1. Vormerkung
Die Rahmenbedingungen, Leitplanken und Taxonomie für Sustainable Finance werden verbindlich durch die EU resp. durch unsere Bundesregierung vorgegeben.
Sie enthalten Vorgaben und Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Finanzierung konform der Taxonomie ist bzw. zu welchen Anteilen sie es ist. Ziel ist es, die Geldströme für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten so umzulenken, dass eine Transformation hin zur Erfüllung von ESG-Zielen erreicht werden kann. Basis dafür sind die 17 Ziele der UN.
Das Instrumentarium versucht, die Finanzmärkte damit zu Investitionen in Nachhaltigkeit, Soziales und Governance zu lenken. Ab 2024 wird in Europa für viele Unternehmen ein entsprechendes Reporting verbindlich. In der Auswahl von Kriterien haben die Unternehmen aktuell noch erheblichen Spielraum.
Die Taxonomie für den Bereich „Environment" ist fertiggestellt und verfügbar. Die Taxonomie für den Bereich „Social" liegt aktuell auf Eis und mit dem dritten Bereich „Governance" wurde noch nicht begonnen.
2. Investitionen der Bundesregierung
Wäre es nicht folgerichtig, dass die Bundesregierung beispielhaft vorangeht und ihre Investitionen neben ihren hoheitlichen Aufgaben ebenfalls an diesen ausrichtet? Ein solches Vorgehen würde die Bedeutung dieser Ziele unterstreichen und könnte Sogwirkung entfalten. Wo ist in diesem Bundeshaushalt ein Transformationsprozess hin zu nachhaltigen Investitionen erkennbar?
Riesige Infrastrukturprojekte – wie der verstärkte Ausbau von Autobahnen, der Bau neuer Verbrennungskraftwerke und gigantische Rüstungsausgaben (das sogenannte Sondervermögen von 100 Mrd. Euro ist in der Übersicht nicht enthalten) machen einen erheblichen Teil des Bundeshaushaltes aus.
Seit Jahren bekannte, massive Ausgabenverschwendung im Rüstungsbereich, in Infrastrukturprojekten u.v.m. wie sie der Bundesrechnungshof oder der Bund der Steuerzahler jedes Jahr aufs Neue anmahnt, bleiben in der Bundesregierung ohne Konsequenzen.
Auch der Bundesrechnungshof mahnt auf seiner Homepage „….die Nachhaltigkeit in den Bundeshaushalt wirksam zu verankern, da sie nur eine Nebenrolle spielt".
Es sprengt diesen Beitrag, die Ausgaben des Bundes hier analysieren zu wollen. Aber es meines Erachtens ist es höchste Zeit, einige Weichenstellungen vorzunehmen im Sinne eines gerechteren und sozialeren Landes.
Beispielsweise wären dies:
- Eine deutliche Anhebung der Mindestlöhne in Ballungsräumen, so dass für untere Einkommensgruppen ein Leben dort möglich bleibt oder wieder wird. Diese Menschen werden gerade in diesen Regionen gebraucht. Dies gilt nicht nur für ungelernte Beschäftigte, sondern genauso für Fachkräfte in den Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Kitas, Angestellte in den öffentlichen Verwaltungen oder auch der Polizei. Auch aus diesen Gründen finden in den letzten Wochen bundesweit umfangreiche Streiks statt.
- „In den letzten 20 Jahren hat sich bundesweit der Bestand der Sozialwohnungen halbiert. Das sind pro Jahr 26.000." So der wohnungspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Christian Kühn am 10.07.21 in der ARD. Gemäß dem aktuellen Bundeshaushalt sind die Ausgaben für das Auswärtige Amt höher als die für das Ministerium für Wohnen, Städtebauentwicklung und Bauwesen.
- Es ist bekannt, dass die Grundstückspreise in den letzten Dekaden überproportional gestiegen sind. „1961 entfielen in München von den Baukosten 8% auf das Grundstück, im Jahre 2018 waren es 79%". Das rechnet der inzwischen verstorbene Dr. H.-J. Vogel, ehemaliger OB von München in seinem Buch: „Mehr Gerechtigkeit!" vor. Das gilt in Abstufungen auch für andere Großstädte in Deutschland. Grund und Boden ist endlich und das Thema seit langem bekannt. Trotzdem greift die Politik nicht ein und schaut einer Verschärfung der Lage zu, indem sie es zulässt, dass auch an ausländische Investoren und Spekulanten Grundstücke, Immobilien und Unternehmen verkauft werden. Auch die öffentliche Hand und Gewerkschaftsverbände haben in den letzten 20 Jahren erhebliche Anteile an Sozialwohnungen am freien Markt veräußert und befeuern damit diesen Prozess.
- So schaffen wir mittelfristig Exklusivstädte für die Oberschicht. Die Stadtplanung München schafft in ihrer Zukunftsplanung bis 2040 wesentlich nur noch Raum für teuere Imageprojekte. So die Broschüre der Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung vom Dezember 2021.
- Die Gehaltsschere zwischen Topmanagern und ihren Beschäftigten in den Dax-Konzernen ist im vergangenen Jahr weiter auseinandergegangen. „Nach einem kräftigen Gehaltsplus verdienten die Vorstände der Börsenschwergewichte 2021 im Schnitt 53-mal so viel wie ihre durchschnittlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter." So im Spiegel Wirtschaft am 28.9.22.
3. Dringlicher Handlungsbedarf
Der Staat trägt ein hohes Maß an sozialer Verantwortung. Die Frage ist, in welchem Umfang er dieser Verantwortung nachkommen kann und will.
Es ist ebenso eine Tatsache, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und ich sehe keine nachhaltigen Anstrengungen zur Regulierung dieser Situation.
Ich will hier aus den im Punkt 2 aufgezeigten Missständen einige soziale Ziele formulieren, die sich jede deutsche Bundes- und Landesregierung oben auf ihre Agenda schreiben sollte.
Deren Umsetzung zeigt nicht nur den guten Willen der Regierung eines Landes, die sozial schwächeren MitbürerInnnen im Blick zu haben, sondern schafft auch mehr soziale Gleichheit und sozialen Frieden.
Dazu zählen:
- Anhebung der Mindestlöhne in den Ballungsräumen auf 18 Euro und jährliche Anpassung in Rahmen der Inflationsrate, damit jeder Beschäftigte sein Leben in Würde und Selbstverantwortung bestreiten kann.
- Massiver Ausbau von öffentlichen Sozialwohnungen in Ballungsräumen.
- Schaffung einer neuen Bodenordnung. Unterbindung von Bodenspekulationen. Kein Verkauf von Gemeinde-, Landes- oder Bundesgrundstücken an Investoren oder Privatpersonen. An ihre Stelle können zeitlich begrenzte Pachtverträge oder alternative Regelungen treten. Im Falle von Privatverkäufen hat die Öffentliche Hand grundsätzlich ein Vorkaufsrecht.
- Verbindliche Regelungen / Deckelungen von Vorstands- Geschäftsführergehältern und Tantiemen. Festlegung einer Quote zwischen den Durchschnittseinkommen der Beschäftigten und den Vorständen (z.B. 1 zu 15). Regelungen hierzu gibt es beispielsweise in der Schweiz.
4. Fazit
Diese wenigen Beispiele zeigen, wie sich eine Regierung bei den schwächeren Bürgern profilieren könnte. Da aber im sozialen Bereich viel zu wenig geschieht, was den schützenswerten Kindern, sozial Schwächeren, Bedürftigen und Rentnern nachhaltig hilft, bleiben Versprechen eher Lippenbekenntnisse. Diese Klientel hat eben keine Lobby. Solange der bayrische Ministerpräsident sich berufen fühlt, vom Balkan Pflegekräfte nach Bayern zu holen, wie die Zeitung „Der Standard" am 11.02.23 berichtet, hat er das Problem nicht verstanden. Im Gegenteil. Das ist ein Schlag ins Gesicht jeder Krankenschwester und Pflegerin, die in der Coranazeit noch als unverzichtbar gelobt und mit 500 Euro abgefunden wurde. Mit den aufgeführten möglichen Ergebnissen und Verbesserungen aus einer nachhaltigen und sozialen Investitionspolitik würde jeder Politiker gefeiert:
- ein Stück mehr soziale Gerechtigkeit in unsrem Land.
- Reduzierung sozialer Spannungen.
- ein spürbarer Beitrag zur Wertschätzung der Bürger.
- Lebenswertere Ballungsräume und Städte
- Verbesserung der sozialen Sicherheit und Vertrauen in den Staat und seine Entscheidungen.
Es spräche aber auch nichts dagegen, ein Stück mehr Selbstverantwortung für alle mündigen Bürger einzufordern.
Dr. Gerhard Müller-Spanka
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