Lt. Pressemeldung der Creditreform vom 16.12.2024 hat die Wirtschaftskrise zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen in Deutschland geführt. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen stieg im Jahr 2024 auf 22.400 Fälle – der höchste Wert seit 2015 (23.180 Fälle). 2024 gibt es insgesamt rund 121.000 Insolvenzen. Besonders die Zuwächse bei den Unternehmensinsolvenzen mit einem Plus von fast 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr stechen hier heraus. „Mit einiger Verzögerung schlagen die Krisen der vergangenen Jahre nun als Insolvenzen bei den Unternehmen durch. Der wirtschaftspolitische Stillstand und die rückläufige Innovationskraft haben den Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt. Daher rechnen wir in 2025 mit einem weiteren Anstieg der Fälle", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung.
Bereits die Restrukturierungsstudien 2023 und 2024 von Roland Berger stellten für die Bau- und Immobilienbranche seit 2023 und in den Folgejahren einen erhöhten Restrukturierungsbedarf fest.
Vorwort:
Auch nach aktueller Auffassung vieler Kreditgeber ist eine Restrukturierung der Passivseite für eine nachhaltige Restrukturierung nicht ausreichend. Vielmehr fordern diese für ihr weiteres Engagement die Ausarbeitung und Vorlage wettbewerbsfähiger und resilienter Geschäftsmodelle durch die Krisenunternehmen, welche die nachhaltige Restrukturierung der Leistungsseite bewirken soll.
In Sanierungsfällen verfügen die angestellten Manager/innen oft nicht über die notwendigen Führungs- und/oder Fachqualifikationen zur erforderlichen Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen. In solchen Situationen können restrukturierungserfahrene Interim Manager (CROs) temporär dabei helfen, den Bedarf kurz- und mittelfristig zu schließen – bis die konkrete Aufgabenstellung gelöst wurde. Dabei kommt es auf langjährige Erfahrung, Führungskompetenz und fundierte Branchenkenntnisse an. Nur so gelingt es, sich unmittelbar in die Interims-Rolle einzufinden und die konkreten Aufgabenstellungen zu bewältigen. Erfahrene Restrukturierungsmanager (CROs) beherrschen die strategischen Werkzeuge für die Überarbeitung der Geschäftsmodelle und strategische Repositionierung von Krisenunternehmen.
Werkzeuge:
Welche strategischen Werkzeuge können für die Überarbeitung der Geschäftsmodelle und strategische Repositionierung der Krisenunternehmen benutzt werden, damit betroffene Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft die aktuelle Polykrise meistern?
✅ Entwicklung einer Vision mit einem ausgewählten Management-Team
Die Vision ist das Bild einer Zukunft, in dessen Mittelpunkt die Organisation und ihr Angebot stehen. Die Mission ist als Auftrag zu verstehen und formuliert die nötigen Zielsetzungen, um die Vision wahr zu machen. Entwurf Zukunftsbild (wo wollen wir in 5 - 10 Jahren stehen?). Dabei Berücksichtigung der wettbewerbsfähigen Positionierung mit Erzielung einer branchenüblichen Rendite, der Unique Selling Propositions (USPs), der Megatrends wie z.B. Nachhaltigkeit, ESG u.a. Ein Beispiel: Wir arbeiten tagtäglich daran unsere Vision (wohin/Ziel) bis X (wann) zu erreichen, indem wir Y (wie) tun. Der Unterzeichner empfiehlt für die Entwicklung und Formulierung einer Vision die Ausrichtung eines Strategie-Workshops unter der Leitung eines Moderators mit einem gemischten, zukunftsorientiert eingestellten Management-Team. Dabei sollte auch der sog. Growth Mindset (eigene Lernfähigkeit und Entwicklung) der Teilnehmer ein Auswahlkriterium darstellen.
✅ Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensstrategien
Unter Unternehmensstrategien versteht man die prinzipiellen Stoßrichtungen, mit denen der Markt bearbeitet werden soll. Die auszuwählenden Strategien hängen zum einen vom Markt ab und zum anderen von den Möglichkeiten und Erfolgsfaktoren des Unternehmens. Aus den Strategien werden Maßnahmen abgeleitet. Sie sind die Tätigkeiten, die im Rahmen der gewählten Strategien liegen. Bei der Strategie der Kostenführerschaft wird der Erfolg über die günstigste Kostenposition und weitergehend über einen niedrigen Preis angestrebt. Im Mittelpunkt dieser Strategie steht die Analyse der wichtigsten Kostentreiber. Entscheidende Maßnahmen und Instrumente sind die dauerhafte Kontrolle der Kosten sowie ein effizienter Einsatz der Produktionsmittel, das Sicherstellen einer hohen Arbeitsproduktivität und das Vermeiden von Kunden mit geringen Auftragsgrößen. Bei der Technologieführerschaft geht es vor allem darum kontinuierlich verbesserte Produkte bzw. neue Dienstleistungen am Markt anzubieten, durch Prozessoptimierung, Lean Management, Methodenkompetenz und Projektmanagement die Teilprozesse permanent zu optimieren, die Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen (USP) und Imitationsbarrieren (z.B. Patente) zu erreichen und optimal eine Positionierung am Markt als unverwechselbare Marke zu erzielen. Um in der Baukrise zu bestehen und gestärkt daraus hervorzugehen, können deutsche Bauunternehmen und Handwerksbetriebe laut dem Artikel der Fachzeitschrift Baugewerbe vom 20.11.2024 folgende Strategien verfolgen:
- Diversifizierung: Erweiterung des Leistungsspektrums, um verschiedene Kundengruppen anzusprechen und „Klumpenrisiken" zu vermeiden
- Fokus auf Sanierung und Modernisierung: Diese Bereiche bleiben auch in Krisenzeiten stabil
- Digitalisierung: Nutzung digitaler Tools zur Effizienzsteigerung und Kundengewinnung
- Weiterbildung: Kontinuierliche Fortbildung, um technologisch Schritt zu halten
- Kooperationen: Zusammenarbeit um größere Projekte stemmen zu können
- Nachhaltigkeit: Positionierung als Experte für energieeffizientes und nachhaltiges Bauen
✅ Definierung von KPIs und Führen mit Benchmarks
Ein Key Performance Indicator (KPI) oder eine Kennzahl für den Bau- und Immobilienbereich ist ein quantifizierbares Maß, mit dem die Leistung eines Unternehmens, einer Investition oder einer Einzelperson, die in diesen Branchen tätig ist, beurteilt werden kann. Für die erfolgreiche Transformation ist das verstärkte Führen mit Benchmarks, Früh- und Spätwarnindikatoren, d.h. Kennzahlen / Indikatoren (KPIs) erforderlich. Häufig verwendete Kennzahlen in der Bau- und Immobilienwirtschaft sind die Auslastung (Frühindikator), Kundenindex (Frühindikator), Mitarbeiterfluktuation (Frühindikator), Gesamtleistung je Mitarbeiter (Spätindikator), Umsatzrendite (Spätindikator) und Produktivität (Spätindikator). Die gewählten KPIs müssen dem Branchenvergleich standhalten und sowohl ambitioniert, als auch realistisch und realisierbar sein.
✅ Ausarbeitung einer Balanced Scorecard (BSC) zur strategischen Führung des Unternehmens
Bei der Balanced Scorecard (BSC), handelt es sich um ein Managementsystem zur strategischen Führung eines Unternehmens unter Einbeziehung der Mitarbeiter. Hauptziel der BSC ist das Herunterbrechen der Unternehmensstrategien auf relevante, messbare Erfolgsfaktoren. Auf Basis einer klaren Vision werden strategische Ziele für die vier Bereiche Finanzen (wirtschaftliche Dimension), Kunden/Markt (kundenbezogene Dimension), Prozesse (interne Prozessdimension) sowie Mitarbeiter (Lern- und Entwicklungsdimension) abgeleitet, in eine kausale Beziehung zueinander gesetzt und durch Kennzahlen operationalisiert.
Die wirtschaftliche Dimension / Perspektive definiert die wirtschaftliche Leistung, die von dem Unternehmen erwartet wird (z.B. Umsatzrendite und -steigerung, Betriebsergebnis).
Die kundenbezogene Dimension reflektiert die Ziele eines Mitarbeiters für die Betreuung seiner Kunden- und Marktsegmente (z.B. die Kundenzufriedenheit).
Aufgaben der internen Prozessdimension / Perspektive ist es, Ziele für die Verhaltensweisen zu setzen, die der Erfüllung der wirtschaftlichen und der kundenbezogenen Ziele dienen (z.B. Dauer der Auftragsbearbeitung, Bearbeitung von Kundenbeschwerden, Reduzierung von Qualitätsmängeln).
Zielgrößen aus der Lern- und Entwicklungsdimension stellen auf Aktivitäten zur langfristigen Mitarbeiter- und Unternehmensentwicklung ab. Die Qualifizierung und Motivation von Mitarbeitern sowie die Pflege und der Ausbau der Informationssysteme sind Eckpunkte dieser Dimension
✅ Formulierung Leitbild mit zukünftiger Erzielung einer branchenüblichen Umsatzrendite
Das Leitbild umschreibt die Konturen eines Unternehmens, das in wirtschaftlicher Hinsicht mindestens eine nachhaltige durchschnittliche branchenübliche Umsatzrendite und Eigenkapitalquote aufweist. Es erschöpft sich nicht in einer Beschreibung gegenwärtiger Verhältnisse, sondern zeichnet das Bild eines zukünftigen Unternehmens, das wieder attraktiv für Eigen- und gegebenenfalls Fremdkapitalgeber geworden ist. Das Leitbild gibt das Ziel der Unternehmensentwicklung an.
✅ Mehr Produktivität durch Digitalisierung aller Planungs- und Bauprozesse sowie der staatlichen Genehmigungsverfahren
Die strategischen Werkzeuge reichen natürlich alleine nicht aus um die Baukrise zu überwinden. Gleichzeitig muss in den betroffenen Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft die Produktivität durch die Digitalisierung aller Planungs- und Bauprozesse gesteigert werden. Ebenfalls spielt perspektivisch der Bürokratieabbau eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche. Die staatliche Überregulierung ist einer der größten Treiber von Baukosten. „Die Bauwirtschaft muss ihre Produktivität steigern", schreibt der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) am 03.12.2024 im Handelsblatt. Dies soll durch die Digitalisierung aller Planungs- und Bauprozesse, von der Projektplanung und -genehmigung über Kalkulation und Abrechnung, Ressourcenmonitoring und Baugerätesteuerung bis hin zur Vernetzung von Infrastrukturen erreicht werden (Internet der Dinge, IoT).
Auch der Staat muss die Transformation mit durchgängig digitalen Genehmigungsverfahren und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verwaltung begünstigen. Zudem sind die Forschung und Anwendung von Automatisierungs- und Robotikansätzen für den Bau zu fördern.
Fazit:
Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht in der aktuellen Polykrise vor beispiellosen Herausforderungen, die eine grundlegende Anpassung der Strategie in Form der Anpassung und Ausarbeitung wettbewerbsfähiger und resilienter Geschäftsmodelle der Unternehmen und eine strategische Repositionierung erfordern. In der Krise ist es wichtig, dass die gesamte Branche gemeinsam mit branchenerfahrenen Experten und der Politik an nachhaltigen Lösungen arbeitet. Um die Baukrise zu beenden, muss in den Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft die Produktivität durch die Digitalisierung aller Planungs- und Bauprozesse gesteigert werden. Gleichzeitig spielen der Bürokratieabbau und die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche. Die staatliche Überregulierung in Deutschland ist einer der größten Treiber von Baukosten.
Roland Streibich MBA
PROFIL BEI UNITEDINTERIM
Johannisstraße 2
D - 88444 Ummendorf
Tel: +49 7351 / 80 22 55
Mobil: +49 171 / 655 56 69