiten ausführen, stehen vor besonderen Herausforderungen. Mit zunehmendem Alter nehmen gesundheitliche Einschränkungen zu und viele dieser Arbeitsplätze sind nicht altersgerecht gestaltet. Die Folge: Ältere Arbeiterinnen und Arbeiter haben es oft schwerer, ihre Aufgaben weiter auszuführen, und werden schneller als „nicht mehr produktiv" betrachtet.

Moderne Technologien und die Digitalisierung könnten helfen, physisch anspruchsvolle Aufgaben zu reduzieren, doch dieser Wandel erfolgt nur schrittweise. Für Angestellte und Fachkräfte, die in Büros oder technisch orientierten Berufen arbeiten, stellen sich andere Herausforderungen. Obwohl ihre Arbeit weniger körperlich fordernd ist, steigen die Anforderungen an digitale Kompetenzen stetig. Viele ältere Arbeitnehmende, die ihre Karrieren in einer analogen Arbeitswelt begonnen haben, müssen sich nun an eine digitalisierte Arbeitswelt anpassen. Oft fehlt es an gezielter Weiterbildung und der Unterstützung durch die Unternehmen. Dennoch haben Angestellte in Bürojobs tendenziell bessere Chancen, länger im Erwerbsleben zu bleiben als ihre Kolleginnen und Kollegen in körperlich anstrengenden Berufen.

8. Manager und Führungskräfte im höheren Alter

Während Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellte häufig mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen haben, stehen ältere Managerinnen und Manager sowie Führungskräfte vor anderen Herausforderungen. In vielen Unternehmen ist das Bild eines jungen, dynamischen Managements tief verwurzelt. Ältere Führungskräfte sehen sich oft mit der Frage konfrontiert, ob sie noch „am Puls der Zeit" sind oder ob ihre Führungsmethoden veraltet wirken.

Dennoch bieten sich gerade in beratenden oder projektorientierten Rollen für ältere Führungskräfte Möglichkeiten, ihre umfassende Expertise und strategisches Denken einzusetzen. Diese Positionen erfordern oft weniger operative Verantwortung, dafür aber tiefes Fachwissen und die Fähigkeit, langfristige Entwicklungen zu antizipieren. Allerdings gehen solche Rollen häufig mit Einkommenseinbußen einher, da sie nicht mehr das Gehaltsniveau klassischer Führungspositionen erreichen. Doch für viele Managerinnen und Manager jenseits der 50 oder 60 ist dies ein akzeptabler Kompromiss, um weiterhin beruflich aktiv zu bleiben und ihren Erfahrungsschatz einzubringen.

9. Geschäftsführer und Unternehmer: Fachkräftemangel und die Rolle älterer Führungskräfte

Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie Unternehmerinnen und Unternehmer befinden sich in einer besonderen Position, wenn es um den Fachkräftemangel und die Integration älterer Arbeitnehmender geht. Einerseits stehen sie selbst unter dem Druck, ihre Unternehmen in einer zunehmend kompetitiven Umgebung zu halten, andererseits spielen sie eine entscheidende Rolle in der Rekrutierung und Personalpolitik. Viele ältere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, die ihre Unternehmen über Jahrzehnte aufgebaut oder geführt haben, verfügen über wertvolle Erfahrungswerte und Netzwerke, die gerade in Krisenzeiten entscheidend sein können.

10. Sind Kompromisse unausweichlich?

Für viele ältere Arbeitnehmende stellt sich die Frage, ob sie in der heutigen Arbeitswelt ohne erhebliche Kompromisse wieder einen Platz finden können. Entgelteinbußen, flexible Arbeitszeiten oder der Wechsel in weniger prestigeträchtige Positionen scheinen oft unvermeidlich. Doch wie realistisch ist es, dass ältere Arbeitnehmende ohne solche Einschnitte wieder Fuß fassen können?

Positive Ansätze zeigen, dass ältere Arbeitskräfte in flexiblen Modellen, wie etwa in Teilzeit oder als Beraterinnen und Berater, erfolgreich tätig sein können. Diese Modelle bieten die Möglichkeit, ihre berufliche Expertise weiterzugeben und gleichzeitig den Anforderungen des Alters gerecht zu werden.

11. Der Fachkräftemangel und die Rentenproblematik

Der Fachkräftemangel hat nicht nur Auswirkungen auf die Industrie und den Arbeitsmarkt, sondern auch auf das Rentensystem. Immer mehr Menschen gehen in den Ruhestand, während gleichzeitig die Zahl der Beitragszahlenden schrumpft. Um diese finanzielle Schieflage zu beheben, diskutiert die Politik immer wieder über eine Anhebung des Renteneintrittsalters.

12. Die Rolle von Weiterbildung und Umschulung

Ein Schlüssel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels liegt in der kontinuierlichen Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmenden. Besonders ältere Arbeitnehmende könnten durch gezielte Schulungen wieder fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Doch es fehlt oft an geeigneten Programmen, die auf die speziellen Bedürfnisse dieser Gruppe zugeschnitten sind. Unternehmen müssen verstärkt in Weiterbildungsmaßnahmen investieren, um ihre Mitarbeitenden auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vorzubereiten. Hier ist eine Öffnung und ein Umdenken von allen Beteiligten entscheidend. Das Prinzip des "lebenslanges Lernens" muss aktiv gefördert, eingefordert und akzeptiert werden.

13. Einfluss der Digitalisierung auf die Chancen älterer Arbeitnehmender

Die Digitalisierung hat das Potenzial, sowohl als Bedrohung als auch als Chance für ältere Arbeitnehmende zu wirken. Auf der einen Seite führt sie dazu, dass viele traditionelle Berufe durch automatisierte Prozesse ersetzt werden. Auf der anderen Seite eröffnet die digitale Transformation jedoch neue Möglichkeiten, sich in weniger körperlich belastenden Berufen zu engagieren oder in beratende, strategische Rollen zu wechseln.

Ein entscheidender Faktor ist die Bereitschaft, sich auf neue Technologien einzulassen. Die zunehmende Digitalisierung erfordert ein Umdenken in der gesamten Belegschaft, doch ältere Arbeitnehmende, die sich diesen Anforderungen stellen, könnten langfristig von den Chancen der Digitalisierung profitieren.

Fazit

Der Fachkräftemangel in Deutschland bleibt eine komplexe Herausforderung, die sich nur durch ein Umdenken in der Personalpolitik und gezielte Investitionen in Weiterbildung und Flexibilität bewältigen lässt. Ältere Arbeitnehmende bieten ein enormes Potenzial, das in vielen Branchen noch unterschätzt wird. Es gilt, ihre Erfahrung und Expertise besser zu nutzen, anstatt sie aufgrund von Vorurteilen oder falschen Annahmen außen vor zu lassen.

Unternehmen sollten systematisch in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren, um die digitalen Kompetenzen älterer Arbeitnehmender zu fördern und diese länger im Arbeitsmarkt zu halten. Gleichzeitig muss die Politik steuerliche Anreize schaffen, um Unternehmen zu motivieren, ältere Mitarbeitende einzustellen und weiterzubilden. Auch das Bildungssystem sollte Programme entwickeln, die lebenslanges Lernen unterstützen und so zur Bekämpfung des Fachkräftemangels beitragen.

Aber auch die Arbeitnehmenden müssen umdenken und selbst aktiv werden, indem sie sich selbst weiterbilden, in ihre Netzwerke investieren und aufgeschlossen für die neuen Anforderungen der Arbeitswelt sind und diese nicht als Bedrohung, sondern als Chance erkennen.

Jan Beutnagel
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