Schon vor der Pandemie nahm der Anteil von Fragestellungen zur Digitalisierung und Automation von Prozessen in unseren Projekten einer Reorganisation oder Transformation in Brasilien stetig zu. Nun hat die Pandemie viel verändert, einiges wird bestimmt auch wieder wie zuvor. Aber was sich definitiv geändert hat, ist das Kaufverhalten im B2C, wie aber auch im B2B Bereich.
Wie werden sich also die veränderten Kaufgewohnheiten auf den Einzelhandel und die Dienstleistungen in der Zeit nach der Pandemie in Brasilien auswirken?
Ein entscheidender Faktor ist in jedem Fall das Durchschnittsalter der brasilianischen Bevölkerung. Mit durchschnittlich etwa 30 Jahren ist das Land eine der jüngsten Nationen auf dem Globus. Mit der Schließung des Handels während der Quarantäne ist unsere Art zu kaufen und zu verkaufen fast zu gut 50% digital geworden.
Im Grunde hielten nur Hyper- und Supermärkte sowie der kleine Lebensmitteleinzelhandel ihre Türen während der härtesten Phase der sozialen Isolation offen. Schon damals zogen es viele Brasilianer vor, wenn möglich online einzukaufen – und die Unternehmen mussten sich anstrengen, um sie zu bedienen.
Stichwort: Logistik.
Mit der Wiedereröffnung des Handels bekamen auch die High Street Stores, so zum Beispiel im Stadtteil Jardins in São Paulo, die in den letzten Jahren an Fläche verloren hatten, neuen Schwung. Gleichzeitig bauten die Lieferservices ihren Umsatzanteil massiv aus, wurden anspruchsvoller und gewann einen neuen Kundenkreis.
Das können wir konkret in einigen Projekten beobachten. Besonders massiv ist diese stetige Entwicklung in unserem emblematischem Projekt mit einem lokalen Coffee Shop Franchise in São Paulo zu beobachten.
Wir können hier in Brasilien seit Q3/2021 folgende Trends klar beobachten:
1. E-Commerce-Erweiterung
Während der Zeit der sozialen Isolation wuchs der E-Commerce, der seit Jahren schon auf dem Vormarsch war, wenn auch in langsamerem Tempo, exponentiell an. Plötzlich begannen fast alle, quer durch alle Altersschichten, online einzukaufen.
Mit der Lockerung der Quarantäne und der Wiedereröffnung des Handels verzeichnete der Online-Umsatz einen leichten Rückschlag, blieb aber deutlich über dem Niveau vor der Pandemie. Gemäß den Datenanalysen von Nielsen und dem brasilianischen Verband für elektronischen Handel (Abcomm) stieg die Anzahl der Bestellungen in Online-Shops von Januar 2020 bis Dezember 2021 um rund 110% im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019, während der Gesamtumsatz ebenfalls um 105% zulegte.
Vor der Pandemie lag die Prognose bei einer Umsatzsteigerung von 27% für die gleiche Periode.
Da wir unseren Mandanten, die Coffee Shop Franchise Kette, seit einigen Jahren in unterschiedlichsten Projekt-Missionen begleiten, können wir solche massiven Steigerungen klar bestätigen.
Im Jahr 2022, sollte es keine neue Verschärfung der Maßnahmen zur sozialen Isolation geben, wird es tendenziell zu einer Verlangsamung des Wachstums des brasilianischen E-Commerce kommen, obwohl das Wachstum immer noch robust sein sollte. Demnach sollen die Online-Verkäufe in diesem Jahr um 25% im Vergleich zu 2021 wachsen.
Mit Blick auf unseren Mandanten, die Coffee Shop Franchise Kette, gingen wir von einem Wachstum von ca. 15% aus. Die aktuelle Tendenz lässt hoffen, dass sich die Online-Bestellungen nun aber Richtung +20% entwicklen können.
Als Grund kann die weitere Diffundierung der eigenen App, eine weitere Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit, sowie eine weitere Integration der Lieferservices durch Drittanbieter hier helfen.
Potential Brasilien
Wenn wir mal die uns zur Verfügung stehenden unterschiedlichsten Quellen konsultieren, hat Brasilien heute etwa 42 Millionen Online-Konsumenten, also fast doppelt so viele wie vor der Pandemie. Trotzdem sollte man nicht vergessen, macht das nur 20% der brasilianischen Bevölkerung aus. Das reale Wachstumspotenzial ist also sehr groß.
Dabei darf man nie aus den Augen verlieren, dass das Durchschnittsalter der Brasilianer bei etwa 30 Jahren liegt.
Der E-Commerce und brasilianische Klein- und mittelgroße Unternehmen
Auf dem Höhepunkt der Krise 2020/21, sind etwa 30.000 neue Online-Shops pro Monat entstanden – ein Durchschnitt von fast einem neuen Shop pro Minute, während in der Zeit vor der Pandemie der Durchschnitt bei 10.000 Shops pro Monat lag.
Gleichzeitig haben viele Unternehmen begonnen sich zu fragen, ob es Sinn macht, physische Läden zu unterhalten, deren Mieten teuer sind, anstatt einfach in der virtuellen Welt zu bleiben, plus einer operativen Basis an weniger Prestige-trächtigen Standorten.
Und hier stellt sich eine fundamental strategische Frage: Was heisst in dieser neuen Zeit "Prestige-trächtig"?
Waren es früher verstärkt die traditionellen, hochpreisigen Standorte zur Suggestion von Premium und Luxus, hat sich diese Achse merklich verschoben. Die heutige Fragestellung geht viel mehr in die Richtung, wo man mit seinem Produkt oder Dienstleistung am besten die anzusprechenden Stämme „Tribes" abholt.
Der Ballungsraum von São Paulo hat ca. 20 Millionen Menschen. Somit ist diese Frage nun plötzlich, unter Einbeziehung der Erfahrungen aus der Pandemie und des Online-Handels, zu einer zentralen Frage geworden.
Können die es besser?
Interessant scheint ein Blick auf die großen in Brasilien operierenden Retail-Ketten. Sie werden von Investoren an der brasilianischen Börse B3 frenetisch gefeiert, da in der Krise die E-Commerce-Umsätze stark gesteigert werden konnten.
Was aber offenbar überhaupt nicht klar ist: Sind bzw. werden deren digitale Geschäftsmodelle wirklich profitabel? Es scheint gar nicht so einfach, in diesem Markt Geld zu verdienen, während man sich mit den vermeintlich kleineren und lokal agierenden Anbietern einen Wettbewerb liefern muß.
Selbst für Amazon Brasilien ist es schwierig, Profitabilität zu generieren. Scheinbar ist der Cloud-Service AWS und nicht der E-Commerce das Rennpferd. Wie so häufig auch schon in anderen industriellen Segmenten beobachtet, tut sich der Newcomer aus dem Ausland in Brasilien schwer. Obwohl Amazon Brasilien den taktischen Ausbau der Logistikzentren explosionsartig vorantrieb, stellt sich der Erfolg nicht wie in anderen Regionen der Welt ein.
Warum? Die lokale Konkurrenz macht es Amazon Brasilien sehr schwer. Lange bevor Amazon nach Brasilien kam, hatten sich im Land schon ähnliche nationale Dienstleister etabliert. Und die sind fast immer schneller als der globale Marktführer Amazon. Und nicht nur Geschwindigkeit ist ein komparativer Vorteil. Auch Zahlungsverfahren und Finanzierungsmodelle sind deutlich agiler als Amazon Brasilien.
Wenn man aus der Größe heraus sein eigenes Chaos generiert.
Auch kam es in Brasilien zu einem kanibalistischen Wettbewerb innerhalb des gleichen Unternehmens und zwischen den Verkaufskanälen. Wurde z.B. ein Produkt X auf der Webpage A für R$ 1.000,00 angeboten und auf Webpage B zu R$ 999,00 ging der größte Teil des Marktes natürlich mit einem Klick auf B.
Aber darüber hinaus begannen die Hersteller in der Quarantäne mit geschlossenen Geschäften selbst, ihre Produkte über das Internet direkt den Verbrauchern anzubieten, was den Wettbewerb weiter erhöhte. Damit traten sie in Konkurrenz zu dem eigenen Webkanal.
Man kann wohl erahnen, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt und der Streit um den Markt tendenziell zunimmt.
Besser für den Brasilianer, der E-Commerce ein für alle Mal in sein tägliches Leben integriert hat.
2. Revitalisierung von Straßenläden
Einer der Haupteffekte der Pandemie im Einzelhandel war die Wiederbelebung der Straßenläden, die in Brasilien seit Jahren an Fläche verloren hatten. Damit einher ging die Verringerung der Attraktivität von Einkaufszentren.
Nach der Wiedereröffnung der Einkaufszentren während des Jahres 2021 haben sie es immer noch nicht geschafft, den Platz zurückzugewinnen, den sie vor der Krise inne hatten. Aktuell ist es schwer zu sagen, ob sie es jemals schaffen werden.
Viele Marken, die die Straßenläden beiseite geschoben hatten, kehrten zurück und sahen in ihnen eine Alternative zur Monetarisierung ihrer Geschäftsmodelle, angeregt durch das Wachstum und in Kombination mit dem E-Commerce.
Gleichzeitig kann weiterhin ein erheblicher Rückgang der Bewegungen in den Einkaufszentren im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie beobachtet werden.
Auch ein Blick auf unseren Mandanten, die Coffee Shop Franchise Kette, bestätigt genau diese Tendenz. Mit dem Rückgang des Umsatzes wurde die Wirtschaftlichkeit der Aufrechterhaltung eines Verkaufspunktes in einem Einkaufszentrum in Frage gestellt. Auch mit unseren Mandanten haben wir diese Szenarien in den Transformationsprojekten durchgespielt.
Schnell wird klar, dass in sehr vielen Geschäftsmodellen durch die Umstellung und Fokussierung auf die Verkaufspunkte in der Strasse die Kosten gesenkt und ein separates Lager angelegt werden können.
Daraus kann der Online-Handel effizient bedient werden und und der E-Commerce stetig weiter wachsen.
3. Lieferung steht auch auf der Speisekarte
Die Entbindung von Produkt und Lieferung war schon lange vor der Pandemie eine Realität in Brasilien. Doch in der Quarantäne übernahmen die Motoboys die urbane Lieferkette. Nicht zufällig eröffnete Burger King Brasilien die weltweit erste Geisterküche, um die gestiegene Nachfrage nach Lieferungen zu bewältigen und die Face-to-Face-Lieferung in den Restaurants der Gruppe zu optimieren.
Der Lieferservice iFood wiederum erhielt von der National Civil Aviation Agency (Anac) die Genehmigung, den Betrieb mit Drohnen aufzunehmen. Die Idee ist, mit dem Gerät den ersten Teil der Fahrt zu einer Zwischenstation durchzuführen, wo die Bestellungen an die Lieferfahrer verteilt werden, die sie zu den Adressen der Kundschaft bringen.
Die Wette auf die Zukunft
Dies sind Wetten, die die Wahrnehmung verstärken, dass die Zustellung auch nach dem Abklingen der Pandemie weiterhin eine relevante Präsenz im Leben eines jeden Brasilianers haben sollte. Die Implementierung von E-Commerce Geschäftsmodellen, unter agiler Anwendung der Design Thinking Philosophie, nimmt rasant zu. Das heisst, auch in der Konzeptionsphase werden diese Projekte merklich professionalisiert.
Darauf haben wir bei iManagementBrazil reagiert. Konsequente Fortbildung in Themen des Digital Engineering, no-code app builder Verfahren und die Programmiersprache Python standen während der Pandemie auf dem Lehrplan. In Kombination mit unserem tiefen Verständnis für taktisches und strategisches Denken in Reorganisation und Transformation bieten wir unseren Mandanten in Brasilien einen einzigartigen Mehrwert. Auch stehen wir interessierten Investoren in den brasilianischen Markt tatkräftig zur Seite.
Frank P. Neuhaus
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