By Ulf Camehn on Montag, 07. September 2020
Category: INTERIM MANAGER

Familienunternehmen: Harte Einschnitte bei Restrukturierungs-Maßnahmen rechtzeitig vermeiden

In meinen Blog-Beiträgen Gut aufgestellt?" und Sonstige betriebliche Aufwendungen: Sagen Sie nicht, Sie können nichts mehr einsparen!" bin ich bereits auf die am häufigsten anzutreffenden Managementfehler als auch auf die Möglichkeiten zur Reduzierung des sonstigen betrieblichen Aufwands eingegangen.

In diesem Beitrag möchte ich stärker auf die Situation und Spezifika in Familienunternehmen eingehen. Und dabei denke ich nicht an Firmen wie Volkswagen & Co., die aufgrund ihrer Eigentümerstruktur in den meisten käuflich zu erwerbenden Listen und Veröffentlichungen nach wie vor als Familienunternehmen geführt werden. Wenn ich an mittelständische Familienunternehmen denke, meine ich Firmen, bei denen die gleichnamige Gesellschafterfamilie die Geschicke des Unternehmens lenkt und die Anteile ausschließlich im Familienbesitz sind.

„Mittelstand ist, wo im Falle einer Insolvenz kein Politiker kommt." So die Aussage eines ehemaligen Dozenten in meiner Controller-Ausbildung. Ich denke jetzt weiß jeder, woran ich bei Mittelstand und Familienunternehmen denke.

Gerade jetzt stehen viele Unternehmen in Folge von Corona unter Druck. Seit der letzten Weltwirtschaftskrise ging es bis dato nur bergauf. Das niedrige Zinsumfeld beflügelte die Unternehmensergebnisse. Seither hat man sich auch Dinge geleistet, hier und da auch den einen oder anderen Mitarbeiter zu viel an Bord behalten und sich wenig bis gar nicht um die Sachkosten gekümmert. Corona wirkt dabei wie ein Brennglas. Spätestens jetzt müssen Unternehmen ihre Restrukturierung einleiten - um noch härtere Maßnahmen zu vermeiden und nicht zum Sanierungsfall zu werden.

In der Regel betrachten Außenstehende nur das letztendliche Resultat: Ein Unternehmen in der Krise oder in der Insolvenz. Doch in dieses Stadium gelangen Unternehmen nicht von heute auf morgen. Es ist ein teilweise langer und unbemerkter Prozess. Aus diesem Grund möchte ich vorne beginnen, mit der Stakeholderkrise (Stakeholderkrise > Strategiekrise > Produkt- und Absatzkrise > Erfolgskrise > Liquiditätskrise > Insolvenzreife).

Familienunternehmen sind einer Gefahr deutlich stärker ausgesetzt als Publikumsgesellschaften: Nämlich, dass es familiäre Umbruchsituationen gibt und immer geben wird, für die es keine vorgefertigte Musterlösung gibt. Bevor ich näher darauf eingehe, muss man sich folgende Herausforderung vor Augen halten: Die Gesellschafterstruktur verändert sich bei Familienunternehmen in der Regel im Zuge von Generationswechseln. Da jeder Gesellschafterteil seine Anteile in der Regel gleichberechtigt an die Kinder überträgt, verteilen sich die Anteilsverhältnisse in der Zukunft auf immer mehr Personen mit immer weiter voneinander entfernten Verwandtschaftsverhältnissen. Und jeder weiß, dass zu viele Köche den Brei verderben. Bereits an diesem Punkt kann der Nährboden für spätere Unstimmigkeiten und Handlungsunfähigkeit liegen. Unternehmerfamilien sind daher gut beraten, diese Herausforderung mit der notwendigen Professionalität anzugehen. In der Praxis wird dann z. B. je Familienstamm eine Beteiligungsgesellschaft gegründet, die wiederum nur von einer Person geführt wird und die Interessen in der Hauptgesellschaft vertritt. So kann man verhindern, dass zukünftige Gesellschafterversammlungen aus zu vielen Gesellschaftern bestehen und sich Einigungen immer schwieriger und langwieriger herbeiführen lassen.

Zurück zu der familiären Umbruchsituation: Hier kann es um Geschwisterrivalitäten, Neid, Missgunst und natürlich ums liebe Geld gehen. Aus diesem Grund empfiehlt sich eine Family Governance. Diese zielt darauf ab, dass sich die Gesellschafter auf Leitplanken ihres unternehmerischen Handelns verständigen und wie sie bzw. die Gesellschafterfamilie mit dem Unternehmen umzugehen gedenkt. Bestandteile einer solchen Family Governance können Ziele, Werte, Abstimmungsregeln, der Umgang mit dem Vermögen oder auch der Umgang mit familiären Veränderungen und Konflikten sein. Eine Art Verfassung in eigener Sache. Diesbezüglich gibt es eine Vielzahl an Beratungs- und Weiterbildungsangeboten. Einfach mal googeln.

Was hat das nun mit Krisenmanagement zu tun? Ganz einfach. Nur eine intakte Gesellschafterstruktur und eine handlungsfähige Geschäftsführung kann in existenziellen Situationen wie der Corona-Krise schnell, aber dennoch beherzt und abgewogen reagieren. Von daher beginnt Krisenmanagement bereits mit der Prävention und Sicherstellung der Handlungsfähigkeit. Somit kann die wirkungsvolle Kombination aus Corporate- und Family Governance auch die Vorgehensweisen in Krisensituationen abdecken.

Weitere Stakeholder sind u. a. die Arbeitnehmervertreter, ein etwaiger Aufsichtsrat/Beirat, Kreditgeber, Lieferanten, das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger.

Allein die vorangegangene Aufzählung der Stakeholder bietet Potentiale.

So geht es gegenwärtig insbesondere um Liquiditätssicherung. Für gewöhnlich versuchen Familienunternehmen mit ihren vorhandenen Mitteln zu arbeiten, das Geld zusammenzuhalten und fremde Mittel nur restriktiv einzusetzen. Das unterscheidet sie grundlegend von Publikumsgesellschaften, die klar kapitalmarktorientiert agieren. Von daher kommt dem Ausgabeverhalten eine zentrale Bedeutung zu. Sparsamkeit muss von höchster Stelle vorlebt werden. „Warum ich lieber billig fliege? Warum ich in der Eisenbahn 2. Klasse reise? Wie zum Teufel soll ich von meinen Mitarbeitern verlangen, dass sie Spesen sparen, wenn ich selbst im Luxus schwelge?", so Ikea-Gründer Ingvar Kamprad. Ich selbst kenne Unternehmer, die den Warmwasserboiler unter dem Waschbecken einregulieren, Büroklammern aufheben oder das Licht ausschalten. Mir hat das immer imponiert. Das sind Unternehmer, die sich ihren Status Quo hart erarbeitet haben, privat bürgen und wissen, dass sich ihr vorbildliches Verhalten in der Belegschaft multipliziert.

Nachstehend eine nicht abschließende Aufzählung liquiditätssichernder Maßnahmen:

(1) Professionalisierung des Working Capital Managements: Straffung des Debitorenmanagements; schneller Abgabe an Ihren Inkassodienstleister; Verkauf von Forderungen; Reduzierung des Vorratsvermögens

(2) Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen

(3) Reduzierung und/oder Stundung von Steuervorauszahlungen

(4) Sale-and-lease-back und evtl. einhergehend mit einem Ertrag aus Anlagenabgang

(5) Aufnahme von Gesellschafterdarlehen

(6) Verlängerung von Krediten zur Reduzierung der mtl. Tilgungsrate

(7) Stundung von Krediten

(8) Kapitalerhöhung

(9) Inanspruchnahme von Überbrückungskrediten

(10) Gehaltsverzicht

(11) Gehaltsumwandlungen (insb. für das Top-Management)

(12) Aussetzen von freiwilligen Leistungen (z. B. Fitnessstudio, Kontoführungsgebühren etc.)

(13) Gehaltskürzungen

(14) Sanierungstarifvertrag

(15) Mitarbeiterdarlehen

(16) Kurzarbeit

(17) Kündigung von Mitarbeitern in der Probezeit

(18) Nichtverlängerung befristeter Verträge

(19) Keine Übernahme von Auszubildenden; Aussetzen eines Azubis-Jahrgangs

(20) Massenentlassung

(21) Versuchen, die Aufwendungen für Mieten und Pachten zumindest vorübergehend zu reduzieren

(22) Erhöhung von Kreditlinien

(23) Verlängerung von Zahlungszielen (Lieferantendarlehen)

(24) Restriktiveres Beschaffungswesen durch Einführung der sog. Pendelliste

Zur Liquiditätssicherung gehört auch die nachhaltige Reduzierung der Steuerlast – natürlich ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Dies muss ein elementarer Bestandteil des Finanzmanagements von Familienunternehmen sein. Eher oft als selten avanciert der Fiskus mit seinen Forderungen zum gefühlten Hauptgesellschafter. Damit entzieht der Staat dem Unternehmen dringend benötigte Finanzmittel. Sparen Sie als Unternehmer nicht am falschen Ende. Haben Sie auch den Mut weitere Berater ins Boot zu holen oder alte Verbindungen zu lösen. Nicht jeder Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater ist für jede Unternehmensgröße und Fragestellungen gleich gut geeignet. Das gilt für fast jede Berufsgruppe, auch für Interim-Manager.

Eine weitere, nicht unwesentliche Maßnahme besteht in einer zurückhaltenden Ausschüttungspolitik. Gewinne sollen nach Möglichkeit thesauriert werden und somit im Unternehmen verbleiben. Um die unternehmerische Unabhängigkeit nachhaltig zu verteidigen, bedarf es Eigenkapitalquoten von mindestens 30%, besser mehr. Entsprechend sind Familienunternehmen gut beraten, auch den Umgang mit Gewinnen gesellschaftsvertraglich als auch in der Family Governance zu regeln.

Familienunternehmen sind m. E. auch gut beraten, sich einen Beirat einzurichten. Bei Aktiengesellschaften geschieht das in Form des Aufsichtsrates kraft Gesetzes. Dieses Kompetenzgremium sollte möglichst heterogen besetzt sein. Es gilt, die richtige Mischung aus Kompetenz, Branchenerfahrung, Identifikation und Objektivität zu finden. Es ist aber durchaus sinnvoll, wenn dem entsprechenden Gremium Mitglieder der Gesellschafterfamilie angehören, sofern sie nicht aktiv im Unternehmen mitarbeiten. Sie sind mit den Werten, der Kultur und den Strömungen innerhalb der Gesellschafter vertraut und beachten bei ihren Entscheidungen, Einwänden und Ratschlägen die Auswirkungen auf das eigene Familiensystem.

In einen solchen Rahmen gehört auch das Hinterfragen der eigenen Geschäftsidee. Viele Familienunternehmen fühlen sich der Gründeridee verpflichtet. Ihnen fällt es schwer, in Alternativen zu denken. Mitunter plagt sie das Gewissen. So kommt es, dass nicht nur Familienunternehmen in eine sogenannte strategische Starre verfallen. So gibt es sowohl für die konsequente Beibehaltung der einmal eingeschlagenen Geschäftsfeld-Strategie positive Beispiele, aber genauso viele für die erfolgreiche Diversifikationsstrategie. Zielführend könnte die Kombination der alten Banker-Regel „Nicht alle Eier in einen Korb" gepaart mit dem Verständnis des Ikea-Gründers „Wer sich verzettelt, kann keinen Erfolg haben" sein. Man könnte das eine tun und das andere nicht lassen.

Mein Beitrag soll verdeutlichen, dass es abseits von Kosten und Erlösen eine Menge weiterer Einflussfaktoren zu berücksichtigen gilt. Entsprechend bedarf es Führungskräften, Beratern und Interim Managern, die in Familienunternehmen zu Hause sind.

Spätestens jetzt ist die Zeit zum Handeln und zum strategischen Hinterfragen des eigenen Tuns gekommen. Warten Sie nicht darauf, dass die Probleme zu Ihnen kommen! Probleme, die man ignoriert, verschwinden nicht, sie holen Verstärkung! Als Familie behalten Sie so das Heft des Handelns in der Hand. Die gezielte Beauftragung eines vertrauenswürdigen Interim Managers kann Ihnen helfen, Ihre Ergebnispotentiale nicht nur zu identifizieren, sondern auch zu heben. Zudem kann er Ihnen als unabhängiger Experte beratend zur Seite stehen, und Sie ausgleichend wie glaubwürdig in Richtung aller Stakeholder unterstützen.

Ulf Camehn
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