By Ulrich Späing on Montag, 08. Februar 2021
Category: INTERIM MANAGER

Bewusster seit Corona? Haben wir aus der Corona-Pandemie gelernt? (Teil 2 - Fortsetzung)

Ulrich Späing war elf Jahre in der Nahrungsmittelindus trie im Management, im Finanz- und Rechnungswesen, in der Sanierung/Restrukturierung und im Vertrieb. Seit 2018 ist er United Interim Pool-Mitglied und Interim Manager seit 1986. Von der Deutschen Börse AG wurde als Fachaufsichtsrat für den Prüfungsausschuss zertifiziert. Mit Engagement übte er mehrere Jahre das Mandat als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzende der der börsengehandelten United Labels AG aus. 

Nach einer Trendstudie „Bewusster leben" der Otto Group kommt Trendforscher Peter Wippermann zu dem Ergebnis, „Konsum ist Haltung". Immerhin 70 Prozent der 1149 befragten Bundesbürger im Alter zwischen 14 und 70 Jahren bezeichnen ethische Kriterien als festen Bestandteil von Kaufentscheidungen. Zum Vergleich: Bei der letzten Befragung 2013 lag dieser Wert sechs Prozentpunkte niedriger.

Besonders wichtig sind den Konsumenten dabei:

(1) umweltfreundliche Herstellung

(2) menschenwürdige Arbeitsbedingungen

(3) Produkte aus fairem Handel

(4) das Thema Recycling und Kreislaufwirtschaft

(5) und dazu eine längere Produktnutzungsdauer.

Nachhaltige Prinzipien gewinnen (beim Einkaufen in der Corona-Krise) an Bedeutung

Erst recht seit Beginn der Corona-Pandemie geben 20 Prozent der Befragten an, seitdem noch bewusster und nachhaltiger und nach ethischen Kriterien einzukaufen. Deren Gesamtzahl wird stetig größer. Größer wird auch die Zahl derjenigen, die nicht nur reden, sondern tatsächlich handeln.

Als Beleg für Wandel dient unter anderem das Verhalten von Aldi und Lidl. Die Discounter setzen zunehmend auf Themen wie Nachhaltigkeit, Bio oder Vegan. Und wenn der Discount damit anfängt, ist das ein Zeichen, dass es sich um den Mainstream-Wunsch handelt.

Als Bindeglied zwischen den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, der Agrarbranche und dem Handel, spielt die Ernährungs- und Genussmittelindustrie eine zentrale Rolle. Es werden Debatten geführt über Verpackungsmaterialien, CO2-Reduktion, Green Deal der EU und Klimawandel, nachhaltige Landwirtschaft und Verarbeitung, Bio, Regionalität, Tierwohl, faire Geschäftspraktiken und UTP-Richtlinie. Für neue Themen, wie den Onlinehandel, ist die Pandemie ein regelrechter Katalysator.

Lieferanten in der Pflicht und Druck auf Unternehmen

Es hat inzwischen tatsächlich spürbare Konsequenzen, wenn Unternehmen Umwelt und Natur nachhaltig schädigen. 68 Prozent der Befragten können sich mittlerweile Boykotte gegen diese Unternehmen mit unfairem Verhalten vorstellen. Diese Unternehmen haben oft auch Probleme bei der Mitarbeitersuche. Die jungen Menschen stellen Forderungen und sagen sehr genau, was sie vom Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit erwarten.

Und am Supermarkt-Regal entscheiden zunehmend Sozialstandards und Umweltauswirkungen. Die Zeit der Greenwashings gehe dem Ende entgegen, bestätigen sich Unternehmer gegenseitig. Im Zeitalter von Digitalisierung und sozialen Medien wird das brutal aufgedeckt.

Es werden noch hohe Kosten auf die Unternehmen zukommen. Denn echte Nachhaltigkeit ist teuer, vor allem, wenn man spät damit anfängt.

Genuss ist den Verbrauchern wichtig

In der Krise müssen viele Unternehmen ihre Geschäftsmodelle hinterfragen. In Zeiten des Umbruchs – sei er gesellschaftlicher, politischer oder technologischer Natur – wird die enorme Bedeutung von Essen erkennbar. Es ist nicht nur Lebensgrundlage, sondern bringt auch Lebensqualität. Es ist Bindeglied einer pluralistischen Gesellschaft. Unabhängig von Lebensstil, Gesellschaftsklasse oder Alter. Der Genuss qualitativ hochwertiger Produkte ist für viele Verbraucher selbstverständlich.

Nachhaltigkeit – Fokus auf Wirtschaftlichkeit

Diese Selbstverständlichkeit ist für uns und alle Akteure der Ernährungsindustrie ein Kompliment, zeigt sie doch den gewohnt hohen Standard von Nahrungsmitteln in Deutschland. Trotz globaler Herausforderungen sich verändernder Rahmenbedingungen sorgen hunderttausende Landwirte, Lebensmittelhersteller, und –händler sowie Handwerk und Gastronomie dafür, dass den Verbrauchern stets sichere, geschmackvolle und preiswerte Produkte zur Verfügung stehen. Ein Verdienst, der der Innovationskraft der Branche zu verdanken ist. Sie reagiert auf aktuelle Probleme, wie Dürresommer. Und die Ernährungsindustrie stellt die Weichen für die Lösung künftiger Aufgaben.

Unser Thema Wirtschaftlichkeit ist so durch und durch ein Nachhaltigkeitsthema - Nachhaltigkeit mit drei Säulen:

(1) Ökologie

(2) Soziales Engagement

(3) Ökonomie

Grund ist, dass das eine nicht geht, ohne das andere. Wenn wir nicht wirtschaftlich gesund bleiben, können wir uns nicht für Nachhaltigkeit engagieren. Dazu gehört das nachhaltige Erhalten eines Unternehmens – zum Beispiel unter Nutzung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes StaRUG.

Nachhaltige Produktions- und Wertschöpfungsketten

Die Wertschöpfungskette besteht aus allen Schritten, die in den Produktions-, Verbrauchs- und Entsorgungs-/Recyclingprozessen eines bestimmten Produkts oder einer Dienstleistung enthalten sind. Eine typische Wertschöpfungskette reicht von der Rohstoffbeschaffung bis zur Entsorgung, über Lieferanten, Hersteller, Einzelhändler, Verbraucher und andere Akteure. Im zirkulären Modell der Wertschöpfungskette werden Materialien wiederverwendet oder recycelt, um den Abfall zu minimieren. Im nachhaltigen Wertschöpfungsnetz gibt es keine Auf- und Abwärtsströme mehr, sondern ein Netzwerk von Interaktionen und Wertaustausch. Die Konzepte von Produktion und Konsum verschwimmen zunehmend. Die nahtlose Integration von Kleinproduzenten ermöglicht es den Beschaffern, die Nachfrage nach lokal beschafften Lebensmitteln zu befriedigen und den Abfall zu reduzieren.

Ja, Corona-Krisengewinnler gibt es zu Hauf.

Der Corona-bedingte Digitalisierungsschub ändert unsere Lebensgewohnheiten und hat Auswirkungen auf den Wert von Marken. Apple, die wertvollste Marke der Welt, wächst rund 40 % (!). Onlinehändler Amazon und Microsoft sind in der Krise noch wertvoller geworden. Drei US Unternehmen besitzen die wertvollsten Marken der Welt. Sie haben zusammen rund 222 Mrd. $ an Wert hinzugewonnen.

Unter den Top 15 der wertvollsten Marken befinden sich nur zwei deutsche, Daimler AG auf Rang 8 und BMW auf Rang 11. Sie zeigten sich allenfalls stabil. Von Wertzuwachs kann angesichts herber Absatzeinbrüche keine Rede sein.

Die Geschäftsmodelle von High Tech und Social Media sind gefragt. Deutsche Unternehmen mit innovativen Geschäftsideen finden sich in der Top 100 dagegen nicht. Ein Alarmsignal. Die Newcomer unter den 100 wertvollsten Marken stammen allesamt aus den USA. Es sind starke Tech-Marken, wie Instagram, You Tube, Tesla, Netflix, Lieferando, amazon aber auch die deutschen Drägerwerke, steigerten mitten in der Corona-Zeit ihren Gewinn, insofern als sie einen dringenden Bedarf bedienen. Auch China als Nation hat sich überraschend schnell und früh erholt. Business Continuity heißt das Zauberwort, so auch in den vielen Betrieben der Nahrungsmittelindustrie und in der Lieferbranche.

Und für die Schlüsselindustrie Nahrungsmittel ist nur das beste Management gerade gut genug. „Mit welchen Strategien bereiten sich diese Branchen im Zeitalter sozialer Medien am gezieltesten auf künftige Krisen vor? Und wie handeln sie Ernstfall möglichst klug und besonnen?

Die Ernährungsindustrie glänzte im Jahr 2020 im Höhepunkt der Krise mit Umsatzzahlen auf Rekordhoch. Auch schafft ein ungebrochener Innovationswille rund 10.000 neue Produkte pro Quartal. Neue Produkte werden von Verbrauchern nach wie vor gerne ausprobiert. (Quelle: BVE Jahresbericht 2020)

Es gibt eine asymmetrische Entwicklung

Einerseits liegen gesündere Kochmethoden auf der Hand, andererseits ist eine Verlagerung zu verpackten, verarbeiteten, ungesunden Lebensmitteln, vor allem in städtischen Gebieten, zu beobachten.

Das Fraunhoferinstitute for Systems and Innovations Research ISI veröffentlichte

50 „trends influencing Europe's food sector by 2035" Wir zitieren im Folgenden daraus einige subjektiv als besonders interessant befundene Trends.

Funktionelle Lebensmittel sind im Kommen

Funktionen, die Food übernimmt oder die zu übernehmen erwartet werden können:

(1) Körperliche Leistungsfähigkeit

(2) geistige Leistungsfähikeit

(3) künstlerische Kreativitiät

(4) Sinnlichkeit (Japan, Aphrodisiaka)

In zunehmendem Maße sollten Lebensmittel nicht nur dem Anspruch genügen, "schmackhaft" und "gesund" zu sein, sondern auch Gesundheit und Schönheit fördern. Die Grenzen zwischen den einzelnen Branchen und Produkten, von Lebensmitteln über Pharmazeutika bis hin zu Kosmetika, verschwimmen. Drogeriemärkte und Supermärkte konkurrieren um Kunden, die Wert auf gesunde Lebensmittel legen. Pharma-, Lebensmittel- und Kosmetikhersteller dringen so in die Bereiche des jeweils anderen ein. Sie üben Einfluss auf die Landwirtschaft aus, um deren Rohstoffbasis zu sichern und in die richtige Richtung zu lenken. Da die Verbraucher verlässliche Informationen über die gesundheitlichen Auswirkungen eines Produkts wünschen, setzen die Regulierungsbehörden den gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung strenge Grenzen.

Lebensmittelsicherheit

Der Zugang zu ausreichend sicheren Lebensmitteln ist eine Grundvoraussetzung für die menschliche Gesundheit. Die Gewährleistung von Lebensmittelsicherheit und -schutz in einer hochgradig globalisierten Welt stellt Regierungen, kommerzielle Organisationen und Einzelpersonen vor immer schwierigere und oft unterschätzte Herausforderungen. Die Risiken unsicherer Lebensmittel sind beträchtlich, können aber schwer zu quantifizieren sein. Parallel zur wachsenden Weltbevölkerung wächst die Nachfrage der Verbraucher nach einer größeren Vielfalt an Nahrungsmitteln, was eine längere und komplexere Nahrungskette nach sich zieht. Es ist notwendig, die Aufmerksamkeit wieder auf die Lebensmittelsicherheit zu lenken und die Verpflichtungen in diesem Bereich zu erneuern. Es werden bessere Daten und Methoden benötigt, um die gesundheitlichen Auswirkungen lebensmittelbedingter Krankheiten abzuschätzen und Maßnahmen zur Reaktion und Prävention zu steuern.

Grenzüberschreitende Krankheiten und Schädlinge

Die Corona-Pandemie-Jahre seit 2020 hat die Bevölkerung schmerzhaft erleben lassen, wie fatal die Ausbreitung von Krankheiten sich auswirken kann. Denkbar ist auch, dass nicht Viren sondern Schädlinge sich ausbreiten, die durch die Globalisierung, den Handel und den Klimawandel dramatisch zugenommen haben. Das kann weitreichende wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkungen haben. Insbesondere stellt dieser Trend der Gesundheitsgefahren eine große Bedrohung für die globale Ernährungssicherheit dar. Grenzüberschreitende Pflanzenschädlinge und -krankheiten können sich leicht auf mehrere Länder ausbreiten und epidemische Ausmaße annehmen. Ausbrüche können zu enormen Verlusten bei Nutzpflanzen und Weiden führen und damit die Existenzgrundlage von gefährdeten Bauern und die Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit von Millionen von Menschen bedrohen. Pflanzenschädlinge und -krankheiten verbreiten sich durch Handel oder andere Migrationsbewegungen von Menschen, durch Umwelteinflüsse wie Wetter und Wind sowie durch Insekten oder andere vektorübertragene Krankheitserreger.

Konflikte, Krisen und Naturkatastrophen

Konflikte sind eine der Hauptursachen für Ernährungsunsicherheit und Unterernährung. Sie verringern die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, stören den Zugang zu Nahrung und Gesundheitsversorgung und untergraben die sozialen Schutzsysteme. Jede Hungersnot in der Neuzeit ist durch Konflikte gekennzeichnet. Diese Konflikte sind von Natur aus komplex. Sie können durch klimabedingte Naturkatastrophen und ihre Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung ausgelöst oder verstärkt werden. Naturkatastrophen neigen dazu, besonders verletzliche Menschen in einen Teufelskreis der Armut zu sperren, weil sie weniger widerstandsfähig sind und nicht in der Lage sind, diese zu bewältigen. Es ist davon auszugehen, dass extreme Wetterereignisse, die durch den Klimawandel verursacht werden, die Situation dieser Menschen weiter verschlechtern werden.

Rückgang der Biodiversität

Biodiversität ist die Vielfalt der Arten, der Organismengemeinschaften und der genetischen Vielfalt. Sie beeinflusst die landwirtschaftlichen Systeme in vielerlei Hinsicht vorteilhaft, z.B. durch Unterstützung des Nährstoffkreislaufs, der Bodenbildung, der Regulierung von Schädlingen, der Bestäubung usw. Daher spielt die Biodiversität eine herausragende Rolle bei der Minderung von Ertragsrisiken in der Landwirtschaft. Andererseits trägt eine ökonomisch optimierte Landwirtschaft erheblich zum Verlust der Biodiversität bei, z.B. durch Landnutzungsänderungen, durch Monokulturen, durch den Ersatz traditioneller Pflanzensorten und Tierrassen durch ertragreiche Sorten, die einheitliche Qualitätskriterien erfüllen und leicht maschinell bewirtschaftet werden können. Aufgrund des Verlusts an biologischer Vielfalt ist die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel und andere sich ändernde Umweltbedingungen zu einer größeren Herausforderung geworden. 60 bis 70 Prozent des weltweiten Verlusts an biologischer Vielfalt auf dem Land sind auf die Nahrungsmittelproduktion zurückzuführen.

Essbare Verpackung von Lebensmitteln

Im Durchschnitt erzeugte jeder Bürger in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Jahr 2019 250 Kilogramm Verpackungsabfälle, und der Trend scheint zu sein, dass wir in Zukunft noch viel mehr produzieren werden. Die Verpackungen, die wir ausrangieren, sind Dinge wie Papier, Pappe, Glas, Plastik, Holz und Metalle, und sie enden alle auf riesigen Deponien oder als Müll, der die Natur verschmutzt. Ein positives Beispiel: WikiCells ist eine neue Technologie, die dieses wachsende, globale Problem auf eine einfache und einzigartige Weise angeht - nämlich über kommerzielle Lebensmittel mit essbarer Verpackung. Die Haut wird aus pflanzlichen Elementen wie Früchten, Nüssen, Körnern und sogar Schokolade hergestellt, wobei nur ein winziger Anteil Chitosan (chemisches Polymer) oder Alginat (Algenextrakt) verwendet wird.

Produkte und Dienstleistungspakete

Die Unternehmen werden zunehmend Waren, Dienstleistungen, Technologie und Finanzierung bündeln, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.

Google Express vs. Amazon: Wo liegen Unterschiede?
Bei Amazon können Sie in der Regel die Artikel von verschiedenen Einzelhändlern in einer Bestellung zusammenfassen. Bei Google geht es mehr um das Einkaufen nach Händlern als nach Artikeln. Dies schränkt das Einkaufen etwas ein.
Bei Google Express können Sie Ihre Lebensmittel bei Whole Foods kaufen.
Wenn Sie jedoch auch einen Gitarrenverstärker von Guitar Center kaufen möchten, handelt es sich bei Google Express um eine separate Bestellung. Es werden sich bei Google zwei separate Einzelhändler um Sie bemühen.
Wenn Kühlschränke, Schränke, Verpackungen in einem Netz aus Gegenständen miteinander verbunden werden, wird das Einkaufen zu einem vollständig automatisierten Prozess, der keine menschliche Entscheidung erfordert. Die Bestellung von Lebensmitteln wird durch unsere Präferenzen und unsere Gesundheit bestimmt.

Konsum im Umbruch: Produkte für Single-Haushalte

Es gibt z.B. in Deutschland und im Vereinigten Königreich einen Trend zu kleineren "Familieneinheiten". Diese Veränderung hat besondere Auswirkungen auf den Umfang und die Art der Wohnungsnachfrage und kann die Frage der Erschwinglichkeit von Wohnraum weiter verschärfen. Aufkommende Trends wie Scheidung, spätere Elternschaft und Zusammenleben ohne Ehe verändern die traditionellen Haushalts- und Familienstrukturen. Haushalte von Einpersonenhaushalten bestehen oft aus jungen Arbeitslosen oder nicht arbeitenden älteren Menschen. Kochen, insbesondere in Einpersonenhaushalten, könnte als unwirtschaftlich angesehen werden. Bequeme Lebensmittel sind in der Regel ohne weitere Zubereitung verzehrfertig, wie z.B. Trocken- oder Tiefkühlkost.

Die Digitalisierung, der technologische Fortschritt in der Lebensmittelherstellung und neue Geschäftsmodell-Innovationen für den Vertrieb von individualisierten oder personalisierten Produkten verändern das Verhalten der Verbraucher. Durch die zunehmende Nutzung mobiler Geräte gewinnt das situative Einkaufen - egal welcher Produkte - an Bedeutung. Dabei sind Ort, Zeit und Emotionen des Nutzers für den Kauf entscheidend. In Zukunft wird sich das Verhältnis der verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten wie Fachhändler, Wochenmärkte / Ab-Hof-Verkauf durch die Produzenten, Online-Handel oder Convenience-Stores deutlich verändern.

Erhöhte Marktmacht der Einzelhändler

Zu den reichsten Unternehmen der Welt gehören Walmart, Fast Retailing, IKEA, H&M, Tesco, Carrefour und die Discountketten Aldi und Lidl. Die Machtverhältnisse haben sich von den Herstellern von schnelllebigen Konsumgütern wie Unilever und Nestlé auf den Einzelhandel verlagert. Der Einzelhandel ist in Deutschland stark lokalisiert, weshalb nur wenige Akteure die Distribution wie z.B. Drive-In, Lieferdienste und Abholstationen wesentlich verändern können. Die derzeitigen Lieferservices werden in Zusammenarbeit mit den Einzelhändlern entwickelt, wodurch deren Macht erhalten bleibt. Durch seine Gatekeeper-Funktion zwischen Produktion und Konsum hat der Einzelhandel einen erheblichen Einfluss auf Preise, Qualität, Präferenzen, Sortiment und Produktionsbedingungen.

Anforderung an die Transparenz der Lieferkette

Viele Verbraucher fordern aufgrund der zunehmenden Spezialisierung und Arbeitsteilung mehr Transparenz und Kontrolle entlang der oft komplexen und undurchsichtigen Lieferketten. Die Produktherkunft spielt bei der Entscheidungsfindung der Verbraucher eine größere Rolle. Vorfälle wie der Zusammenbruch einer Textilfabrik in Sabhar, Bangladesch, im Jahr 2013 oder Lebensmittelbetrug (gezielter Zutatenbetrug bei Lebensmitteln) empören die Öffentlichkeit meist kurzfristig und können langfristig zum Verlust von Kunden führen. Einzelne Unternehmen sind dabei, ihre Lieferketten nach neuen ethischen Standards umzustrukturieren. Unternehmensübergreifende Standards und Kooperationen (z.B. f-trace, entwickelt von GS1 Germany) sollen versprechen, die neuen Anforderungen möglichst kostengünstig zu erfüllen.

Etikettengenauigkeit

Zertifizierungen helfen den Verbrauchern, informierte Entscheidungen zu treffen. Viele der frühen Produkte, die im Sinne der Umweltverantwortung entwickelt wurden, wie z.B. Elektroautos und Recyclingpapier, erfüllten nicht die grundlegenden Erwartungen der Verbraucher. Zu Recht oder zu Unrecht haben diese frühen Enttäuschungen es schwieriger gemacht, die heutigen Verbraucher davon zu überzeugen, dass grüne Produkte ebenso gut funktionieren wie diejenigen, die sie ersetzen sollen oder höhere Preise wert sind. Bei ihrer Suche nach Orientierungshilfen für die Verbraucherentscheidung vertrauen die Menschen einander mehr als jeder anderen Informationsquelle. Gleichzeitig zeigen Studien, dass die Verbraucher weniger Vertrauen in Marken haben als in der Vergangenheit.

Landwirtschaftliche Produktivität und Innovation

Um die Nachfrage zu befriedigen, muss die Landwirtschaft im Jahr 2050 fast 50 Prozent mehr Lebensmittel, Futtermittel und Biokraftstoffe produzieren als im Jahr 2012. Diese Schätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) berücksichtigt die jüngsten Prognosen der Vereinten Nationen (UN), wonach die Weltbevölkerung im Jahr 2050 9,73 Milliarden Menschen erreichen wird. In Afrika südlich der Sahara und in Südasien müsste sich die landwirtschaftliche Produktion bis 2050 mehr als verdoppeln, um die gestiegene Nachfrage zu decken, während in der übrigen Welt der prognostizierte Anstieg um etwa ein Drittel über dem derzeitigen Niveau liegen würde.

Die weltweite Nahrungsmittelproduktion besteht derzeit hauptsächlich aus traditioneller Landwirtschaft, Viehzucht und mariner Nahrungsmittelproduktion und steht im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen verschiedener intensiver, stark ökonomisch orientierter Produktionsformen und ökologisch geprägter Nahrungsmittelproduktion. Die steigende Weltbevölkerung und ihr erhöhter Bedarf an eiweißreichen Lebensmitteln führt zu einer höheren Nachfrage, während der Klimawandel die landwirtschaftlichen Praktiken zwingt, sich an höhere Temperaturen, mehr extreme Wetterereignisse und weniger Niederschläge anzupassen. Zu den neuen Formen der Nahrungsmittelproduktion gehören zum Beispiel vertikale Landwirtschaft, städtischer Gartenbau, Aquafarming oder die Produktion von künstlichem Fleisch mit Hilfe von Mikroorganismen oder Tissue Engineering.

Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf den Nahrungsmittelsektor

Künstliche Intelligenz ist im Alltag bereits ein mächtiges Instrument. Der Nutzen liegt zum Beispiel im Lieferkettenmanagement, in der Logistik, in der vorausschauenden Analyse. Künstliche Intelligenz bringt schon heute Transparenz.

Sie unterstützt das Artenmanagement, Feldbestellung, Ernte und Viehbestand und ist auch eine große Hilfe beim Sortieren von Lebensmitteln, bei der Qualitätskontrolle und beim Einhalten von Sicherheitsvorschriften, beim Produzieren, beim Verpacken und Warten. Darüber hinaus wird eine Kombination aus digitaler Bildverarbeitung und Spektroskopie verwendet, mit der Lebensmittelunternehmen sich ein Bild von Lebensmitteln machen. Die einzigartige spektrale Reflexion des Lichts bestimmt den Nährstoff-, Fett-, Proteingehalt und den Frischegehalt. Mit dieser automatisierten und nicht invasiven Technik hoffen die Forscher die Qualität und Frische der verfügbaren Lebensmittel zu verbessern und die Menge an Lebensmittelabfall zu reduzieren. Systeme, die mit Rindfleisch, Weißfisch, Bananen und Avocado arbeiten, sind bereits verfügbar.

Fazit und Ausblick: Aus der gewaltigen Herausforderung wird ein „New Normal". Es heißt, „gegessen wird immer". Die Ernährungs- und Genussmittelindustrie sei ein Gewinner der Coronakrise. Stimmt das?

Wie geht die Ernährungswirtschaft angesichts vieler neuer Trends mit der Zukunft um? Welche Trends haben sich herausgebildet und wie geht Krisenbewältigung in der Praxis?

Der Impact von Corona unterscheidet sich stark in verschiedenen Branchen. Nachhaltiges Management ist hoffähig und unabdingbar geworden. Keine Branche will ohne Innovationen aus der Krise hervorgehen. Wenn es einen Vorzeige-Gewinner gibt, dann ist es die digitale Welt.

Dabei zeigt sich auch der Nahrungsmittelsektor, ähnlich wie Teile des Einzelhandels und das Bauhauptgewerbe als relativ krisenresilient. Zwar wurden die Branchen in ihrem Umsatzwachstum während der Krise im Vergleich zum Trend in den letzten zwölf Monaten vor der Krise gebremst. Sie konnten aber immer noch moderate Zuwachsraten verzeichnen. Besonders hervor stechend sind der Versand- und Internethandel und der LEH mit Zuwächsen um 26% respektive 12 % im Krisenzeitraum März bis Mai 2020.

Als Online-Versender von Lebensmitteln gehört Hellofresh zu den Trendsettern und Profiteuren von Corona. Auch bofrost* prägt den Markt, im Direktvertrieb und in der Direktlieferung nach online Bestellung,.

Für andere Teilbereiche des Einzelhandels, der Gastronomie, des Gastgewerbes oder der Veranstaltungsbranche ist die Coronakrise ein schmerzhafter Game Changer, der eine positive Geschäftslage in den maximalen Krisenmodus gedreht hat. Umsatzeinbrüche von 54% im Einzelhandel und in der Gastronomie sowie 72% in der Hotellerie zwingen ganze Branchen temporär in die Knie. Während einzelne Branchen ihre Produktion vorübergehend einstellen müssen, erleben bestimmte Warensortimente der Ernährungswirtschaft eine erhöhte Nachfrage. Gleichzeitig rücken die Branchen sowie die Akteure in den Einkaufsstätten in Zentrum der medialen und öffentlichen Berichterstattung.

Ulrich Späing
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Vertiefende Literatur zum Thema Trends und Nachhaltigkeit

Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, BVE Jahresbericht

Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Die Auswirkungen von Corona auf die Ernährungs- und Genussmittelindustrie

Fraunhoferinstitute for Systems and Innovations Research ISI veröffentlichte

50 „trends influencing Europe's food sector by 2035", 50 "Trends to go/15 trends "à la carte"

Wippermann, Peter, Trendstudie „Bewusster leben", Hrsg. Otto Group

https://www.ottogroup.com/de/dossier/Trendstudie-zum-ethischen-Konsum.php

https://static.ottogroup.com/media/docs/de/trendstudie/Otto-Group-Trendstudie-zum-ethischen-Konsum-2020.pdf

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