Ein Gespräch von Melanie Heßler, Management Leaks in Hamburg, mit Jürgen Becker, Geschäftsführender Gesellschafter der UNITEDINTERIM GmbH in Küsnacht (CH) und Insider im Interim-Business seit 2003.

Melanie Heßler: Was treibt Manager oder Managerinnen dazu, einen sicheren Job aufzugeben, um sich als Interim Manager zu betätigen?

Jürgen Becker: Wenn wir davon absehen, dass es im heutigen Umfeld ohnehin keinen „sicheren“ Job gibt, dann unterscheiden wir zwei völlig unterschiedliche Gruppen:

Das eine sind Zeitgenossen, die glauben, bevor sie gar keine Arbeit finden, sei es besser, Interim Management zu machen und von dort aus zu versuchen, eine feste Anstellung zu finden. Aus meiner Sicht ist dieses Vorhaben, das in der Zeitarbeit oft anzutreffen ist, im Interim Management in aller Regel zum Scheitern verurteilt: Das Angebot an professionelle Interim Managern ist inzwischen zu hoch ist, als dass solche Menschen im professionellen Interim-Geschäft eine Chance hätten, Aufträge zu erhalten.

Die zweite Gruppe ist hochqualifiziert und entscheidet sich ganz bewusst für eine Karriere im Interim Management. Die Treiber dahinter sind unterschiedlich. Sie reichen von „mehr Freiheit und mehr Selbstbestimmung“ bis dahin, dass diese Gruppe es satthat, ihre Zeit mit Politik, PowerPoint- und Meeting-Orgien zu verplempern. Diese Gruppe ist oftmals durch eigenen Cashflow, Abfindungen oder Erbschaften (im Extremfall alles gemeinsam) finanziell gut ausgestattet und kann sich daher die Arbeit zum großen Teil aussuchen. Darüber hinaus erkenne ich in dem Bestreben, von „überbezahlten Dünnbrettbohrern“ (Zitat aus der Praxis) nicht mehr abhängig beschäftigt zu sein, einen ganz enormen und häufig genannten Motivator dafür, ins Interim-Geschäft einzusteigen. Ich bin auf diesen Komplex gleich zu Beginn des Videos „Outplacement oder Interim Management? Oder beides?“ eingegangen.

Melanie Heßler: Mit welchen Vorstellungen kommen Interim Manager zu Ihnen, um sich vermitteln zu lassen?

Jürgen Becker: UNITEDINTERIM vermittelt nicht, sondern unterstützt die Interim Manager und Managerinnen in deren Eigenvertrieb – und das kräftig! Wieder müssen wir zwei Gruppen unterscheiden: Die erste Gruppe erwartet, dass sie einen CV hochlädt und wir innerhalb weniger Wochen einen Kunden mit einem Mandat bringen. Das ist in etwa so realistisch, als wenn Sie zu einer Partneragentur gehen und erwarten, im nächsten Monat heiraten zu können.

Die zweite, gottlob größere Gruppe, erwartet, dass wir sie als Kunden professionell und fair behandeln und nachweisen, was wir tun. Sie erkennt, dass sie das, was UNITEDINTERIM in der digitalen Welt leistet, nicht selbst auf die Beine stellen können.

Sie wollen also nicht eine Art neue abhängige Beschäftigung, indem sie auf Provider setzen, sondern sie setzen konsequent auf die Selbst-Vermarktung. Sie suchen den Zugang zu Kunden, die auf digitalem Weg ihre Interim Manager und Managerinnen suchen, denn das werden ja immer mehr – zudem die „Corona-Krise“ vor wenigen Jahren die digitale Ausrichtung nachhaltig beschleunigt hat. Und selbstredend erwarten auch sie irgendwann ein Mandat. Aber der große Unterschied lautet: UNITEDINTERIM ist der digitale Teil ihrer eigenen Vertriebsstrategie! [Video: Die 4 Vertriebskanäle für Interim Manager]

Melanie Heßler: Was raten Sie Managern, die sich mit dem Gedanken tragen, Interim Manager zu werden?

Jürgen Becker: Zunächst, mit möglichst vielen Marktteilnehmern im Vorfeld zu reden und ihr Vorhaben gut zu durchdenken, denn ihr Leben wird sich komplett ändern! Es wird sich völlig ändern, weil sie ab dann tatsächlich als Unternehmer tätig sein werden – und das ist eine ganz andere Nummer, als das geschmeidig im CV zu behaupten! Und zwei Dinge ganz deutlich vorab:

  1. Wenn Neueinsteiger nicht mindestens neun, besser zwölf Monate ohne Einkommen überstehen können, sollten sie den Gedanken an Interim Management besser verwerfen. Wenn sich Menschen Sorgen um ihr finanzielles Überleben machen, können sie einfach nicht unabhängig agieren – und Kunden spüren das.
  1. Sie müssen lernen, sich selbst zu verkaufen – und das gewohnte „Bewerben“ völlig aus dem Hinterkopf verdrängen. Sie müssen sich fragen: Was ist meine besondere Leistung für den Kunden? Worin bin ich wirklich gut und besser als andere? Und: Wer würde das kaufen – und warum dann ausgerechnet von mir? Und nicht von einem der zahlreichen Interim Manager und Managerinnen, mit denen ich im Wettbewerb stehe? [Video: Wie mache ich meinen CV zum Verkaufsprospekt in eigener Sache?]

Glauben Sie mir: Die allermeisten Einsteiger haben sich mit diesen beiden grundsätzlichen Herausforderungen gar nicht beschäftigt und vor allem beim zweiten Thema nicht den Schimmer einer Ahnung, wie sie das lösen können.

Dann, ganz wichtig: Prüfen Sie intensiv und kritisch, wie stark das eigene Netzwerk ist, aus dem heraus Sie Geschäfte akquirieren können. Denn, gleichgültig, ob wir nun UNITEDINTERIM heißen oder sonst wie: Vertriebspartner können das eigene Netzwerk des Interim Managers nur ergänzen, niemals ersetzen. Mit anderen Worten: Ohne eigene aktive Vertriebstätigkeit wird ein Interim Manager nur in seltenen Fällen erfolgreich sein können. Und ohne ein belastbares, eigenes Netzwerk ist das ein sehr hartes Brot. Gerade am Anfang.

Etwa zwei Drittel, so schätzen Marktteilnehmer, des gesamten Interim-Geschäfts geht auf die Eigenakquisition der Interim Manager zurück. Und nehmen Sie fest in den Hinterkopf: Vertrieb arbeitet heute gleichermaßen auf analogem und auf digitalem Wege. Wenn Sie auf einen der beiden Wege verzichten, reduzieren Sie Ihr Potenzial dramatisch!

Melanie Heßler: Was muss ein erfolgreicher Interim Manager mitbringen? Was macht einen guten Interim Manager aus?

Jürgen Becker: Aus meiner Sicht sind das vier Punkte:

  1. Als Grundlage muss er oder sie, auch wenn es nicht gern ausgesprochen wird, weitgehende finanzielle Unabhängigkeit mitbringen. Es ist in der Praxis kaum möglich, auf Augenhöhe mit Entscheidern zu verhandeln und souveräne, erstklassige Arbeit abzuliefern, wenn die Gedanken damit beschäftigt sind, wie die nächste Rate fürs Eigenheim zu zahlen ist.
  1. Interim Professionals müssen top qualifiziert sein, also in ihrem Fachgebiet erstklassige Arbeit unter Projektbedingungen liefern können – denn der harte Wettbewerb verzeiht keine Durchschnittlichkeit. Oder anders formuliert: Interim Manager verkaufen Wissen – am besten: Spezialistenwissen. Nicht etwa Erfahrung. Es kann niemanden verwundern, dass derzeit das Thema "Künstliche Intelligenz" bedeutend wird.
  1. Ein Interim Manager muss so etwas wie ein „Self-Starter“ sein – und bereit sein, unter „ungewöhnlichen“ Umständen zu arbeiten. Auf die Unterstützung durch eine Assistenz wird kein professioneller Interim Manager hoffen. Ebenso ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein Interim Manager beim Klienten zunächst nur dank seiner eigenen Infrastruktur arbeitsfähig ist, die er in weiser Voraussicht mitgebracht hat. Und kein Interim Manager wird warten, bis er eingearbeitet ist oder bis ihm Arbeit zugeteilt wird. Ein professioneller Interim Manager weiß aus der Fülle seiner umfangreichen Erfahrung, was zu tun ist. Letztlich ist ein Interim Manager ein Mensch, der seine Selbständigkeit liebt und auf gar keinen Fall in einem hierarchischen oder politisch geprägten Unternehmen als Angestellter – mehr – arbeiten möchte. Sein Preis dafür sind der 10-12 Stunden-Tag und der ewige Kampf um das Folgeprojekt.
  1. Und als Königsdisziplin: Die Fähigkeit, sich selbst als Marke zu definieren und zu pflegen und auf diese Weise Bekanntheit bei der richtigen Zielgruppe aufzubauen. Das ist dann die hohe Schule des professionellen Marketings und Vertriebs in eigener Sache.

Melanie Heßler: Was erwarten Unternehmen von einem Interim Manager?

Klienten, die einen Interim Manager beschäftigen, befinden sich regelmäßig in einer besonderen Situation – nicht zwangsläufig in einer Krisensituation: Ganz und gar nicht! Jedoch: In dieser besonderen Situation soll der Interim Manager helfen. Klienten wollen deshalb durch den Interim Manager die Situation zum Positiven ändern, auf gar keinen Fall aber ihr Risiko in dieser besonderen Situation noch erhöhen.

Daraus leitet sich ab, dass ein Interim Manager stets umfangreiche Erfahrungen und nachweisbare Erfolge in einer vergleichbaren Aufgabe und meist den Stallgeruch der Branche des jeweiligen Klienten mitbringen muss. Quereinsteiger tun sich in der Praxis deshalb in aller Regel schwerer als gemeinhin angenommen wird, auch wenn die Lehrbücher – und ich auch – unverdrossen empfehlen, von anderen Branchen zu lernen.

Gleiches gilt für die Linienfunktion, die der Klient abdecken möchte: Wenn ein CFO benötigt wird, dann ist ein General Manager eben nur zweite Wahl – ja, ich gehe so weit zu sagen: Er kommt heute nicht einmal mehr auf die Short-List. In der Praxis sind dies dann auch die beiden wichtigsten Kriterien, die ein Interim Manager erfüllen muss: Linien- und Branchenerfahrung. Alle anderen folgen mit deutlichem Abstand.

Eine Ausnahme hat sich inzwischen jedoch herausgebildet: Für Mandate im Ausland sind fließende Kenntnisse der jeweiligen Landessprache inzwischen eine Standardanforderung. Und dann muss ein Kandidat halt Polnisch, Tschechisch oder gar Mandarin sprechen, um eine Chance zu haben – so hart das klingen mag.

Unterschätzen Sie zudem nicht die Bedeutung von professionellem Kommunikationsverhalten und – ja: Empathie!

Melanie Heßler: Welche Rolle spielt das Alter? Wie hoch ist das Durchschnittsalter? Spielt es überhaupt noch eine Rolle?

Jürgen Becker: Das Durchschnittsalter ist über die vergangenen Jahre etwas gesunken, scheint sich jedoch inzwischen bei um die 50 Jahre eingependelt zu haben. Aus meiner Sicht ist das beste Alter für einen Interim Manager zwischen 40 und gut 65 Jahren. Darunter nehmen die Klienten den Interim Managern und Managerinnen nicht ab, dass sie über genügend Erfahrung verfügen, Projektmanagement vielleicht ausgenommen; je mehr die 65 Jahre überschitten werden, um so mehr gelten sie dann überraschender Weise auch heute noch gern einmal als zu alt – von Ausnahmen einmal abgesehen.

In jüngerer Zeit wird die bisher unantastbare Erfahrung jedoch mitunter hinterfragt. So gibt es Kunden, die fragen, was 30 Jahre Berufserfahrung wert sind, wenn der Interim Manager keine Erfahrung in den aktuell gefragten Themen hat. Natürlich fallen da sofort die Begriffe Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Additive Fertigung. Versuchen Sie mal, Interim Manager oder Managerinnen zu finden, die in diesen Themen nachweislich und langjährig erfahren sind!

Melanie Heßler: Reichen gute Kontakte alleine aus, um an Aufträge zu kommen?

Jürgen Becker: Nein, sicher nicht. Kontakte hat jeder, der nicht völlig von der Rolle ist. Schauen Sie sich LinkedIn an und Sie werden staunen, wer alles wen kennt. Jedoch: Jemanden zu kennen, bringt noch lange kein Geschäft!

Die eigenen geschäftlichen Kontakte gründen ganz überwiegend auf der Funktion, die der festangestellte Manager im Unternehmen bisher innehatte. Mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen geht dann diese Funktion unter und damit ist der Mensch dahinter für die bisherigen Geschäfts-Kontakte in aller Regel weniger wert – so hart das klingen mag.

Kontakte sind wertvoll für das Interim Management, wenn sie zu echten Entscheidern bestehen oder zu Menschen, die sich mit den gleichen Themen beschäftigen – in unserem Fall: Angebot von und Nachfrage nach freiberuflichen Spezialisten.

Am Ende kommen Sie jedoch an dieser Tatsache nicht vorbei: Sie müssen Vertrieb in eigener Sache machen. Sie brauchen eine klare Vertriebsstrategie: Für die analoge Welt mit all den persönlichen Kontakten – und die digitale Welt mit all den Effizienzvorteilen und Skaleneffekten. [Video: Die 4 Vertriebskanäle für Interim Manager]

Melanie Heßler: Wie können und sollten sich Interim Manager fortbilden?

Jürgen Becker: Selbstverständlich müssen sich auch Interim Manager fortbilden, denn auch deren Wissen verfällt in immer kürzeren Zyklen. Ganz persönlich habe ich nicht das Gefühl, als würde die Mehrheit der Interim Manager das auch so sehen.

Eher habe ich den Eindruck, dass erstaunlich viele Interim Manager davon überzeugt sind, dass das, was sie mitbringen, für die Ewigkeit halten wird. Ich halte das für extrem gefährlich. Das glauben Sie nicht? Dann suchen Sie mal einen Interim Manager, der in der Additiven Fertigung fit ist!

Melanie Heßler: Gibt es Fälle, in denen ein Interim Manager versagt bzw. keinen guten Job gemacht hat? Woran hat es gelegen?

Jürgen Becker: Gibt es sicher, trotz des ganzen unsäglichen Helden- und Retter-Geblubbers, das auch heute noch in der Presse üblich ist: Denn auch Interim Manager und Managerinnen sind keine Übermenschen! Meines Wissens sind solche Situationen jedoch recht selten. Wenn es vorkommt, dann lag der Grund meistens darin, dass bei der Auswahl des Interim Managers bestimmte Entscheidungskriterien noch nicht bekannt waren. Oder erst mit Aufnahme der Tätigkeit kamen Herausforderungen ans Tageslicht, die niemand vorhergesehen hatte.

Melanie Heßler: Wie hoch ist die durchschnittliche Auslastung eines Interim Managers pro Jahr?

Jürgen Becker: Bis vor einigen Jahren war diese Frage kaum seriös zu beantworten. Seitdem der AIMP auch diese Daten erhebt, kann ich guten Gewissens sagen: Die typische Auslastung eines Interim Managers bewegt sich in einer Spanne zwischen 130 und knapp 160 Tagen im Jahr. Aber Achtung: Ich kenne Interim Manager, die sind weit mehr als 200 Tage ausgelastet – ich kenne aber auch Interim Manager, die sind froh, wenn sie für 60 Tage Rechnungen stellen können.

Melanie Heßler: Wie hoch sollte die Auslastung sein, um überleben zu können?

Jürgen Becker: Das hängt stark von der individuellen Situation des Interim Managers ab, genauer: Wie hoch der regelmäßige Cash-Outflow ist, den der Interim Manager bedienen muss und wie weit er auf seine Rücklagen zurückgreifen will oder kann.

Wenn wir auch hier die Daten des AIMP verwenden und den für 2023 genannten durchschnittlichen Tagessatz von 1.240 Euro sowie die durchschnittliche Auslastung von 130 Tagen ansetzen, dann kommen wir selbst im sicherlich nicht einfachen Jahr 2023 auf gut 161.000 Euro – abzüglich aller Kosten. Damit wird man im Normalfall gut klarkommen können, denke ich. Die Asse mit einer Auslastung von über 200 Tagen und auch höheren Tagessätzen kommen so auf 250.000 Euro und mehr.

Während die Interim Manager typischerweise besonderen Fokus auf ihren eigenen Tagessatz legen, empfehle ich, mehr Gewicht auf die Auslastung zu legen: Dieser Hebel ist typischerweise der größere.

Melanie Heßler: Wie gehen Interim Manager mit den Leerzeiten zwischen zwei Projekten um – oder was sollten sie tun?

Jürgen Becker: Leerzeiten sollten für Erholung und Urlaub, Weiterbildung, Akquisition und Kontaktpflege sowie Hobbies genutzt werden. Und genau das tun die meisten Interim Manager auch. [Video: Wie Sie als Interim Manager auf eine wirtschaftliche Schwäche reagieren]

Melanie Heßler: Mit welchen Ängsten kämpfen Interim Manager?

Jürgen Becker: Wenn sie nicht finanziell völlig unabhängig sind, dann ist die wesentliche Angst die Existenzangst. Die Angst davor, keine Mandate mehr zu bekommen und dass irgendwann auch das eigene finanzielle Polster aufgebraucht ist. Wenn ich meine Gespräche mit Interim Managern als Grundlage nehme, dann dürfte das für die meisten Interim Manager zutreffen – von Ausnahmen einmal abgesehen. Bemerkenswerter Weise habe ich noch keinen Interim Manager getroffen, der Sorge gehabt hätte, irgendwann einmal fachlich nicht mehr gut genug zu sein: Das sehe ich – wie bereits erwähnt – durchaus kritisch.

Melanie Heßler: Sie sprachen davon, dass eigene Vertriebsanstrengungen elementar wichtig sind: Was raten Sie hier Interim Managern?

Sie müssen komplett umdenken, sofern Sie nicht aus dem Vertrieb kommen: Denn so gut wie alle Neueinsteiger ins Interim Management sind noch immer der festen Überzeugung, man müsse im Kern nur den Begriff „Interim Manager“ über den bisher verwendeten CV nageln und neben stets „verhandlungssicherem Englisch“ mit Grundkenntnissen in einer weiteren Fremdsprache glänzen: Und dann klappe das schon! Jeder Profi wird Ihnen bestätigen: So funktioniert das mit Sicherheit nicht!

Das geht noch viel weiter! Denn genau betrachtet, brauchen Interim Manager eine Vertriebs-Strategie, die beide Kanäle abdeckt: Den analogen und den digitalen! [Video: Die 4 Vertriebskanäle für Interim Manager]

Aber zunächst müssen Sie Ihren CV als Grundlage für Ihren gesamten Vertrieb verstehen! Als Ihren „Verkaufsprospekt in eigener Sache“. Gut gemacht im Layout, aussagekräftig für Ihre potentiellen Kunden und lesefreundlich – um nicht zu sagen: Das Lesen muss Freude machen! [Video: Wie mache ich meinen CV zum Verkaufsprospekt in eigener Sache?]

Gemessen daran kann ich vieles, was mir auf den Tisch kommt, leider nur als unterirdisch bezeichnen.

Melanie Heßler: Was heißt das konkret?

Konkret heißt das: Wenn Sie kein Spezialist im Schreiben verkaufsorientierter Dokumente sind, dann holen Sie sich halt einen solchen Spezialisten an Ihre Seite. Der wird Ihnen helfen, Ihr gesamtes, nennen wir´s, Vertriebs-Paket aus einem Guss zu gestalten. Hierzu gehört neben dem CV auch die Website – und bei den Könnern auch z. B. Twitter, XING und LinkedIn. Hinzu kommen persönliche Videos. Der Erfolg von YouTube zeigt, wie wichtig solche audiovisuellen Botschaften sind. Selbstverständlich umfasst das UNITEDINTERIM-Netzwerk auch solche Spezialisten, die hier helfen können.

Melanie Heßler: Das bedeutet im Klartext Investitionen des neuen Interim Managers in sein neues Geschäft?

Jürgen Becker: Aber sicher – und in welchem Geschäft wäre das wohl anders? Ein Interessent für eine Karriere im Interim Management, der der Meinung ist, er könne durchschnittlich fast 1.250 Euro am Tag einstreichen, ohne ein paar Mittel anzufassen, um genau dort hinzukommen, der sollte vielleicht sein Weltbild noch einmal überprüfen.

Melanie Heßler: Was sind die Do`s and Dont`s für Interim Manager?

Jürgen Becker: Das ist sehr schwer zu beantworten. Jedoch gibt es ein klares „Don´t“: „Unprofessionelles Verhalten“. Hierzu gehören ganz besonders Unehrlichkeiten und das Nicht-Einhalten von Zusagen. Und ich wähle hier bewusst diesen Begriff, der das Verb „sagen“ beinhaltet – nicht „schreiben“.

Melanie Heßler: Gibt es Kriterien, auf die Auftraggeber generell besonderen Wert legen?

Jürgen Becker: Zu den Kriterien gehören ganz sicher der direkte und schnelle Zugang zu aussagekräftigen und untereinander vergleichbaren Informationen über die Interim Manager. Hierzu gehören übrigens auch belastbare und vergleichbare Informationen über die Softskills der Interim Manager – die weit über ein „Ich kenn´ den!“ hinausgehen. [Video: Wie bildet eine moderne Plattform Ihre Persönlichkeit ab?]

Hier geht es darum, möglichst schnell – ich rede hier von Minuten, nicht von 48 Stunden! – einordnen zu können, ob sich ein erstes Telefonat oder inzwischen eine erste Video-Konferenz mit dem Interim Manager lohnt – vor der Entscheidung für oder gegen ein persönliches Gespräch. [Video: Was bringt UNITEDINTERIM für Unternehmen?]

Melanie Heßler: Wie viel Zeit verstreicht in der Regel zwischen Anfrage und den nächsten Schritten?

Jürgen Becker: Das schwankt wohl zwischen den Minuten bei UNITEDINTERIM – wenn der Kunde schnell ist – und einigen Wochen, von denen Provider berichten.

Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Reaktionszeiten auf der Kundenseite in den vergangenen Jahren spürbar länger geworden sind. Wichtig ist: Der Zeitraum unmittelbar nach der Anfrage ist durch erhebliche Interaktionen zwischen Kunde und Interim Manager gekennzeichnet. Die Erfahrung aus langen Jahren zeigt: Wenn eine solche Interaktion nicht stattfindet, dann löst sich ein solches Projekt in aller Regel in Luft auf!

Melanie Heßler: Werden Interim Manager im Unternehmen nicht als Fremdkörper gesehen?

Jürgen Becker: Das sehe ich nicht so. Gruppendynamisch betrachtet, wird der Interim Manager eher behandelt wie jeder andere neue Mitarbeiter auch. Man erwartet auf der Haben-Seite frischen Wind und neue Ideen – und ist auf der Soll-Seite bereit, sich auf den Neuen oder die Neue einzustellen. Häufiger als man denkt, kommt es jedoch vor, dass der Interim Manager in die Rolle des „Heilbringenden Messias“ gedrängt wird – nach dem Motto „Endlich passiert hier mal was!“ Die Gefahr, dass ein Interim Manager am Widerstand der Mitarbeiter scheitert, ist extrem gering – und auf keinen Fall höher als für jeden anderen fest angestellten Manager auch.

Melanie Heßler: Was kann ein Interim Manager tun, um die Mitarbeiter für sich zu gewinnen?

Jürgen Becker: Das klassische Programm: Respektvoller Umgang mit allen, offen kommunizieren, die richtigen Signale setzen („Ich bin hier, um zu arbeiten – nicht, um zu reden oder Politik zu betreiben!“) und authentisch sein.

Melanie Heßler: Wann wird ein Interim Manager zum Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen?

Jürgen Becker: Aus meiner Sicht fast immer. Ich nehme jedoch Erkenntnislücken wahr bei Unternehmen, die einen Interim Manager vornehmlich aus der Kostensicht betrachten. Jeder Interim Manager hat aus der bisherigen Arbeit zahlreiche Anregungen im Gepäck, die smarte Unternehmen für sich nutzen. Die beliebte Eröffnungsfrage solcher Unternehmen lautet: „Geben Sie uns doch mal ganz generell Ihr Feedback als Außenstehender zu dem, was wir hier so tun!“

Melanie Heßler: Welchen Mehrwert bringt ein Interim Manager für das Unternehmen? Ist dieser messbar? Gibt es Durchschnittswerte?

Jürgen Becker: Ganz sicher bringt jeder Interim Manager Mehrwerte für das Unternehmen und das Unternehmen sieht das auch so – anderenfalls würde es den Interim Manager nicht holen. Die Mehrwerte lassen sich grundsätzlich messen, nur: kaum einer misst sie!

Ein Interim Manager liefert stets einen von zwei Mehrwerten: Der Interim Manager deckt entweder für das Unternehmen benötigte Kapazitäten ab, die es nicht hat; oder der Interim Manager stellt Knowhow zur Verfügung, das das Unternehmen anderenfalls nicht an Bord hätte. Für beide Alternativen kann ein Controlling grundsätzlich die Situation im Unternehmen mit und ohne den Interim Manager vergleichen.

Ludwig Heuse hat 2013 damit begonnen, die Interim Manager den RoIM (Return on Interim Management) schätzen zu lassen – also die Aufwendungen für den Interim Manager mit den Erlösen durch den Interim Manager zu vergleichen. Ich halte das für einen sehr guten Ansatz, auch wenn die Interim Manager selbst diesen RoIM schätzen – und damit tendenziell recht positiv ausgerichtet sein dürften. Die Praxis zeigt jedoch immer wieder, dass die Interim Manager ein Vielfaches dessen „hereinverdienen“, was sie kosten.

Melanie Heßler: Ab wann rechnet sich ein Interim Manager und für wen?

Jürgen Becker: Ein Interim Manager rechnet sich zunächst immer dann, wenn das Unternehmen keine Alternativen hat. An dieser Stelle einmal ganz deutlich: Für viele höchstqualifizierte Menschen sind zahlreiche Arbeitgeber überhaupt keine attraktive Option für eine Festanstellung. Ich erkenne hier enorme Möglichkeiten, wie zum Beispiel einige Mittelständler noch viel besser werden können: Für solche Unternehmen werden außergewöhnliche Qualifikationen möglicherweise über Interim Manager überhaupt erst zugänglich. [Video: Was bringt eine Plattform hochqualifizierten Interim Managern?]

Für diejenigen, die gern mit eigenen Zahlen rechnen, gibt es am Markt Rechenmodelle z. B. vom AIMP: Doch erstaunlicherweise zeigt die Praxis, dass kaum richtig gerechnet wird, sondern stattdessen die Tagesätze mit Bruttogehältern verglichen werden – auch gern mit dem eigenen.

Dabei werden dann aber oftmals Ausgaben für z. B. Sozialversicherungen, Urlaub, Krankheit und Leerzeiten – die der Interim Manager selbst trägt – nicht berücksichtigt. So kommt man dann federleicht zur wenig überzeugenden Schlussfolgerung, ein Interim Manager sei „teuer“. Allerdings: Mein BWL-Professor hätte mich bei solch einer Rechnung des Hörsaals verwiesen.

Ich denke, für Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern – Start-ups einmal ausgenommen – rechnet sich ein Interim Manager kaum: Aber auch das ändert sich sofort, wenn die kreditgebende Bank darauf besteht, weil sie um ihre Gelder fürchtet.

Melanie Heßler: Welche aktuellen Trends im Markt für Interim Management sehen Sie derzeit?

Jürgen Becker: Bei vielen – nicht bei allen! – Unternehmen ist Interim Management inzwischen eine im Personalgeschäft etablierte Dienstleistung und dabei, den „Exotenstatus“ endgültig abzulegen. Mit dem Ende des „Exotenstatus“ ändern sich auch die „Beschaffungsprozesse“ und gleichen sich den Standard-Prozessen an. Dass hierbei die Information, die Geschäftsanbahnung und letztlich die Beschaffung über Internet zunehmend wichtig wird, dürfte unstrittig sein. Ich erwarte zudem, dass die Lücken, die die Mitarbeiterknappheit inzwischen sichtbar reißt, von Interim Managern und Managerinnen temporär geschlossen werden. Das hilft den Unternehmen erst einmal, auch wenn es die strukturellen Probleme nicht löst.

Melanie Heßler: Wie wird sich der Markt in den nächsten 10 Jahren verändern?

Ich erwarte, dass sich das Interim Management um zusätzliche Dienstleistungen erweitern wird, die heute noch nicht alle absehbar sind. Der enorm heterogene Markt auf der Providerseite in Deutschland hat begonnen, sich zu konsolidieren müssen: Die Akquisition von Atreus durch Heidrick & Struggles sowie die Übernahme von Gronova durch EIM stehen stellvertretend für diese Entwicklung - und ich erwarte weitere Fusionen und Übernahmen. Und ganz persönlich erwarte ich, dass sich ein großer Teil der „Vermittlung“, also der Art und Weise, wie Angebot und Nachfrage zusammenkommen, mehr und mehr ins Internet verlagern wird. Denn weshalb sollte sich ausgerechnet das Interim Management dem Sog der Digitalisierung entziehen können? In der Folge erwarte ich, dass sich das Geschäftsmodell der Interim-Provider weg von der Vermittlung und hin zur Beratung ihrer Unternehmenskunden verändern wird. [Video: Ein eigener Pool ist kein Wettbewerbsvorteil mehr]

Melanie Heßler: Welchen Stellenwert haben Behörden für das Geschäft der Interim Manager?

Jürgen Becker: Noch keinen, leider. Ich erwarte jedoch, dass Behörden langfristig Interim Management für sich entdecken werden: Nicht, um Kapazitäten, sondern um Knowhow einzukaufen.

Melanie Heßler: Glauben Sie, dass das Behördengeschäft zu einem interessanten Markt für Interim Manager und Provider wird? Wenn ja, warum?

Jürgen Becker: Ja, langfristig vielleicht. Ich denke, Behörden sind das klassische Umfeld für Interim Management. Sie sind zu langsam, zu teuer und beschäftigen sich mit sich selbst. In England wurde in guten Zeiten etwa die Hälfte der Interim-Mandate in der Öffentlichen Verwaltung gemacht - und nach meinem Kenntnisstand sind es aktuell noch immer rund 30 Prozent.