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Vier kritische Aspekte, wenn Sie Ihr Business in Mittel- und Osteuropa (CEE) starten wollen
In meiner beruflichen Erfahrung in verschiedenen Ländern in CEE in den letzten gut 20 Jahren hatte ich es immer wieder erlebt, daß Firmen aus Westeuropa oder Nordamerika die gleichen Fehler machen oder aber verwundert über die gleichen Herausforderungen stolpern.
In diesem Beitrag möchte ich eine kleine Hilfestellung für Personen und Firmen geben, die bisher keine Erfahrungen in CEE mit HR-Themen hatten, aber überlegen oder planen, in dieser Region Aktivitäten zustarten.
CEE bedeutet hier regional die tschechische und slowakische Republik, Ungarn, Polen, Bulgarien und Rumänien.
Alle dieser Länder sind seit 2004 bzw. 2007 EU-Mitglieder und es haben in den letzten ca. 32 Jahren massive Änderungen und Entwicklungen stattgefunden. Und doch wäre es ein fataler Fehler, Erfahrungen und Vorgehensweisen aus Westeuropa ohne lokale Anpassungen in diesen Ländern einzuführen.
Jedes Land ist für sich speziell und anders – mit einer eigenen Geschichte, Sprache und Kultur. Trotzdem finden sich gewisse Parallelen und Gemeinsamkeiten, deren Kenntnis für eine erfolgreiche Geschäftsaktivität aus HR-Sicht hilfreich sind.
1. Personalkosten
Grundsätzlich findet sich in allen Ländern der Region ein massives Einkommens- und Lohnkostengefälle zwischen den Hauptstädten und dem „Rest des Landes". In den Hauptstädten gibt es für viele Berufsgruppen bereits Gehälter, die dem Gehaltsniveau in Westeuropa nahekommen oder dieses im Einzelfall bereits übersteigen. Das gilt z.B. für IT-Spezialisten in Bratislava. Deren Gehälter übersteigen vielfach vergleichbare Gehälter in Wien. Von solchen extremen Beispielen abgesehen, ist das Gehaltsniveau allerdings noch meistens weit unter dem westeuropäischen Niveau.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß in den letzten 32 Jahren sowohl die Preise als auch die Gehälter stark gestiegen sind und das Leben in der Region nicht mehr „billig" ist, wie es Anfang der 1990er Jahre der Fall war. Denn wenn man das Gehalt z.B. eines "normalen" Angestellten sieht, darf man nicht vergessen, daß vielfach die Preise, vor allem importierter Waren, teilweise das Niveau von Westeuropa haben.
2. Konzentration auf Hauptstadt-Regionen
Wie bereits erwähnt, gibt es in allen Ländern im Fokus eine Konzentration auf die Hauptstadt und deren Umgebung. Meistens sind in den Hauptstädten die Zentralen internationaler Konzerne zu finden, ebenso Branchen, die eine Nähe zu staatlichen Stellen haben, z.B. Beratung, Banken.
In den letzten 10-15 Jahren haben sich aber viele kleinere, regionale Zentren entwickelt, in denen bestimmte Tätigkeiten innerhalb des Landes konzentriert sind. Das sind z.B. Siebenbürgen in Rumänien, Brno und Ostrava in Tschechien, Kosice in der Slowakei und Südpolen, rund um Krakau und Katowice in Polen.
In der Wahrnehmung vieler internationaler Firmen besteht das Land oft nur aus der Hauptstadt - die folglich im Fokus ist. Aber der Rest des Landes wird leider oft vergessen.
3. Rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen
Trotz vielfältiger Modernisierungen in der öffentlichen Verwaltung und massiven Investitions- und Schulungsprogrammen, hinkt die öffentliche Verwaltung in den meisten Ländern dem Standard in Westeuropa hinterher.
Konkret zeigt sich das z.B. bei der Digitalisierung von Dokumenten. In Deutschland oder Österreich ist es inzwischen bereits möglich, einen Großteil der Behördenwege mithilfe z.B. einer digitalen Signatur elektronisch zu erledigt und Dokumente digital zu speichern.
Ich kenne aus Polen oder der Slowakei Beispiele, wo elektronische Dokumente ausgedruckt und händisch unterschrieben werden musste, um sie danach rechtsgültig zu speichern.
Das führt des Öfteren zu Unverständnis in vielen westeuropäischen Firmen angesichts dieser veralteten und formalistischen Prozesse.
4. Talent-Knappheit und Erwartungen der „Jungen"
Durch die regionale Zentralisierung bestimmter Firmen, z.B. Service-Center in Rumänien, Automobilhersteller und -zulieferer in der Slowakei oder IT in Brno, stehen Investoren heute vor dem strategischen Dilemma, in bestimmten Regionen nur wenig verfügbare Arbeitskräfte mit bestimmten Qualifikationen zu finden. Das führt zu einem Druck auf die Gehälter und die Verbleibedauer der Mitarbeiter im Unternehmen. Je größer die Nachfrage für bestimmte Profile in bestimmten Regionen ist, desto größer auch die Motivation, den Arbeitgeber für vermeintliche „peanuts", z.B. eine minimale Gehaltserhöhung oder irgendwelche Benefits, zu wechseln.
Dieses Verhalten und die damit verbundene hohe Fluktuation ist für die meisten Firmen aus Westeuropa unbekannt. Wir hatten vor einigen Jahren in einer IT-Firma in der Slowakei die Situation, daß wir unter unseren Spezialisten eine Fluktuation von ca. 20 % hatten. Für die Zentrale in Deutschland war das völlig unbekannt, denn dort bewegte sich die vergleichbare Zahl bei ca. 5-7%. Erst der Hinweis, daß das Marktbenchmark noch höher lag, führte zur Beruhigung. Durch eine professionelle Analyse der Zahlen und die Erarbeitung konkreter Maßnahmen konnten wir eine Stabilisierung der Mitarbeiter-Fluktuation erreichen.
Ein weiterer Punkt zu diesem Thema ist die Freizügigkeit seit dem EU-Betritt. In den ersten 7 Jahren nach den Beitritten hatten die meisten Länder, bis auf vor allem Großbritannien und Irland, die Freizügigkeit ausgesetzt. Aber seit 2011 bzw. 2014 kann sich jeder Bürger dieser Länder in jedem Mitgliedsstaat niederlassen und dort arbeiten. Das führte vor allem in grenznahen Gebieten dazu, daß viele Menschen sich entschieden, z.B. in Deutschland oder Österreich zu arbeiten. Es bewirkte aber auch, daß es für viele Menschen einfacher wurde, internationale beruflichen Karrieren z.B. in großen Konzernen zu verfolgen.
So entstand die Situation, daß es in manchen Regionen eine Knappheit an bestimmten Berufsgruppen gibt oder aber die Gehälter massiv steigen. Andererseits finden Sie Mitarbeiter, die bereits in mehreren Ländern gelebt und gearbeitet haben und ein entsprechendes „Mindset" mitbringen.
Diese Gruppe ist auch oft der Kern einer bürgerlichen Mittelschicht, welche in den letzten Jahren in praktisch allen Ländern entstand und vom Lebensstil und den Herausforderungen vergleichbaren Bevölkerungsgruppen in Westeuropa gegenüber absolut vergleichbar ist.
Paul Stricker
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