Digital versus Digitalisierung
Der erste Schritt zu „digital" begann mit der Einführung der Elektronischen Daten-Verarbeitung, dem Übergang von der papierbasierten Verarbeitung von Unternehmensdaten durch Software mit Bits und Bytes.
Die Begrifflichkeit hat sich im Lauf der Zeit wohl zu IT, ERP, BI gewandelt, aber es handelt sich weiterhin im Kern um transaktionsorientierte Anwendungen in der Auftragsabwicklung. Bisher habe ich in vielen Projekten noch keinen Project-Scope oder Systemaufsatz gesehen, der auch einen transformations-orientierten Ansatz verfolgte: Daten sammeln, lesen und werten, korrelieren und interpretieren, in Kontext bringen, lernen.
In der Regel dienen auch Data Warehouse / Business Intelligence Anwendungen heute eher dem internen Finanz- und/oder Vertriebs- Reporting und Controlling.
Von Digitalisierung sollte deshalb erst gesprochen werden, wenn elektronisch erhobene, gespeicherte und ausgewertete Daten
– die Grundlage von Geschäftsmodellen liefern mit denen der Kundennutzen schneller erkannt und in eine Andienung umgemünzt werden sollen oder
– Prozesse in der Wertschöpfungskette optimiert werden sollen.
Zu nennen sei hier das IoT, Internet of Things. Integrative und kommunizierende Systeme zwischen den Marktteilnehmern lassen sich aufbauen. Gerade im Servicebereich gibt es da große Potentiale. Im internen Bereich muss z.B. über die Integration der MES- und ERP-Systeme nachgedacht werden.
Big Data ist ein weiteres Stichwort. Die grossen Internetfirmen in Social-Media oder Online-Handel gehen in ihren Bestrebungen, gigantische Datenmengen für Micro-Marketing zu nutzen, voran. AI – künstliche Intelligenz – ist der nächste Schritt. Gespeicherte Daten werden zu Informationen vedichtet und durch Algorithmen in Kontext gebracht, um Entscheidungen herbeizuführen.
Aber..
Software war früher keine Lösung für die zugrundliegenden Probleme.
Digitalisierung ist heute keine Lösung für die zugrundliegenden Probleme.
Software und Digitalisierung sind nicht das Ziel per se, sondern nur Mittel zum Zweck! Daten sind die Basis der Informationen aus denen wir Wissen generieren!
Plädoyer:
Nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun! „Big Data" klein anfangen - Erkenntnisse gewinnen!
In vielen IT/ERP-Projekten bin ich auf die gleiche Problematik gestossen. Der Belegfluss im Prozessablauf stand im Vordergrund (transaktionsorientiert). Begünstigt durch das „betriebsblinde" Customizing der Module durch die „Silo"-Verantwortlichen in den einzelnen Funktionen wurde die Definition des Datenmodells des Gesamt-Systemaufsatzes keine besondere Beachtung geschenkt.
Mit Blick auf das aktuelle Geschäftsmodell und das Monitoring der eigenen Wertschöpfungskette sollte die Granularität der Stammdaten erhöht werden. Kundendaten, Verkaufsartikel, Fertigungsartikel, Einkaufsartikel und Anlagen sollten mit möglichst vielen relevanten Dimensionen und Merkmalsausprägungen angereichert werden. Feinere Segmentierungen sind möglich, Abhängigkeiten können besser erkannt und bemessen werden. Nicht umsonst wird mitunter in Firmen das Thema PDA- Produktdatenbank aufgenommen, weil dieses Element bei der ERP-Einführung vernachlässigt wurde.
Dann ergeben sich weitere Potentiale durch die Abstimmung und Integration von BDE, MES und ERP. Instandhaltungsintervalle ergeben sich durch Maschinennutzung. Instandhaltung kann als „Fertigungs-Auftrag" im ERP eingelastet werden. Einkaufs- und Bestandsplanung können mit den Maschinendaten und Instandhaltungsintervallen sowie Fertigungsplanung in Abstimmung gebracht werden.
Durch die Integration mit CRM- und Marktdaten in das Datenmodell erschliessen sich weitere Möglichkeiten die Kundenbindung durch eine höhere Agilität zu verstärken.
Wenn das eigene Haus bestellt ist, können weitere Schritte hin zu einer tieferen Verzahnung mit Systemen auf der Kundenseite und damit einer grösserern Kundenbindung angegangen werden.
Sogar in der Automobilndustrie gibt es noch bei den Zulieferern in dieser Hinsicht Aufholbedarf bei den internen Systemen.
Aber…
Problematischer sind Konzepte wie Big Data und KI. USP- und Wettbewerbsvorteile können durch Me-Too-Strategie erodieren!
Die Auswertung von riesigen Datenmengen erfordert ein hohes Mass an Expertenwissen. Es zeigt sich heute schon der Mangel an geeigneten Fachkräften und die Abhängigkeit von wenigen Programmierern.
Damit müssen folgende Fragen gestellt werden:
– Wer versteht die Korrelationen und Clusterbildungen etc.?
– Wer denkt sich neue Geschäftsmodelle und USPs aus?
– Werden alle Produkt- und Nutzenandienungen ähnlich werden?
– Werden wir im Marketing abhängig von der Logik anderer
Die Finanz-„Industrie" zeigt auf alarmierende Weise die Abhängigkeiten. Wer versteht die Logik der Derivate?
FAZIT
Mehr denn je gehört mit Blick auf die sich abzeichnende Entwicklung zu eigenverantwortlichem Handeln das Verstehen – der wissende Mitarbeiter, der in der Lage ist, zu beurteilen, Schlüsse zu ziehen und zu steuern.
Nach IT-Leiter und heutigem Chief Information Officer verlangt es morgen nach dem CDA, dem Chief Data Officer, der Datenmodelle an zentraler Stelle mitentwickelt und an der Entwicklung der Geschäftsmodelle mitwirkt.
Man bleibt nur Herr über das eigene Tun durch den Dreiklang des unfassbaren Kapitals:
Gern höre ich Ihre Meinung zu diesem Thema und erwarte eine rege Diskussion.
Hans Rolf Niehues – Unternehmensnavigation
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