Unter einer Sanierungsmaßnahme versteht man in Brasilien die Optimierung von fiskalischen, betriebswirtschaftlichen oder organisatorischen Bedingungen innerhalb eines Unternehmens. Sanierung ist Teil der Restrukturierung und nicht Reorganisation oder Transformation. Diese Unterscheidung ist in Brasilien allgemeingültig und lehnt sich an die Definition des nordamerikanischen Wirtschaftsraums an. Das mag mit Blick auf den deutsch-sprachigen Wirtschaftsraum manchmal verwirrend klingen, da in der DACH-Region zumeist nicht wirklich zwischen Reorganisation und Restrukturierung unterschieden wird.
Warum Sanierungsmaßnahmen zum Bewältigen einer Unternehmenskrise in Brasilien scheitern können, haben wir in diversen Artikeln, Vorträgen, Blogs und auch Vlogs immer wieder dargestellt.
[Video: Brasilien: Warum scheitern Unternehmens-Sanierungen so häufig?
Sie bleiben auf halbem Weg stehen! Kann man das erkennen und verhindern? Und wenn ja: wie?]
In diesem Blog soll aber das Thema aus einer grundsätzlicheren Perspektive betrachtet werden.
Unsicherheit und Änderung ist Teil des täglichen Überlebens in Brasilien
Infolge der rasanten Änderungen des brasilianischen Marktes müssen Managementstrukturen immer wieder angepasst werden. Es gibt immer wieder jene massiven defensiven Strategieanforderungen, um dann wieder fast über Nacht auf offensiv umzuschalten. Das sind Anforderungen, welche so zumeist in Europa und Nordamerika nicht wirklich zu beobachten sind.
Hat ein Unternehmen zu jedem dieser Zeitpunkte das richtige Management, tragen die natürlichen Veränderungen zur Stärkung und einem gesunden Wachstum bei, weil die Führungskräfte im Idealfall neben den klassischen Führungsaufgaben insbesondere die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens aktiv gestalten und zwar zu jeder Zeit. Status Quo gibt es nicht und wird als ein ungutes Zeichen dafür empfunden, etwas übersehen zu haben.
Hierdurch können negative Unternehmensentwicklungen frühzeitig erkannt und die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden, bevor sich eine Krise manifestiert. Und dieses Management versteht es, trotz einer möglicherweise bereits eingetretenen Schieflage, anders und adäquater zu reagieren.
Wie gesagt – im Idealfall.
Diskontinuität gehört zum brasilianischen Unternehmensalltag
Das ist eine Gesetzmäßigkeit, selbst wenn wir uns aus Bequemlichkeitsgründen teilweise zu gern einer anderen Illusion hingeben wollen. Sofern Unternehmer und Manager auf dem jeweiligen Status Quo verharren, ist eine nahende Schieflage bereits eingeleitet. Und an dieser Stelle sollte das Verhalten des Mutterhauses ebenfalls ins Szenario integriert werden und als Teil des Problems angesehen werden. Gleiches geschieht, wenn neue und durchaus gute Konzepte mit der alten – sprich für ein erfolgreiches Change Management ungeeigneten – Führungsmannschaft umgesetzt werden sollen.
Ein Management, das bereits im Vorfeld einer Krise die Zeichen der Zeit nicht erkannt und gehandelt hat, wird auch eine neue Strategie bestenfalls nur sehr kurzfristig suboptimal umsetzen können und – bei allen Bemühungen – relativ schnell wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen. Hier können wir immer wieder beobachten, dass in sehr vielen Fällen eine "bequeme Fokussierung auf reine Kostenreduktion" als ausreichend empfunden wird.
"Eine weitere dramatische Verschlechterung binnen kurzer Zeit ist die unmittelbare Folge."
Frank P. Neuhaus, Gründer iManagementBrazil Ltda., São Paulo, Brasilien
Um die Zukunftsfähigkeit eines brasilianischen Unternehmens zu sichern, dürfen Management und Führung, lokal sowie im Mutterhaus, nicht im Status quo verharren und sich zu keiner Zeit des erreichten Levels zu sicher sein.
Ein ständiges Hinterfragen der eigenen Führungsfähigkeit und die persönliche Bereitschaft der Führungskräfte, gemeinsam mit den Mitarbeitern ständig neue Wege zu gehen, ist wichtigste Basis, um Krisen zu vermeiden oder zu meistern, damit es gar nicht erst zum Sanierungsfall kommt und somit eine Restrukturierung notwendig wird.
Lassen sich Unternehmenskrisen in Brasilien rechtzeitig erkennen?
Ganz plump ausgedrückt: Krisen lassen sich rechtzeitig erkennen – vorausgesetzt, das Management hält Augen und Ohren offen.
Ist einfach geschrieben und hört sich so einfach an!
Aber es gibt eine interessante Beobachtung bei jenen Unternehmen in Brasilien, welche eine Sanierung nachhaltig zu einem Change nutzen konnten. Und der Fokus liegt stark auf dem Management.
War es früher so, dass lokal agierende Manager und die Manager der Mutterhäuser häufig um sich selber kreisten und sich in Brasilien mit Führungskräften umgaben, die ihnen ähnlich waren und gleiche Worte nutzten, welche dann wiederum Mitarbeiter aus demselben Grund einstellten, erlaubt sich der neue Managertypus, alles zu hinterfragen – auch sich selbst.
Selten? Ja, selten.
An dieser Stelle ist auch die Aktivität der Personalberater in Brasilien bei der Berufung neuer Führungskräfte kritisch zu betrachten. Die Stichwörter lauten hier: Stallgeruch, Branche, gleiche Aufgabe schon seit Jahren.
Das ist die ideale neue Führungskraft?
Wie häufig hören wir von Personalberatern in den Projekten, dass sie ja nicht andere Profile präsentieren könnten, da es doch die Anforderungen der Mandanten seien. Hier sollten viele Personalberater wirklich beratend auftreten und wirklich an der Seite des Mandanten stehen.
Die wirklich neuen brasilianischen Manager wissen sehr genau, dass das Management immer nur so erfolgreich ist, wie Kunden bereit sind, für Produkte und Leistungen zu bezahlen.
Strategien, Konzepte, Prozesse und auch Taktiken gehören zur Tagesordnung und bilden zweifelsohne eine wichtige Businessbasis. Allerdings müssen gerade in Umbruchphasen ganz andere Dinge zusätzlich geprüft werden:
Passt unser Führungsstil, unsere Unternehmenskultur, zu unserem aktuellen Zyklus?
Bei dieser Fragestellung sollte unbedingt unterschieden werden, in welcher Phase sich der Markt im Land des Mutterhauses befindet, verglichen mit Brasilien. Das muß nicht im Gleichschritt sein!
Gibt es wiederkehrende Muster, die uns in eine Schieflage bringen?
Welche Sollbruchstellen helfen uns dabei, diese schneller zu überwinden?
Oftmals lassen sich Krisen schon lange im Vorfeld durch eindeutige Zustände herleiten und erkennen, weil sie immer dem gleichen Muster folgen: von der Ertrags- über die Liquiditätskrise bis hin zur notwendigen Restrukturierung.
Und dann der wichtigste, aber auch sensibelste Indikator: Würde man einmal die Mitarbeiter befragen, dann haben diese die Gefahr aufgrund von Führungsproblemen – meist verursacht von namhaft bekannten Egomanen im Unternehmen – schon lange erkannt, bevor eine Krise in Zahlen sichtbar wird.
Die Wirksamkeit des Managements bei Sanierungsmassnahmen ist gegeben – vorausgesetzt, die Managementpositionen sind richtig besetzt. Die Wirksamkeit des Managements spiegelt die aktuelle und zukünftige Positionierung am Markt wieder.
Deshalb ist auch die Auswahl und richtige Besetzung von Managementpositionen in jeder Phase des Lebenszyklus eines Unternehmens in Brasilien von entscheidender Bedeutung.
Deshalb: es mag ungemütlich sein, aber eine fliessende Anpassung der Führungsstrukturen ist notwendig.
Unsere Projekterfahrung aus fast 18 Jahren
Aus unseren Sanierungs- und Restrukturierungsprojekten wissen wir, dass – ganz egal ob Wachstum, Krise oder Nachfolgeregelung: Es gibt den temporär notwendigen Interim Manager in Brasilien, der genau diese Phasen in seinen Projekten schon einmal erlebt hat und trotzdem – passend zum jeweiligen Unternehmen, der Branche, dem Kontext und vor allem den beteiligten Mitarbeitern – immer wieder im richtigen Moment neue Wege geht. Wir haben das Wissen und die Erfahrung, um rechtzeitig zu erkennen, was kommen könnte, vor allem aber auch die Fähigkeit, notwendige Veränderungen so zu kommunizieren, dass die Mitarbeiter diese mittragen. Wenn ein gutes Managementteam im Unternehmen des Mandanten vorhanden ist, kann es sinnvoll sein, in Situationen der Sanierung und Restrukturierung Unterstützung von außen zu holen.
Allerdings nicht, wie in zahlreichen Fällen praktiziert und oft gleichbedeutend mit dem mittelfristigen Aus des Unternehmens in Folge von nicht substanzhaltigen und unzureichenden Sanierungsgutachten, mit Fokus auf reine Kostenreduktion.
Wir als Interim Manager und Implementierungs-orientierte Berater können dann besonders hilfreich sein, wenn wir neben einer Methoden-basierten Vorgehensweise insbesondere festgefahrene Meinungen und Einstellungen hinterfragen, um Sanierungen und Restrukturierungen langfristig aufzusetzen mit dem Ziel, Werte zu erhalten und zu steigern.
Das immer wiederkehrende Muster
Generell verlaufen brasilianische Unternehmenskrisen nach einem überschaubaren Muster: Eine fehlende oder nicht zeitgemäße Strategie sowie die Nichtanpassung an eine veränderte Marktbedingung führen zu einer Ertrags- und anschließenden Liquiditätskrise, die vom Management, auch wenn sich dieses die eigenen Fehler nur selten eingestehen will, verursacht wurde.Wird die anschließende Restrukturierung mit dem gleichen Management oder Teilen davon durchgeführt, zeigen sich meist dieselben Muster. Selbst wenn eine nachhaltige Strategie erarbeitet wird, scheitern diese an der mangelhaften Transformation und Umsetzung mit den Mitarbeitern. Selbstverständlich sollte das lokale Management in die Massnahmen eingebunden sein! Aber das garantiert nicht zwangsläufig den Erfolg.
Voraussetzung für die Lösung dieser komplexen Aufgabenstellung ist die Erfahrung und das Wissen, welches Management wirklich wirksame Beiträge und Ergebnisse liefern kann, und es schafft, diese durch eine hoch kommunikative Führung im Unternehmen auch umzusetzen.
Der Status Quo hat kein Potential für die Zukunft!
Manchmal bedarf es eines radikalen Wandels. Unternehmen sind dynamischen Veränderungen ausgesetzt und das betrifft auch das Management. Die Kunst der Führung liegt gerade in Sanierungs- und Restrukturierungsphasen darin, nicht nur ein kleines Zeitfenster zu betrachten. Ob Wachstum, Krise oder Restrukturierung – keine Phase ist von Dauer, auch nicht, wenn im richtigen Moment die richtigen Dinge getan werden.
Frank P. Neuhaus
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