Manchmal beschleicht mich ein so Gefühl. Irgendwo in meiner Magengrube manifestiert es sich ein erstes Mal.
Es zwickt und zwackt.
Zumeist überhöre ich es, man muss nicht einer jeden Flatulenz Raum und Bedeutung zuordnen. In manchen Fällen jedoch muss es aber einfach raus.
Und heute ist mal wieder so ein Tag…
Ein Teil meiner alltäglichen Routine besteht darin, „Zeitung" zu lesen. Für mich bedeutet das, dass ich über die üblichen, bekannten social media-Publikationen gehe. Nachrichten im Allgemeinen und Neuigkeiten zu den Themen Führung, Personal, Innovation und Gesundheitswesen stehen dabei in meinem Fokus.
Und da war er wieder. Dieser eine, wunderbare Artikel, der meinen Blutdruck hochschnellen ließ. Ich leckte mir die Lippen und freute mich schon darauf, diesen innerlich und mit gut geschliffenen Argumenten zu zerlegen. Blutrausch und Freudenfest – ich komme.
Doch ich täuschte mich
Felix Thönnessen entpuppte sich in seinem Artikel über das 9-Punkte-Problem eben nicht als ein Vertreter der üblichen Plattitüdenheinis!
Erfrischend einfach und klar beschrieb er die Thematik und benannte sehr erfrischend-eindeutig das Problem:
„Du kannst ganz einfach nicht gezielt außerhalb deiner eigenen Strukturen denken, wenn du deine Strukturen nicht einmal kennst."
Felix Thönnessen
Lassen Sie mich kurz an dieser Stelle das 9-Punkte-Problem skizzieren, um einen Einstieg in das Thema zu finden. Zitat Wikipedia: […] Die Aufgabe besteht darin, 9 quadratisch angeordnete Punkte mit einem Stift durch vier […] gerade Linien zu verbinden, ohne den Stift abzusetzen. [...]
- Schritt 1: Das Hirn erkennt 9 Punkte.
- Schritt 2: Es bildet ein Muster und fängt an, gedanklich einen Lösungsweg zu entwickeln, der aber durch die Beschreibung „9 Punkte" aber auch auf die 9 Punkte normiert wird. Es entsteht eine Box, eine Art Gedankengefängnis.
- Schritt 3: Es wird drauflos experimentiert, eine Lösung ist unmöglich.
- Schritt 4: Erst wenn man sich der Box bewusst wird und diese dekonstruiert (den Denkrahmen erweitert), kann man zur Lösung kommen.
An anderer Stelle schrieb ich:
„Klar, das ist auch die einfachste Übung der Welt. Wir sprengen einfach mal die Grenzen unseres Denkens, unseres Verstandes, unseres Hirns. […] müssen wir nur unsere Schädelkalotte öffnen, ein paar Schrauben nachziehen, die Lager nachfetten und den Zündverteiler neu justieren *Ironie off*."
Tradiertes ist nicht zu verachten
Nun hat die Box aber auch so ihre ganz wunderbaren Eigenschaften. Man kennt sich in ihr aus, man hat sich eingerichtet und es ist ganz und gar energieeffizient, sich in ihr zu bewegen. Mit gut eingelaufenen Schuhen läuft es sich bequem. Im unternehmerischen Kontext bedeutet dies Effizienz und Gewinn. Ständig das Rad neu zu erfinden, ist hochgradig aufwendig, kaum möglich und kostet ein Riesengeld. Doch bisweilen ist es notwendig. Dann, wenn das alte Denken versagt und nicht mehr in die Zukunft führt.
Thönnessen zeigt uns, dass wir zwar nicht unsere Box einfach so mal sprengen können. Aber erweitern, das geht. Es ist zwar Arbeit, aber es geht. Und wenn wir das an sich können, dann sind wir als Interim Manager dazu verpflichtet, es auch zu versuchen. Gerade wir als Interim Manager sind angehalten, Fesseln und Routinen zu sprengen, zu erweitern oder abzustreifen, so wir Unternehmen aus ihrem Alltagstrott herausführen wollen, um so die Wertschöpfungskraft zu stärken.
Jenseits aller Theorie will ich mich daher auch der Praxis zuwenden. Hat das 9-Punkte-Problem Relevanz für uns als Interim Manager oder ist es – höflich formuliert – gut für Hochschulprofessoren und der sie anhimmelnden Schar akademischer Novizen, vulgo: Studenten.
Ein Fallbeispiel: Jahr 200x, Unternehmen der Medizintechnik, Labormarkt, Deutschland Umsatz ca. 30 Mio. Euro . EBIT-Marge bei ca. -5%. Umsätze bestenfalls stagnierend, Technologie an sich gut bis sehr, aber gemessen an den Anforderungen der Laborkunden (Vollautomatisierung, Laborstraßen, Großserien) veraltet. Ich wurde als Interim Sales Director ins Unternehmen gerufen, zuständig für Deutschland und die Schweiz. Die Aufgabe war eindeutig: Turnaround, Umsatz steigern, EBIT in einem ersten Schritt > 0% erreichen.
Da saß ich nun… mit meiner Box. Ohne es zu wissen. Man hat sie immer mit dabei, unbewusst zumeist. Umsatz steigern bedeutet für uns im Gesundheitswesen zumeist neue Kunden finden, neue Produkte in den Markt einführen, mehr Produkte verkaufen, etc. Aber es bedeutet so gut wie den Preis zu erhöhen. Das kennen wir nicht. Einmal zum Preis x eingeführt, unterlag das Produkt einer Preiserosion; eine Preissteigerung war nie zu beobachten. Nun fing ich an, mitten in meiner Box sitzend, mir das Hirn zu zermartern, um zu einer Lösung zu kommen. Kostenabbau, zumeist Personalabbau, war als Maßnahme ausgereizt.
Irgendwann wurde ich mir meiner Box gewahr und fing an, mir die Randbedingungen gewahr zu werden. Und es fiel mir dabei auf, daß aufgrund einer Besonderheit es doch möglich sein sollte, den Preis zu erhöhen: Es war einem gewissen Typus Kunden kaum möglich, unser Produkt auszutauschen. Oder zumindest war es äußerst aufwendig. Es galt daher eine Preiserhöhung umzusetzen, die gerade noch so erträglich war, daß die Kunden diese ohne großes Murren schlucken würden. Dies bedeutete in der Realität, daß wir den Average Selling Price (ASP) von 6,7 Cent auf 7,7 Cent erhöhten. Dies klingt lächerlich gering – und die Kunden reagierten daher auch kaum, aber es brachte uns eine deutliche Steigerung des Umsatzes und damit den Turnaround.
Unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft, steht vor grossen Aufgaben. Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Umwelt wollen unter einen Hut gebracht werden. Die Voraussetzung, um dies leisten zu können, sind gesunde und kreative Unternehmen. Die herfür notwendigen Ideen, Innovationen und Disruption werden wir kaum erzeugen können, so wir in unserer Box bleiben. Um diese zu erweitern, müssen wir uns der Eckpunkte unseres Denkens bewusst werden.
Für mich relevante Kernfragen
Was sind unsere Grundannahmen zur…
- Produktivität der Arbeit?
- zu den relevanten Prozessen im Unternehmen?
- zu den relevanten Spielregeln im Unternehmen?
- zur Kultur im Unternehmen?
- zum Markt?
- zu den Kunden?
- [etc.?]
Und vor allem... gelten diese noch in 3 bis 5 Jahren?
Eine pragmatische Anregung zum Ende: Schnell umzusetzen und sehr effektiv. Geist und Körper stehen im regen Austausch miteinander, sie bedingen geradezu sich gegenseitig. Den Geist aus der Box herausbewegen bedeutet damit auch zugleich den Körper aus der Box herauszubewegen – walk and talk. Machen Sie Meetings im Freien, outside of the box genannt "Meetingraum", in der Bewegung. Spazieren Sie, laufen Sie um das Firmengebäude, gehen Sie mit Ihren Mitarbeitern ins Grüne. Das bewegt den Körper, sprengt körperliche und geistige Grenzen und liefert ganz wunderbare Ideen.
Be outside of the box – think outside of the box.
Bodo Antonic - „Gemeinsam, um der Zukunft willen, die Gegenwart wertschätzend zerstören."
Dr. Bodo R. V. Antonic - Spezialist für Umsatzwachstum in der Life-Science-Industrie
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