Mittlerweile bin ich seit 16 Jahren im Bereich Interim Management unterwegs.
Seit Jahren beschäftigt mich immer wieder das Thema „Interne Vakanzüberbrückung".
Warum? Weil es eine der häufigsten Absagen für angedachte Projekte ist. Meist nach positiven Kennenlern-Gesprächen, einer gewissen Zeitspanne, wo man das Gehörte einmal sacken lassen möchte, kommt dann die wenig überraschende Aussage, dass man herzlichst für das Gespräch danke, die Kandidaten im Prinzip sehr gut passen würden, aber …
Nach reiflicher Überlegung habe man sich entschieden, diese vakante Position über im eigenen Haus vorhandene Mitarbeiter mit abdecken zu lassen.
Zum einen freue ich mich immer, dass die Unternehmen anscheinend genügend gut qualifizierte Kollegen für die vakanten Aufgaben haben. Und unter dem nahezu überall existierenden Kostendruck kann ich diese Entscheidung auch gut nachvollziehen.
Allerdings bin ich unterm Strich doch immer wieder sehr verwundert.
Zum einen: Warum trifft dies im Prinzip immer nur auf "White Collar", und nicht auf "Blue Collar" zu?
Liegt es daran, dass für "Blue Collar" die Arbeitsplätze häufig zu 100% getaktet sind und jedem sofort klar ist, dass eine Produktionslinie einfach nicht mehr funktionieren kann, wenn dort ein Mitarbeiter fehlt? Für jeden nachvollziehbar werden als gangbare Abhilfemaßnahme häufig Leiharbeiter oder entsprechend qualifizierte exteren Mitarbeiter dort für die Übergangszeit eingesetzt, und reißen somit in anderen Bereichen dann nicht die entsprechenden Löcher.
Aber wie sieht es bei "White Collar" aus?
Anscheinend komplett anders?
Warum ist das so? Glaubt man tatsächlich, dass in diesem Bereich die Kollegen und Mitarbeiter nicht voll ausgelastet sind und somit ohne Weiteres eine weitere Position locker nebenher abdecken können?
Wenn man dies unterstellen sollte, dann würde ich in vielen Unternehmen immense Optimierungspotentiale sehen, da man diverse Positionen ja komplett streichen könnte. Man verteilt die relevanten Aufgaben einfach auf andere Kollegen. Sollte man tatsächlich einmal durchrechnen.
Also: In vielen Unternehmen, in denen ich tätig war, arbeiten viele Mitarbeiter locker im Bereich der 50h/Woche und man kippt einfach noch was oben drauf. Ist ja nur für eine Übergangszeit, das kann man doch mit abdecken. Sollen sie sich halt anders organisieren. Über ggf. fehlende Fachkompetenz für diese Aufgaben möchte ich mich gar nicht auslassen.
Geht man wirklich davon aus, dass folgende Situationen nicht eintreten?
- Mitarbeiter erledigt alle Aufgaben nur teilweise, so dass das daily business irgendwie weiter läuft. Aber er hat keine Möglichkeiten sich um detaillierte Problemstellungen zu kümmern, ohne dass eine andere Aufgabe leidet.
- Projekte und Kundenaufträge können nicht in der Form abgewickelt werden, wie sie geplant waren. Das führt zu Überarbeitung, Frust und im Zweifelsfall zu Ausfällen.
- Diese Ausfälle wiederum müssen von anderen Mitarbeitern aufgefangen werden. Eine Spirale, die sich so lange dreht, bis die Vakanz besetzt werden konnte und der Mitarbeiter somit volle Leistung bringen kann.
- In der Summe führt all das dazu, dass auch die Umsätze respektive die Erlöse schrumpfen.
Auf der anderen Seite reden wir seit geraumer Zeit immer mehr über Fachkräftemangel – und dort insbesondere darüber: "Wie schaffe ich ein vernünftiges Betriebsklima und binde Fachkräfte ans Unternehmen?".
Am Wochenende habe ich in einem Artikel gelesen, dass viele Mitarbeiter auf die 32,5 h/Woche gehen würden. Gilt dies nur für gewerbliche Mitarbeiter oder auch für Führungskräfte?
Neben dem wichtigen Punkt Cost of Vacancy (Welche Kosten verursacht eine unbesetzte Stelle?) stellt sich somit die Frage, ist eine interne Vakanzüberbrückung wirklich sinnvoll und generiert diese Entscheidung einen Mehrwert für das jeweilige Unternehmen?
Oder macht es doch mehr Sinn, auf externe Kapazitäten z.B. in Form von Interim Management zuzugreifen?
Vielleicht übersehe ich allerdings auch gewisse Punkte, die für eine interne Vakanzüberbrückung sprechen. Wenn Sie welche haben sollten, freue ich mich auf Ihre Kommentare.
Dr. Lars Peters
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